Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern

Reduzierte Dosis von NOAKs im Vergleich zu Warfarin


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Eine große populationsbezogene Studie aus Dänemark zeigt, dass die niedrige Dosis von Apixaban im Vergleich zu Warfarin mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden ist. Die niedrige Dosis von Dabigatran führt im Verhältnis zu Warfarin zu einer signifikanten Reduktion von Blutungskomplikationen.

In den letzten Jahren wurden vier Nicht-Vitamin-K orale Antikoagulanzien (NOAKs) in randomisierten Studien mit Warfarin verglichen (ARISTOTLE, ENGAGE, RE-LY, ROCKET-AF). In der Prävention des Schlaganfalls bei Patienten mit Vorhofflimmern waren Apixaban (Eliquis®), Dabigatran (Pradaxa®), Edoxaban (Lixiana®) und Rivaroxaban (Xarelto®) entweder mindestens genauso gut wirksam wie Warfarin oder überlegen [1].

In zwei der Zulassungsstudien wurden jeweils zwei unterschiedliche Dosierungen der NOAKs verwendet, nämlich in der RE-LY-Studie (Dabigatran 2-mal 110 mg und 2-mal 150 mg) und in der ENGAGE-Studie (Edoxaban 30 und 60 mg 1-mal täglich). In der ROCKET-AF-Studie mit 20 mg Rivaroxaban und in der ARISTOTLE-Studie mit 2-mal 5 mg Apixaban war eine Dosisreduktion möglich, wenn die Patienten ein hohes Blutungsrisiko hatten (z.B. eingeschränkte Nierenfunktion). Obwohl die niedrigen Dosen von Apixaban (2-mal 2,5 mg) und Rivaroxaban (1-mal 15 mg) numerisch nur bei einer kleinen Zahl von Patienten untersucht wurden, werden sie offenbar aus Angst vor Blutungskomplikationen in der klinischen Praxis sehr häufig verschrieben.

Dänischen Autoren wollten daher untersuchen, ob eine Verschreibung der drei NOAKs Apixaban, Dabigatran und Rivaroxaban in reduzierter Dosis ebenfalls in der Schlaganfall-Prävention wirksam ist.

Studiendesign

In den dänischen Registern werden alle Einwohner von Dänemark von der Geburt bis zum Tod dokumentiert. Neben biologischen Variablen werden alle Krankenhausaufenthalte, Krankenhaus-Entlassdiagnosen sowie verschriebene Medikamente erfasst.

Für die vorliegende Analyse (Tab. 1) wurden Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern erfasst, die erstmalig zwischen August 2011 und Februar 2016 ein Rezept für eine orale Antikoagulation erhielten. Um die unterschiedlichen Risikofaktoren und Begleiterkrankungen zu berücksichtigen, wurde ein Propensity-Score-Matching durchgeführt. Verglichen wurden 2-mal 110 mg Dabigatran, 1-mal 15 mg Rivaroxaban und 2-mal 2,5 mg Apixaban mit Warfarin. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt setzte sich zusammen aus ischämischen Schlaganfällen und systemischen Embolien. Der primäre Sicherheitsendpunkt umfasste die Blutungsereignisse.

Tab. 1. Studiendesign

Erkrankung

Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern

Studienziel

Sicherheit und Wirksamkeit reduzierter NOAK-Dosierungen

Studientyp

Kohortenstudie

Studiendesign

Beobachtung eines landesweiten Registers

Eingeschlossene Patienten

55644

Intervention

  • Niedrig dosiertes NOAK
  • Warfarin

Primärer Endpunkt

Ischämische Schlaganfälle und systemische Embolien

Primärer Sicherheitsendpunkt

Blutungsereignisse

Sponsor

The Obel Family Foundation

Ergebnisse

In der Studie wurden insgesamt 55644 Patienten mit Vorhofflimmern erfasst. Die Patienten waren im Mittel 74 Jahre alt und 13% hatten bereits in der Vergangenheit einen Schlaganfall erlitten. Mit Apixaban wurden 4400 Patienten, mit Dabigatran 8875 Patienten, mit Rivaroxaban 3476 und mit Warfarin 38893 Patienten behandelt.

Während der einjährigen Beobachtungsphase führte die Einnahme der reduzierten Dosis von Apixaban im Vergleich zu Warfarin zu einer höheren Rate an ischämischen Schlaganfällen und systemischen Embolien (4,8%) verglichen mit Dabigatran (3,3%), Rivaroxaban (3,5%) und Warfarin (3,7%). Die Hazard-Ratios für den primären Endpunkt waren 1,19 für Apixaban, 0,89 für Dabigatran und 0,89 für Rivaroxaban.

Für Blutungskomplikationen betrug das Hazard-Ratio für Apixaban vs. Warfarin 0,96 und für Rivaroxaban 1,06. Für Dabigatran fand sich eine signifikante Risikoreduktion für schwerwiegende Blutungskomplikationen im Vergleich zu Warfarin von 20%.

Kommentar

Das Verschreibungsverhalten von Ärzten in ganz Europa zeigt zwei widersprüchliche Tendenzen. Neurologen und Kardiologen verschreiben üblicherweise die in den randomisierten Studien verwendeten höheren Dosen der NOAKs, außer für Patienten bei denen aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos, des Alters oder einer Nierenfunktionsstörung eine reduzierte Dosis notwendig ist. Bei niedergelassenen Ärzten wird bei bis zu 50% aller Patienten die niedrige Dosis eines NOAKs verschrieben, wobei die wissenschaftliche Evidenz für die niedrige Dosis von Apixaban und Rivaroxaban fehlt. Dieses Verschreibungsverhalten hat offenbar klare Konsequenzen für die Risikoreduktion für ischämische Schlaganfälle und das Blutungsrisiko. Die niedrige Dosis von Rivaroxaban ist bezüglich Wirkung und Nebenwirkung mit Warfarin vergleichbar. Die niedrige Dosis von Apixaban hat ein erhöhtes Risiko für ischämische Insulte und die niedrige Dosis von Dabigatran eine reduzierte Blutungsrate. Dies sollte in der täglichen Verschreibung von NOAKs zur Schlaganfall-Prävention Beachtung finden.

Quelle

Nielsen PB, et al. Effectiveness and safety of reduced dose non-vitamin K antagonist oral anticoagulants and warfarin in patients with atrial fibrillation: propensity weighted nationwide cohort study. BMJ 2017;356:j510.

Literatur

1. Ruff CT, et al. Comparison of the efficacy and safety of new oral anticoagulants with warfarin in patients with atrial fibrillation: a meta-analysis of randomised trials. Lancet 2014;383:955–62.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(05)