Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Der Zellzyklus wird durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Mechanismen gesteuert. Bei Krebserkrankungen wie dem Mammakarzinom findet sich typischerweise eine Dysregulation des Zellzyklus. Beteiligt sind wachstumsfördernde Signale, die beispielsweise über Hormonrezeptoren vermittelt werden, und eine Störung der wachstumshemmenden Faktoren wie zum Beispiel des Inhibitor-Proteins p16. Eine wichtige Rolle im Rahmen der Zellzykluskontrolle spielen die Cyclin-abhängigen Kinasen (CDK) 4 und 6 und zwar beim Übergang von der G1- in die S-Phase, der einen wichtigen Kontrollpunkt darstellt. Beim Mammakarzinom ist die natürliche Zykluskontrolle durch die Kinasen 4 und 6 am Cyclin D1 und das natürliche Inhibitor-Protein p16 fehlreguliert, was über eine Phosphorylierung des Retinoblastom-Proteins Tumorwachstum und Metastasierung begünstigt.
Palbociclib: Ein selektiver CDK4/6-Inhibitor
Palbociclib (Ibrance®) ist ein hochselektiver CDK4/6-Inhibitor. Er hemmt die Phosphorylierung des Retinoblastom-Proteins durch den Cyclin D1/CDK4/6-Komplex und unterbricht somit den Zellzyklus von der G1- in die S-Phase. Ein klinisches Problem bei der Therapie des hormonsensitiven Mammakarzinoms ist die Ausbildung einer endokrinen Resistenz, das heißt die malignen Zellen sprechen nicht mehr auf den Entzug der Estrogene an. Diese Resistenz ist die Folge einer Überexpression von Cyclin D1 und einer daraus resultierenden vermehrten Phosphorylierung des Retinoblastom-Proteins. Mit Palbociclib kann diese endokrine Resistenz durchbrochen werden.
PALOMA-Studienprogramm
Im Rahmen des PALOMA-Studienprogramms wurde die Wirkung von Palbociclib bei Patientinnen mit einem Hormonrezeptor-positiven (HR+), humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor-2-negativen (HER2–) metastasierten Mammakarzinom untersucht, wobei unterschiedliche endokrine Kombinationspartner, nämlich der Aromatasehemmer Letrozol und der Estrogenrezeptor-Antagonist Fulvestrant, eingesetzt wurden.
In der offenen, randomisierten Phase-II-Studie PALOMA-1 wurden 165 postmenopausale Patientinnen mit HR+/HER2– metastasiertem Mammakarzinom ohne systemische Vortherapie entweder mit 2,5 mg Letrozol allein oder mit der Kombination 2,5 mg Letrozol plus 125 mg Palbociclib täglich im Einnahmezyklus über drei Wochen mit anschließender einwöchiger Pause behandelt. Primärer Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS). Durch die Kombination konnte dieses von 10,2 Monate auf 20,2 Monate verlängert werden (Hazard-Ratio [HR] 0,48; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,319–0,748; p=0,0004). Die Überlegenheit der Kombination war unabhängig davon, ob eine Überexpression des Cyclin D1 oder ein Verlust von p16 nachgewiesen werden konnte [3].
In der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie PALOMA-2 wurden 666 postmenopausale Frauen ohne systemische Vortherapie 2:1 randomisiert entweder mit Letrozol plus Placebo oder mit 125 mg Palbociclib plus Letrozol behandelt. Mit Palbociclib konnte das mediane PFS von 14,5 Monate auf 24,8 Monate (HR 0,58; 95% KI 0,46–0,72; p<0,0001) verlängert werden. Die Gesamtansprechrate betrug 42,1% in der kombiniert behandelten Gruppe im Vergleich zu 35,7% unter der alleinigen Letrozol-Therapie [2].
Ähnlich sind die Ergebnisse der randomisierten doppelblinden Phase-III-Studie PALOMA-3, in die 521 Patientinnen aufgenommen wurden, die unter einer vorherigen endokrinen Therapie eine Progression zeigten, also sowohl postmenopausale als auch prä- und perimenopausale Frauen unter Ovarialsuppression. Als Kombinationspartner von Palbociclib wurde der Estrogenrezeptor-Antagonist Fulvestrant (erst drei Injektionen alle 14 Tage, dann 500 mg alle 28 Tage i.m.) eingesetzt. Die Kombinationstherapie mit Palbociclib verlängerte das PFS auf 11,2 Monate im Vergleich zu 4,6 Monate unter der alleinigen Fulvestrant-Therapie (HR 0,46; 95% KI 0,36–0,59; p<0,0001) [1, 4].
Gutes Sicherheitsprofil
Das Sicherheitsprofil von Palbociclib unterscheidet sich wesentlich von dem einer Chemotherapie. Insgesamt war die Substanz gut verträglich. Die häufigste Nebenwirkung in den Studien war die Neutropenie, die bei drei Viertel der mit der Substanz behandelten Patientinnen auftrat. Sie war nur selten mit einer schwerwiegenden Infektion assoziiert, erforderte allerdings in Einzelfällen individuelle Dosis- beziehungsweise Therapieanpassungen, die jedoch keinen Wirksamkeitsverlust zur Folge hatten. Weitere seltene Nebenwirkungen waren Fatigue, Übelkeit, Diarrhö, Stomatitis, Anämie und Alopezie.
Fazit
Palbociclib ist der erste Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der CDK4/6-Inhibitoren. Mit dieser Substanz kann in Kombination mit einer endokrinen Therapie (Aromatasehemmer oder Fulvestrant) nach den Ergebnissen der Zulassungsstudien bei Patientinnen mit einem HR+/HER2– metastasierten Mammakarzinom das PFS im Vergleich zur alleinigen endokrinen Therapie verdoppelt werden.
Quelle
Prof. Dr. Christoph Thomssen, Halle/Saale, Prof. Dr. Diana Lüftner, Berlin, Fachpressegespräch „EU-Zulassung von Ibrance (Palbociclib): Paradigmenwechsel in der Therapie des HR-positiven/HER2-negativen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs“, Berlin, 10. Januar 2017, veranstaltet von Pfizer Oncology.
Literatur
1. Cristofanilli M, et al. Fulvestrant plus palbociclib versus fulvestrant plus placebo for treatment of hormone-receptor-positive, HER2-negative metastatic breast cancer that progressed on previous endocrine therapy (PALOMA-3): final analysis of the multicentre, double-blind, phase 3 randomised controlled trial. Lancet Oncol 2016;17:425–39.
2. Finn RS, et al. Palbociclib and letrozole in advanced breast cancer N Engl J Med 2016;375:1925–36.
3. Finn RS, et al. The cyclin-dependent kinase 4/6 inhibitor palbociclib in combination with letrozole versus letrozole alone as first-line treatment of oestrogen receptor-positive, HER2-negative, advanced breast cancer (Paloma-1/TRIO-18): a randomised phase 2 study. Lancet Oncol 2015;16:25–35.
4. Turner NC, et al. Palbociclib in hormone-receptor-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2015;373:209–19.
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Arzneimitteltherapie 2017; 35(04)