Dr. Annette Junker, Wermelskirchen
Im CAR-Prozess werden T-Zellen des Patienten genetisch verändert und dann rückinfundiert. Die so mit CARs (chimäre Antigenrezeptoren) ausgestatteten T-Zellen des Patienten oder eines gesunden Spenders können spezifische Oberflächenmerkmale auf Leukämie- und Lymphomzellen erkennen und bekämpfen. Die Resistenz von Tumoren gegenüber zytotoxischen T-Zellen wird auf diese Weise primär umgangen. Die ersten klinischen Studien, von denen ab 2010 berichtet wurde, wurden mit CAR-T-Zellen durchgeführt, die gegen das Antigen CD19 gerichtet waren. Es handelte sich überwiegend um kleinere Studien oder Fallberichte mit begrenztem Follow-up, die aber schon mit ihren Ansprechraten und der Dauerhaftigkeit von kompletten Remissionen auf die Effektivität dieser neuen Strategie aufmerksam machten. Einige erhielten von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA bereits die Zulassung als Breakthrough-Therapie.
Langes Ansprechen bei refraktären aggressiven NHL
In der vorgeschalteten Phase-I-Studie mit sieben Patienten und der sich daran anschließenden multizentrischen Phase-II-Studie ZUMA-1 war CD19 das Zielantigen. In Abhängigkeit vom Tumortyp waren zwei Kohorten gebildet worden:
- Patienten mit diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen (DLBCL) (Kohorte 1, n=77)
- Patienten mit primär mediastinalen B-Zell-Lymphomen oder transformierten follikulären Lymphomen (Kohorte 2, n=24).
Die Patienten hatten nicht vollständig auf Chemotherapie angesprochen oder waren nach autologer Stammzelltransplantation rückfällig geworden. Die Behandlung erfolgte mit Axicabtagen Ciloleucel (Yescarta™, KTE-C19).
Patienten mit den Charakteristika der Kohorte 1 haben typischerweise eine schlechte Prognose, ihr medianes Überleben beträgt etwa sechs Monate, und nur etwa 8% erreichen mit unterschiedlichen Therapien eine komplette Remission.
In der letzten Analyse von ZUMA-1, die die Phasen 1 und 2 kombinierte, insgesamt 108 Patienten umfasste und die beim ASH 2017 vorgestellt wurde, lebten mehr als die Hälfte (59%) der Patienten noch ein Jahr, nachdem sie eine einzige Infusion der CAR-T-Zell-Therapie bekommen hatten. Nach 15,4 Monaten waren 42% der Patienten noch in Remission und 40% wiesen keine Krebsmerkmale mehr auf. (Abb. 1) [3]. Zeitgleich wurde die Studie im New England Journal of Medicine publiziert [2]. Als Nebenwirkung kam es zum sogenannten Zytokin-Release-Syndrom (CRS), das Fieber und erniedrigten Blutdruck als Hauptsymptome aufweist und außerdem zu neurologischen Nebenwirkungen, Neutropenien, Anämien und Thrombozytopenien führen kann. In der aktuell präsentierten Analyse gab es auch erste Hinweise darauf, warum einige Patienten einen Rückfall nach der CAR-T-Zelltherapie erlitten bzw. nicht darauf angesprochen hatten: Bei der Analyse des Tumorgewebes dieser Patienten wurde festgestellt, dass das CD-19-Protein nicht mehr auf den Krebszellen zu finden war. Mehr als zwei Drittel dieser Tumoren exprimierten jetzt ein anderes Protein: PD-L1.

Abb. 1. Die mediane Dauer der kompletten Remission ist bei den Patienten der ZUMA-Studie noch nicht erreicht. Bei 3 der 7 Patienten der Phase-I-Studie dauerte die komplette Remission noch nach zwei Jahren an (mod. nach [3]) CR: komplettes Ansprechen; KI: Konfidenzintervall; NR: nicht erreicht; PR: partielles Ansprechen
Langes Ansprechen auch auf Tisagenlecleucel
In die einarmigen Phase-II-Studie JULIET waren nur Patienten mit DLBCL eingeschlossen worden, die vorher nach zwei oder mehr Chemotherapien progredient geworden waren und keine Möglichkeit für eine autologe Stammzelltransplantation hatten [4]. An 27 Standorten in zehn Ländern bekamen sie Tisagenlecleucel (Kymriah™, CTL019), das ebenfalls gegen CD19 gerichtet und die erste zugelassene CAR-T-Zelltherapie ist. In der jetzt vorgestellten letzten Interimsanalyse dieser Studie zeigte sich, dass für 46 Patienten, die mindestens sechs Monate lang nachbeobachtet worden waren, die Gesamtansprechrate 37% betrug, wobei 30% eine komplette Remission erreicht hatten. Insgesamt wurden 81 Patienten therapiert. Waren nach drei Monaten keine Anzeichen mehr für Krebs vorhanden, blieben die Behandelten auch sechs Monaten und länger rückfallfrei (Abb. 2). Subgruppenanalysen zeigten keine Unterschiede in Abhängigkeit von den Vortherapien oder Risikofaktoren. Die meisten Nebenwirkungen traten kurz nach der Infusion auf, darunter vor allem CRS und neurotoxische Wirkungen. Todesfälle aufgrund der Therapie traten nicht auf.

Abb. 2. Die Dauerhaftigkeit des Ansprechens in der JULIET-Studie zeigt sich in der Stabilität zwischen Monat 3 und Monat 6: Ein Ansprechen nach drei Monaten war ein Indikator für einen langen Benefit dieser Therapie (mod. nach [4]) CR: komplettes Ansprechen; ORR: Gesamtansprechen; PR: partielles Ansprechen
26% der Patienten wurden sogar ambulant behandelt. Die CAR-T-Zell-Produktion hatte mit vorher entnommenem und eingefrorenem Blut stattgefunden. Ein erfolgreicher Transport war möglich und damit eine Flexibilität für Arzt und Patient, die Therapie zu einem genau passenden konkreten Zeitpunkt applizieren zu können.
Mit Anti-BCMA CAR-T-Zellen gegen stark vorbehandelte multiple Myelome (MM)
In einer Studie des nationalen Krebsinstituts (NIH) wurden stark vorbehandelte MM-Patienten mit bb2121, einer gegen BCMA gerichteten CAR-T-Zelltherapie, behandelt. BCMA ist ein Mitglied der Tumornekrosefaktor-Familie und wird fast universell auf MM-Zellen exprimiert. Die Ergebnisse der Phase-I-Studie CRB401 wurden während der ASH-Tagung [1] vorgestellt. Es handelte sich um eine Dosiseskalationsstudie, in der 21 Patienten nach der Konditionierung einmalig zwischen 50 und 1200×106 Anti-BCMA CAR-T-Zellen bekamen. Die Gesamtansprechrate betrug 86%. In der Subgruppe (n=18) mit einer Dosierung zwischen 150 und 800×106 CAR-T-Zellen wurde die Rate auf 94% gesteigert. Zehn Patienten (56%) erreichten ein komplettes Ansprechen, bei neun dieser zehn war keine Resterkrankung mehr feststellbar (MRD-negativ). Nach einem medianen Follow-up von 40 Wochen war das mediane progressionsfreie Überleben noch nicht erreicht. Nur vier Patienten, die ≥150×106 CAR-T-Zellen bekommen hatten, waren progredient geworden.
Das Nebenwirkungsprofil war bis zu der Dosis von 800×106 CAR-T-Zellen zu managen. Zwei Fälle von aufgetretenen CRS vom Grad 3 waren innerhalb von 24 Stunden überwunden worden.
Eine globale Nachfolgestudie (KARMMa) ist offen zur Rekrutierung.
Ausblick
„Wir leben in einer spannenden Zeit. Auf der Basis dieser Ergebnisse und der derzeitigen FDA-Zulassungen, besteht die begründete Hoffnung, dass Zelltherapien so wie CAR-T-Zelltherapien eines Tages der Therapiestandard hämatologischer Erkrankungen werden könnten, möglicherweise irgendwann sogar für solide Tumoren“, kommentierte der Moderator der entsprechenden Pressekonferenz Dr. Renier J. Brentjens, Onkologe und Direktor der Zelltherapie im Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York.
Literatur
1. Berdeja J, Kochenderfer JN, et al. Durable clinical responses in heavily pretreated patients with relapsed/refractory multiple myeloma: Updated results from a multicenter study of bb2121 anti-BCMA CAR T cell therapy. ASH 2017; Abstract #740.
2. Neelapu S, et al. Axicabtagene ciloleucel CAR T-cell therapy in refractory large B-cell lymphoma. N Engl J Med 2017;377:2531–44.
3. Neelapu SS, et al. Long-term follow-up ZUMA-1: A pvotal trial of axicabtagene ciloleucel (Axi-Cel; KTE-C19) in patients with refractory aggressive non-hodgkin lymphoma (NHL). ASH 2017; Abstract #578.
4. Schuster SJ, et al. Primary analysis of juliet: A global, pivotal, phase 2 trial of CTL019 in adult patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma. ASH 2017; Abstract #577.
Arzneimitteltherapie 2018; 36(03):80-109