Kindliche Migräne

Migräne-Prophylaxe mit Amitriptylin oder Topiramat bei Kindern nicht besser als Placebo


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Dr. Tanja Neuvians, Ladenburg

Bisher gibt es keine empfohlene, medikamentöse Therapie, die Migräneattacken bei Kindern nachweislich vorbeugt. Die vorliegende Studie untersucht, ob Amitriptylin oder Topiramat besser wirken als Placebo. Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Nebenwirkungen traten in der Medikamentengruppe häufiger auf. Die Studie wurde vorzeitig beendet.

Die Angaben zur Prävalenz von Migräne bei Kindern und Jugendlichen schwanken von 1 bis 2% bei Vorschulkindern bis über 10% bei Jugendlichen ab 14 Jahren. Mit zunehmendem Alter sind Mädchen häufiger betroffen. Bei etwa der Hälfte der Patienten bleibt die Migräne im Erwachsenenalter bestehen. Bisher gibt es keine für Kinder zugelassene, medikamentöse Migräne-Prophylaxe, die im Vergleich zu Placebo nachweislich die Symptomatik verbessert. Eine Umfrage unter pädiatrischen Kopfschmerzspezialisten in den Vereinigten Staaten ergab, dass Amitriptylin und Topiramat die beiden häufigsten Präparate sind, die zur medikamentösen Prophylaxe bei kindlicher Migräne verwendet werden. Die CHAMP-Studie (Childhood and adolescent migraine prevention), die vom National Institute of Health in den USA finanziert wurde, untersucht, ob diese beiden Medikamente einen besseren Effekt haben als Placebo. Die Eckdaten der CHAMP-Studie finden sich in Tabelle 1.

Tab. 1. Studiendesign von CHAMP (Childhood and adolescent migraine prevention) [nach Powers SW et al.]

Erkrankung

Kindliche Migräne

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Amitriptylin oder Topiramat zur Prophylaxe der kindlichen Migräne im Vergleich zu Placebo

Studientyp

Interventionsstudie

Studienphase

Phase III

Studiendesign

Multizentrisch, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert

Eingeschlossene Patienten

328, Alter 8–17 Jahre, Kopfschmerzen an 4 oder mehr von 28 Tagen, mit einem Behinderungsgrad von 11–139 (Pediatric migraine disability assessment scale)

Intervention

2-mal tägl. 1 Kapsel oral über 24 Wochen

  • Amitriptylin (n=132), 1 mg/kg KG/Tag
  • Topiramat (n=130), 2 mg/kg KG/Tag
  • Placebo (n=66)

Primäre Endpunkte

Reduktion der Anzahl der Kopfschmerztage um 50% oder mehr im Vergleich zu einem 28-tägigen Beobachtungszeitraum vor Beginn der Behandlung

Sekundäre Endpunkte

Anzahl der Kopfschmerztage, Behinderungen durch Kopfschmerzen, Anzahl der Patienten, die die Studie beendete, schwere Nebenwirkungen

Sponsor

National Institutes of Health

Studienregisternummer

NCT01581281 (ClinicalTrials.gov)

Ergebnisse

Um verlässliche Daten zu erhalten, waren 675 Studienteilnehmer geplant. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da der Unterschied des Behandlungseffekts im Vergleich zur Placebo-Gruppe weniger als 20 Prozentpunkte betrug.

Die Daten von 328 Studienteilnehmern wurden analysiert: eine relative Reduktion der Anzahl an Kopfschmerztagen um 50% oder mehr erreichten in der Amitriptylin-Gruppe 52% der Patienten, in der Topiramat-Gruppe 55%, und in der Placebo-Gruppe 61%. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Ebenso gab es keine signifikanten Unterschiede bezüglich folgender sekundärer Endpunkte: absolute Anzahl an Kopfschmerztagen, Behinderungen durch die Kopfschmerzen und Anzahl der Patienten, die den 24-wöchigen Behandlungszeitraum beendete.

In den Behandlungsgruppen traten jedoch mehr Nebenwirkungen auf als in der Placebo-Gruppe.

Patienten, die Amitriptylin erhielten, klagten häufiger über Müdigkeit (30% vs. 14%) und einen trockenen Mund (25% vs. 12%).

Mit Topiramat hatten die Patienten häufiger Parästhesien (31% vs. 8%) und Gewichtsverlust (8% vs. 0%).

Als schwere Nebenwirkung werteten die Autoren in der Amitriptylin-Gruppe drei Fälle mit Stimmungsschwankungen, in der Topiramat-Gruppe einen Fall mit einem Suizidversuch.

Diskussion

Für keines der beiden getesteten Medikamente war über einen Behandlungszeitraum von 24 Wochen eine Wirksamkeit gegenüber Placebo nachweisbar. Der starke Placebo-Effekt, der auch schon in anderen Studien in ähnlichem Ausmaß festgestellt wurde, könnte verantwortlich dafür gewesen sein. In der Medikamentengruppe traten mehr Nebenwirkungen auf. Eine eindeutige Empfehlung, mit welchen Medikamenten Migräneattacken im Kindesalter vorgebeugt werden kann, gibt es weiterhin nicht.

Im begleitenden Editorial wird geraten, sich Zeit zu nehmen und empathisch auf Patienten und Familie einzugehen: Das allein könne die Symptome bereits bessern [1].

Fazit

Wegen des ungünstigen Risiko-Nutzen-Profils sollte die vorbeugende Behandlung der kindlichen Migräne mit Amitriptylin oder Topiramat überdacht werden.

Quelle

Powers SW, et al. Trial of amitriptyline, topiramate, and placebo for pediatric migraine. N Engl J Med 2017;376:115–24.

Literatur

1. Jackson JL. Pediatric migraine headache – still searching for effective treatments. N Engl J Med 2017;376:169-70.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(04)