Rheumatologie

Sirukumab wirksam bei therapierefraktärer rheumatoider Arthritis


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Britta Novak, Nordhorn

Die Therapieoptionen bei einer rheumatoiden Arthritis wurden in den letzten Jahren erweitert. Den größten Beitrag hierzu lieferten Antikörper wie TNF-Blocker. In der SIRROUND-T-Studie befasste man sich mit den Patienten, die bislang trotz verbesserter Möglichkeiten nicht auf eine Therapie ansprachen. Für diese schwer behandelbare Patientengruppe untersuchten die Studienautoren einen neuen Therapieansatz mit Sirukumab, einem monoklonalen Antikörper, der selektiv an das Zytokin Interleukin 6 bindet.

Der chronische Verlauf der rheumatoiden Arthritis stellt sowohl für den einzelnen Patienten als auch für die Gesellschaft ein großes Problem dar. Hierbei ist vor allem der Verlust sozialer und finanzieller Selbstständigkeit des Patienten von zentraler Bedeutung [1]. Um bessere strukturelle und funktionelle Ergebnisse zu erzielen, empfiehlt die aktuelle Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, möglichst früh mit der Therapie mit DMARD (Disease-modifying anti-rheumatic drug) zu beginnen. Um das angestrebte Behandlungsziel einer Remission zu erreichen, sollte engmaschig kontrolliert werden und die Therapie gegebenenfalls intensiviert werden [2]. Der Einsatz von TNF(Tumornekrosefaktor)-Inhibitoren in Monotherapie oder als Kombination mit Methotrexat verbesserte bei vielen Patienten mit rheumatoider Arthritis die Krankheitsaktivität signifikant.

Die Autoren der SIRROUND-T-Studie beschäftigten sich insbesondere mit der Patientengruppe mit aktiver rheumatoider Arthritis, bei denen sich trotz Ausschöpfung bisheriger Therapieoptionen die Krankheitsaktivität nicht verbesserte.

Neuer Therapieansatz mit Sirukumab

In der Pathophysiologie der rheumatoiden Arthritis spielt Interleukin 6 eine große Rolle. Es kann durch den Interleukin-6-Rezeptorinhibitor Tocilizumab blockiert werden. Dieser Antikörper wurde bereits erfolgreich getestet und in die Leitlinie zur Therapie von schwer behandelbaren Fällen von rheumatoider Arthritis aufgenommen. Ein neuer Ansatz, Interleukin 6 zu inhibieren, ist der monoklonale Antikörper Sirukumab, der selektiv mit hoher Affinität an Interleukin 6 bindet.

Studiendesign

In der multinationalen SIRROUND-T-Studie wurden 878 volljährige Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis randomisiert in drei Gruppen eingeteilt (Tab. 1). Die erste Gruppe (n=294) erhielt ein Placebo, die zweite Gruppe (n=292) bekam 50 mg Sirukumab subkutan (s.c.) alle vier Wochen (zur Maskierung dazwischen eine Placebo-Injektion s.c.) und die dritte Gruppe (n=292) erhielt 100 mg Sirukumab s.c. alle zwei Wochen. Eine Begleittherapie mit DMARDs war im Rahmen der Studie möglich und wurde bei 81% aller Studienteilnehmer durchgeführt.

Tab. 1. Studiendesign von SIRROUND-T (a study of CNTO 136, a human anti-IL-6 monoclonal antibody, administered subcutaneously, in patients with active rheumatoid arthritis despite anti-TNF-alpha therapy) [nach Aletaha D, et al. 2017]

Erkrankung

Rheumatoide Arthritis

Studienziel

Wirksamkeit und Sicherheit von Sirukumab bei Patienten mit aktiver therapierefraktärer rheumatoider Arthritis

Studientyp/-phase

Interventionsstudie/Phase III

Studiendesign

Multinational, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, parallel

Eingeschlossene Patienten

878 volljährige Patienten mit einer aktiven bislang therapierefraktären rheumatoiden Arthritis (vorherige Therapie mindestens ein TNF-Blocker)

Intervention

  • Placebo (n=294)
  • 50 mg Sirukumab s.c. alle 4 Wochen (n=292)
  • 100 mg Sirukumab s.c. alle 2 Wochen (n=292)

Primärer Endpunkt

Anteil der Patienten mit mindestens 20% Verbesserung entsprechend der ACR20-Response-Kriterien in Woche 16

Sekundäre Endpunkte

Sicherheit, Anteil der Patienten mit Verbesserungen entsprechend ACR20, ACR50, ACR70 oder ACR90 in Woche 24, Erreichen einer Verbesserung in anderen Bewertungs-Scores für den Therapieerfolg der rheumatoiden Arthritis

Sponsor

Janssen Research & Development, LLC, GlaxoSmithKline

Studienregisternummer

NCT01606761 (ClinicalTrials.gov)

ACR: American College of Rheumatology; ACR20–90: Anteil der Patienten, die eine 20%ige bzw. 90%ige Verbesserung der Symptome erreichen, gemessen am ACR; s.c.: subkutan; TNF: Tumornekrosefaktor

Eingeschlossen wurden Patienten, die vier oder mehr druckempfindliche Gelenke und vier oder mehr geschwollene Gelenke aufwiesen und die bislang therapierefraktär oder intolerant bei der Behandlung mit mindestens einem TNF-Blocker waren. 60% aller Studienteilnehmer hatten zuvor bereits zwei oder mehr Biologika erhalten.

Die Studienmedikamente wurden für maximal 52 Wochen appliziert. Der primäre Endpunkt wurde bei einer 20%-Verbesserung nach Responder-Kriterien des American College of Rheumatology (ACR20) in der 16. Woche erreicht. Zu den Kriterien zählte die Anzahl geschwollener und druckempfindlicher Gelenke im Vergleich zur Ausgangssituation. Zudem wurde in drei von fünf weiteren Kriterien eine 20%-Verbesserung zur Ausgangslage gefordert: in der visuellen Schmerzanalogskala, im HAQ-Funktionsbehinderungsindex, in der Gesamtbeurteilung der Krankheitsaktivität durch Arzt und Patient und durch eine Senkung des CRP-Werts. Zu den sekundären Endpunkten zählten die Sicherheit von Sirukumab und diverse andere Scores zur Bewertung der Therapie der rheumatoiden Arthritis in der 24. Woche wie die ACR50 oder DAS28.

Beide Behandlungsschemata mit Sirukumab erfolgreich

In der 18. Woche wurden 94 Patienten aus der Placebo-Gruppe den anderen beiden Studienarmen randomisiert zugeordnet, da sich bis zu diesem Zeitpunkt keine 20%-Verbesserung nach ACR-Responder-Kriterien eingestellt hatte. Ab der 24. Woche wurden auch die restlichen Patienten der Placebo-Gruppe auf die zwei Therapiearme mit Sirukumab aufgeteilt.

Den primären Endpunkt in der 16. Woche erreichten in der Placebo-Gruppe 71 Patienten (24%), in der Gruppe unter 50 mg Sirukumab alle vier Wochen 117 Patienten (40%) und in der Gruppe unter 100 mg Sirukumab alle zwei Wochen 132 Patienten (45%). Dies entspricht einem Unterschied im Vergleich zur Placebo-Gruppe von 0,16 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,09–0,23) für die Gruppe unter 50 mg Sirukumab und einem Unterschied von 0,21 (95%-KI 0,14–0,29) für die Gruppe unter 100 mg Sirukumab. Beide Schemata mit Sirukumab zeigten einen signifikanten Vorteil gegenüber der Placebo-Gabe (jeweils p<0,0001). In den sekundären Endpunkten spiegelte sich ebenfalls eine erfolgreiche Behandlung mit Sirukumab in beiden Dosierungen wider (Tab. 2).

Tab. 2. Die bedeutendsten sekundären Endpunkte der SIRROUND-T-Studie [nach Aletaha D, et al. 2017]

Wichtigste sekundäre Endpunkte

Placebo
(n=294*)

50 mg Sirukumab alle 4 Wochen
(n=292)

100 mg Sirukumab alle 2 Wochen
(n=292)

Outcome Woche 24

Outcome Woche 24

Unterschied (95%-KI)

p-Wert

Outcome Woche 24

Unterschied (95%-KI)

p-Wert

HAQ-DI

(Änderung zum Ausgangswert)

–0,12

(0,49)

–0,31

(0,54)

–0,17 (–0,25; –0,09)

<0,0001

–0,33

(0,53)

–0,19

(–0,28; –0,11)

<0,0001

ACR50

26 (9%)

61 (21%)

0,12 (0,06; 0,18)

<0,0001

63 (22%)

0,13 (0,07; 0,18)

<0,0001

DAS28 (C-reaktives Protein) <2,6

24 (8%)

56 (19%)

0,11 (0,06; 0,17)

0,0001

63 (22%)

0,13 (0,08; 0,19)

<0,0001

*94 Patienten wurden in Woche 18 auf aktive Behandlung umgestellt.

ACR: American College of Rheumatology; ACR50: Anteil der Patienten mit Erreichen einer 50%igen Verbesserung der Symptome, gemessen am ACR; DAS28: Disease Activity Score, basierend auf 28 Punkten; HAQ-DI: Health Assessment Questionnaire–Disability Index; KI: Konfidenzintervall; n: Anzahl

Als häufigstes unerwünschtes Ereignis in beiden Sirukumab-Gruppen trat ein Erythem an der Injektionsstelle auf (in der 24. Woche 4 Patienten der Placebo-Gruppe, 22 Patienten der Gruppe unter 50 mg Sirukumab und 41 Patienten der Gruppe unter 100 mg Sirukumab). In den beiden Sirukumab-Gruppen führten hauptsächlich Infektionen zum Therapieabbruch. Als häufigste schwere Infektion wurde eine Lungenentzündung angegeben (in 52 Wochen jeweils fünf Fälle in beiden Sirukumab-Gruppen). Zu einer gastrointestinalen Perforation, einer bekannten Komplikation der Interleukin-6-Blocker, kam es während der Studie in zwei Fällen in der Gruppe unter 50 mg Sirukumab und in fünf Fällen der Gruppe unter 100 mg Sirukumab.

Kaum Unterschiede bei verschiedenen Dosierungen

In der Therapie der rheumatoiden Arthritis kann Sirukumab eine wichtige Rolle als Reservemittel für schwer behandelbare Patienten spielen. Hierbei zeigten sich keine bedeutenden Unterschiede sowohl in der Wirksamkeit als auch in der Sicherheit zwischen den beiden eingesetzten Dosierungen.

Die SIRROUND-T-Studie hat sich insbesondere mit therapierefraktären Patienten befasst, sodass es anhand dieser Studie schwierig ist, Wirksamkeit und Sicherheit für das allgemeine Management der rheumatoiden Arthritis zu beurteilen. Die Überlegenheit von Sirukumab gegenüber einem Interleukin-6-Rezeptorantagonisten (Tocilizumab) wurde in dieser Studie nicht untersucht. Hierzu wäre eine weitere Studie erforderlich.

Quelle

Aletaha D, et al. Efficacy and safety of sirukumab in patients with active rheumatoid arthritis refractory to anti-TNF therapy (SIRROUND-T): a randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, multinational, phase 3 study. Lancet 2017;389:1206–17.

Literatur

1. DGRh-Leitlinie „Management der frühen rheumatoiden Arthritis“, www.bdrh.de (Zugriff am 19.06.2017).

2. Leitlinie „Rheumatoide Arthritis, Empfehlungen und Algorithmus zur medikamentösen Therapie“, www.awmf.org (Zugriff am 19.06.2017)

Arzneimitteltherapie 2017; 35(07)