Dr. Stefan Fischer, Stuttgart
Negativempfehlungen (Tab. 1). Die Forderung nach einer Bildgebung durch den Patienten bei nichtspezifischem Kreuzschmerz ist verständlich. Auch als Arzt und Wissenschaftler ist es nicht der erste Impuls, eine Untersuchung abzulehnen, weil es schaden könnte, zu viel zu wissen. Eine frühe Bildgebung ohne „Red Flags“ (z.B. Hinweise auf eine Fraktur, einen Tumor, eine Infektion oder eine Radikulopathie/Neuropathie) wird wahrscheinlich einen Befund liefern. Dies trifft in dieser Situation allerdings mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf Personen ohne eine vermutete Erkrankung zu. Macht man dann aber den Befund für die Beschwerden verantwortlich, ist eine allenfalls schädliche Übertherapie die Folge.
Tab. 1. Negativempfehlungen [Fiehn C et al.]
Bei nichtspezifischem Kreuzschmerz unter sechs Wochen ohne „Red Flags“ soll eine Bildgebung nicht erfolgen. |
Ohne typische Anamnese und Klinik soll eine Borrelien-Serologie nicht bestimmt werden. |
Eine längerfristige Glucocorticoidtherapie in einer Dosis von mehr als 5 mg/Tag Prednisonäquivalent soll nicht durchgeführt werden. |
Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung soll als Diagnose nicht verworfen werden, nur weil die Laborwerte (Entzündungsmarker, Serologie) normal sind. |
Eine Behandlung von Laborparametern (zum Beispiel RF positiv, ANA positiv) ohne passende Klinik soll nicht erfolgen. |
Aus ähnlichen Gründen sollte bei der Serologie von Borrelien Zurückhaltung geübt werden. Die Seroprävalenz in der Bevölkerung ist hoch und würde Fehldiagnosen verursachen.
Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen muss die Konsequenz falsch negativer Laborwerte bedacht werden. Entscheidend ist der Zustand des Patienten. Umgekehrt sollen aber auch keine Laborparameter ohne passende Klinik behandelt werden.
Positivempfehlungen (Tab. 2). Aber auch in der Rheumatologie gibt es Maßnahmen, die keinesfalls vernachlässigt werden sollten.
Tab. 2. Positivempfehlungen [Fiehn C et al.]
Nach Gichtanfall soll eine Harnsäure-senkende Therapie nicht ohne niedrig-dosierten Colchicin-Schutz begonnen werden. |
Jede unklare akute Gelenkschwellung soll unverzüglich durch Gelenkpunktion/Punktatuntersuchung abgeklärt werden. |
Bei konkretem klinischen Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis („A. temporalis“) soll unverzüglich mit einer Glucocorticoid-Therapie begonnen werden; die anstehende Diagnostik soll den Therapiebeginn nicht verzögern. |
Bei allen Patienten unter immunsuppressiver Therapie soll regelmäßig der Impfstatus geprüft und Impfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) aufgefrischt werden. |
Das kardiovaskuläre Risikoprofil von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen soll bestimmt und gegebenenfalls reduziert werden. |
Eine Harnsäure-senkende Therapie kann initial, das heißt in den ersten sechs Monaten, zur Mobilisierung von Harnsäure führen. Daher darf nicht der Colchicin-Schutz vergessen werden, sonst drohen erneute Gichtattacken.
Die Glucocorticoid-Therapie bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis darf keinesfalls durch die ausstehende Diagnostik verzögert werden: Es droht eine irreversible Erblindung.
Fazit
Mit einfachen Mitteln wie der Impfung immunsupprimierter Patienten (Tab. 2) kann in der Rheumatologie viel erreicht werden. Oft ist das „Weniger“ schwerer. Wenn zum Beispiel ein Patient überzeugt werden muss, dass der richtige Zeitpunkt für eine Bildgebung noch nicht gekommen ist.
Quellen
Hasenfuß G; Symposium „Klug entscheiden in der inneren Medizin“, DPG-Jahrestagung 2017, Stuttgart, 24.03.2017.
Fiehn C, et al. Klug entscheiden: …in der Rheumatologie. Dtsch Arztebl 2016;113: A-1154 /B-969 /C-953.
Arzneimitteltherapie 2017; 35(07)