Neuroonkologie

Bevacizumab ist in der Behandlung des Glioblastoms nicht wirksam


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Die Kombinationstherapie von Lomustin plus Bevacizumab hatte im Vergleich zu einer Monotherapie mit Lomustin bei Patienten mit fortgeschrittenem Glioblastom keine therapeutische Wirkung, wie eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zeigte.

Das Glioblastom ist der häufigste maligne Hirntumor im höheren Lebensalter mit einer sehr schlechten Prognose. Die Standardtherapie besteht aus einer operativen Entfernung der Tumormasse, einer Strahlentherapie und einer Chemotherapie mit Temozolomid. Kleinere Studien mit dem monoklonalen Antikörper gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) Bevacizumab hatten eine Wirkung vermuten lassen und die Substanz wurde daraufhin zur Behandlung des fortgeschrittenen Glioblastoms zugelassen. Die hier vorgestellte Studie schloss Patienten mit einer Progression der Tumorerkrankung nach Standardstrahlentherapie und Chemotherapie ein. Sie wurden im Verhältnis 2:1 zu Lomustin plus Bevacizumab (288 Patienten) oder einer Monotherapie mit Lomustin (179 Patienten) randomisiert (Tab. 1). Bei allen Patienten wurde der Methylierungsstatus des Promotors der O-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) bestimmt. Der primäre Endpunkt der Studie war das Überleben. Weitere Endpunkte waren die Lebensqualität und neurokognitive Funktionen nach 12 Wochen.

Tab. 1. Studiendesign [Wick et al. 2017]

Erkrankung

Glioblastom

Studienziel

Bevacizumab und Lomustin für rezidivierende Glioblastome

Studientyp/Design

Interventionell, randomisiert, parallel, offen, Phase III

Patienten

433

Intervention

  • Lomustin 90mg/m² alle 6 Wochen (160mg Deckel) + Bevacizumab 10mg/kg alle 2 Wochen; bei Abwesenheit hämatologischer Toxizität Lomustin-Eskalation auf 110mg/m² (200mg Deckel) ab 2. Zyklus
  • Lomustin 110mg/m² alle 6 Wochen (200mg Deckel)

Primärer Endpunkt

Gesamtüberleben

Sponsor

Hoffmann-La Roche

Studienregisternummer

NCT01290939
(ClinicalTrials.gov)

In die Studie wurden insgesamt 437 Patienten aufgenommen. Die Chemotherapie wurde alle sechs Wochen durchgeführt. Die Patienten waren im Mittel 58 Jahre alt und bei allen war die Diagnose eines Glioblastoms histologisch gesichert. Die mediane Überlebenszeit betrug in der Kombinationsgruppe 9,1 Monate und in der Monotherapiegruppe 8,6 Monate (Hazard-Ratio [HR] für Tod 0,95; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,74–1,21; p=0,65). Für das progressionsfreie Überleben ergab sich ein signifikanter Nutzen der Kombinationstherapie mit medianem Zeitraum von 4,2 versus 1,5 Monaten (HR 0,49; 95%-KI 0,39–0,61; p<0,001). Die Kombinationstherapie führte mit 38,5% zu signifikant mehr schwerwiegenden Nebenwirkungen als die Monotherapie (9,5%). Am häufigsten handelte es sich um hämatologische Nebenwirkungen, eine arterielle Hypertonie und eine Lungenembolie.

Kommentar

Trotz eines verlängerten progressionsfreien Überlebens hatte die Kombinationstherapie aus Lomustin und Bevacizumab keinen therapeutischen Nutzen bei fortgeschrittenem Glioblastom. Die Zulassung für die Indikation Glioblastom wurde inzwischen widerrufen und das Medikament kann nicht mehr zur Behandlung des Glioblastoms eingesetzt werden.

Quelle

Wick W, et al. Lomustine and bevacizumab in progressive glioblastoma. N Engl J Med 2017;377:1954–63.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(03):80-109