Ich nehme Medikamente, ergo bin ich krank


Dr. Stefan Fischer, Stuttgart

[Foto: privat]

Es gibt viele Gründe, warum Patienten die verschriebene Medikation nicht einnehmen.

Der trivialste ist der Aufwand. Je mehr Medikamente, desto seltener werden alle korrekt eingenommen. Mit der Zahl steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit für Fehler.

Prominentes Beispiel für eine Indikation mit schlechter Therapietreue ist die multiple Sklerose. Zwischen zwei Schüben empfindet der Patienten die Therapie oft belastender als die Krankheit selbst – zumindest bei der klassischen Interferon-Therapie. Gleiches gilt für die Hypertonie: Gerade im Anfangsstadium ist kaum ein Leidensdruck zu spüren, aber die Medikation kann durchaus zu unerwünschten Wirkungen führen.

Oft reicht schon die Angst vor Nebenwirkungen aus, damit die Therapie unterbrochen oder beendet wird. Gerade die heutige Flut an Informationen führt oft zu Verunsicherungen. Abstruse Thesen wie „AIDS wird durch antivirale Medikamente verursacht“ und „Masern existieren nicht“ finden tatsächlich Anklang. Über sinnvolle Wirkstoffe wird reißerisch berichtet, statt objektiv vor deren Risiken zu warnen.

Aber neben Nebenwirkungen und der Angst vor ihnen gibt es mindestens noch einen weiteren Grund für die Ablehnung einer Pharmakotherapie. Dieser betrifft vor allem die andauernde Therapie, wenn deren Beendigung in weiter Ferne liegt oder vielleicht nie erfolgt. Im aktuellen Heft, im Artikel „Epilepsien: Absetzen von Antikonvulsiva“ von Dr. Lindenau, fällt in einem Fallbeispiel der Satz: „Ich fühle mich noch solange nicht gesund, solange ich noch Tabletten einnehmen muss.“ Natürlich kann die fortdauernde Therapie mit einer Lacosamid-Lamotrigin-Kombination zu Nebenwirkungen führen. Aber das ist hier nicht das Problem: Solange ich die Therapie erhalte, weiß ich nicht, ob ich gesund bin oder ob nur das Medikament wirkt. Zugespitzt könnte man sogar formulieren: Wäre ich gesund, würde der Arzt das Medikament absetzen. Also bin ich krank. Das ist ein verständlicher, jedoch falscher Schluss. Der Verstand kann aber sogar noch weiter gehen und die Kausalität pervertieren: Wenn ich das Medikament nicht mehr nehme, bin ich gesund.

Was können Sie tun, wenn ein Patient mit dieser oder einer anderen Motivation zur Beendigung einer Therapie an Sie herantritt? Sicher ist es das Beste, wenn Daten und Fakten vorliegen, um Risiken und Nutzen gemeinsam mit dem Patienten abwägen zu können. Zumindest im Indikationsbereich der Antikonvulsiva wird Sie die Übersicht von Dr. Lindenau unterstützen.

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der AMT zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber AMT-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren