Migräne-Prophylaxe

Fremanezumab für die Prophylaxe der chronischen Migräne


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Fremanezumab ist bei Patienten mit chronischer Migräne einer Behandlung mit Placebo für alle wesentlichen Zielparameter überlegen. Die Ergebnisse einer Phase-III-Studie wurden Ende 2017 im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Das Calcitonin gene-related peptide (CGRP) spielt eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne. Bei Patienten mit chronischer Migräne – definiert als Migräne an mehr als 15 Tagen pro Monat – wurden erhöhte Plasmaspiegel von CGRP nachgewiesen. Deshalb bietet es sich an, einen monoklonalen Antikörper gegen CGRP in der Prophylaxe der chronischen Migräne zu untersuchen.

Es handelte sich um eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie an Patienten mit chronischer Migräne (Tab. 1). Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt:

  • Initiale Dosis von 675 mg Fremanezumab subkutan und Placebo nach vier und acht Wochen
  • Initiale Dosis von 675 mg Fremanezumab und 225 mg nach vier und acht Wochen
  • Placebo

Tab. 1. Studiendesign [Silberstein et al. 2017]

Erkrankung

Chronische Migräne

Studienziel

Wirksamkeit und Sicherheit von zwei Dosierungsschemata von TEV-48125 (Fremanezumab) versus Placebo zur Prophylaxe chronischer Migräne

Studientyp/Design

Interventionell, multizentrisch, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, parallel, Phase III

Patienten

1134

Intervention

  • Initial 675 mg Fremanezumab, Placebo nach vier und acht Wochen
  • Initial 675 mg Fremanezumab, 225 mg Fremanezumab nach vier und acht Wochen
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Mittlere Änderung der Kopfschmerztage pro Monat von Baseline

Sponsor

Teva Pharmaceutical Industries

Studienregisternummer

NCT02621931 (ClinicalTrials.gov)

Der primäre Endpunkt war die mittlere Änderung der Kopfschmerztage pro Monat, wobei diese definiert wurden als Tage mit Kopfschmerzen, die mindestens vier Stunden anhielten, die eine Intensität von mindestens moderat hatten oder die mit spezifischer Migräne-Medikation wie Triptanen oder Mutterkornalkaloiden behandelt wurden. Berechnet wurde die Häufigkeit von Kopfschmerztagen pro Monat über 12 Wochen.

Es wurden insgesamt 1130 Patienten eingeschlossen. 376 erhielten Fremanezumab einmalig, 379 monatlich und 375 Placebo. Die Patienten waren im Mittel 41 Jahre alt und 88% waren Frauen. 20% nahmen eine Migräne-Prophylaxe ein. 30% hatten Erfahrung mit Topiramat und 15% mit Botulinumtoxin. Die mediane Zeit der Kopfschmerztage in der Baseline betrug 13 Tage und die Zahl der Tage mit jedweder Kopfschmerzintensität 20 Tage. 16 Migränetage wurden in der Baseline beobachtet. An 13 Tagen wurden Medikamente zur Behandlung der Kopfschmerzen eingenommen und an elf Tagen spezifische Migränemittel.

Die mittlere Reduktion der Kopfschmerztage pro Monat betrug

  • 4,3 nach der einmaligen Gabe von Fremanezumab,
  • 4,6 mit der monatlichen Gabe und
  • 2,5 mit Placebo.

Dieser Unterschied zu Placebo war statistisch signifikant (jeweils p<0,001). Die 50%-Responder-Rate betrug 38% und 41% für Fremanezumab und 18% für Placebo. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren ähnlich häufig. Bei fünf Patienten kam es unter Fremanezumab und bei drei Patienten in der Placebo-Gruppe zu einem Anstieg der Leberenzyme.

Kommentar

Fremanezumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen CGRP. In der vorliegenden großen Studie hat er eindeutig seine Wirksamkeit im Vergleich zu Placebo bei einer sehr schwierig zu behandelnden Patientengruppe, nämlich Patienten mit chronischer Migräne, belegt. Wesentlichster Vorteil gegenüber der üblichen Prophylaxe mit Topiramat oder Onabotulinumtoxin A ist die geringe Rate an Nebenwirkungen und die extrem niedrige Zahl von Patienten, die wegen Nebenwirkungen die Therapie abbrachen. Bei einigen wenigen Patienten kam es zu einem Anstieg der Leberenzyme, ein Phänomen, das in großen Patientenregistern nach der Zulassung sorgfältig beobachtet werden muss. Fremanezumab ist zur Zulassung für die Prophylaxe der episodischen und der chronischen Migräne in Europa eingereicht. Es wird wie die anderen CGRP-Antikörper eine deutliche Bereicherung in der Prophylaxe der Migräne darstellen für Patienten, bei denen die bisherige Migräne-Prophylaxe nicht wirksam war, nicht toleriert wurde oder wegen Kontraindikationen nicht eingesetzt werden konnte.

Quelle

Silberstein SD, et al. Fremanezumab for the preventive treatment of chronic migraine. N Engl J Med 2017;377:2113–22.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(03):80-109