Gestationsdiabetes

Insulin oder orale Antidiabetika?


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Lässt sich bei einem Schwangerschaftsdiabetes mit Diät- und Lebensstil-Interventionen keine gute Blutzuckereinstellung erreichen, ist eine antidiabetische pharmakologische Therapie angezeigt. Wie der derzeitige Wissenstand in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit von Insulin im Vergleich zu anderen antidiabetischen Therapien aussieht, haben Autoren aus Neuseeland in einem Cochrane-Review zusammengetragen.

Entwickelt eine werdende Mutter während ihrer Schwangerschaft einen Diabetes mellitus, können sich kurz- und langfristige Komplikationen ergeben – sowohl für die Mutter als auch für das Kind. Der erste Schritt ist in der Regel zunächst eine Diät- und Lebensstilberatung für die betroffenen Frauen. Werdende Mütter, deren Blutzucker sich damit nicht einstellen lässt, können mit Insulin behandelt werden. Doch nicht jede Frau möchte sich täglich Insulin spritzen. Aber sind andere Behandlungsmöglichkeiten genauso sicher und wirksam wie Insulin?

Dieser Frage gingen Autoren eines Cochrane-Reviews nach. Sie durchsuchten dafür das Studienregister für Schwangerschaft und Geburt (Cochrane Pregnancy and Childbirth's Trials Register [2]), ClinicalTrials.gov, die internationale Plattform für die Registrierung klinischer Studien der WHO (ICTRP) sowie die Literaturverzeichnisse der einzelnen Publikationen. In die Auswertung schlossen sie randomisierte kontrollierte Studien ein, in denen Insulin zur Behandlung von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes verglichen wurde mit oralen Antidiabetika (z.B. Metformin, Glibenclamid), nicht-pharmakologischen Interventionen, Insulinanaloga oder verschiedenen Insulinregimen. Ausgeschlossen wurden quasi-randomisierte Studien, Cross-over-Studien und Studien, die auch Frauen mit vorbestehendem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes mellitus eingeschlossen hatten.

Es wurden 53 relevante Studien mit insgesamt 103 Publikationen gefunden, die Daten von 7381 Frauen umfassten (Tab. 1). 46 der Studien hatten Daten von Säuglingen einbezogen. Die Qualität der Evidenz reichte von moderat bis sehr niedrig. Hauptgründe für eine Herabstufung der Evidenz waren Ungenauigkeit, Verzerrungspotenzial und Inkonsistenz. Die Studien wurden in einer Vielzahl von Ländern durchgeführt – darunter Länder mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen.

Den Hauptvergleich in der Übersicht bildete Insulin versus orale Therapien.

Tab. 1. Studiendesign [Brown J, et al. 2017]

Erkrankung

Gestationsdiabetes

Studienziel

Wirksamkeit und Sicherheit von Insulin versus andere antidiabetische Therapien

Studientyp

Cochrane-Review

Eingeschlossene Studien

53 Studien (103 Publikationen, 7381 Frauen),
davon 46 Studien mit Säuglingsdaten (6435 Säglinge),

40 der 53 Studien waren nicht verblindet

Interventionen

Insulin i.v. versus

  • Orale antidiabetische pharmakologische Therapie
  • Nicht-pharmakologische Intervention
  • Insulinanaloga
  • Verschiedene Insulinregime

Einfluss auf die Mutter

Die Gabe von Insulin im Vergleich zu einer oralen antidiabetischen pharmakologischen Therapie (Glibenclamid, Metformin) war mit einem erhöhten Risiko für hypertensive Schwangerschaftsstörungen (Bluthochdruck) assoziiert (Tab. 2).

Tab. 2. Insulin versus orale Antidiabetika: Eingeschlossene Studien und Ergebnisse [Brown J, et al. 2017]

Outcome
Insulin versus orale Antidiabetika

Studien
[Anzahl]

Frauen/Säuglinge
[Anzahl]

Qualität der Studien

Einfluss auf die Mutter

Hypertensive Schwangerschaftsstörungen

RR 1,89; 95%-KI 1,14 bis 3,12

4

1214

Mittel

Präeklampsie

RR 1,14; 95%-KI 0,86 bis 1,52

10

2060

Mittel

Geburt durch Kaiserschnitt

RR 1,03; 95%-KI 0,93 bis 1,14

17

1988

Mäßig

Typ-2-Diabetes (nur vs. Metformin)

RR 1,39; 95%-KI 0,80 bis 2,44

2

754

Mäßig

Geburtseinleitung

RR 1,30; 95%-KI 0,96 bis 1,75

3

348

Mäßig

Postnatale Gewichtsretention:

6–8 Wochen nach Geburt

MD –1,60 kg; 95%-KI –6,34 bis 3,14

1

167

Minderwertig

1 Jahr nach Geburt

MD –3,70; 95%-KI –8,50 bis 1,10

1

176

Minderwertig

Einfluss auf den Säugling

Hohes Geburtsgewicht

RR 1,01; 95%-KI 0,76 bis 1,35

13

2352

Mittel

Perinatale Sterblichkeit

RR 0,85; 95%-KI 0,29 bis 2,49

10

1463

Minderwertig

Tod oder schwere Morbidität

RR 1,03; 95%-KI 0,84 bis 1,26

2

760

Mittel

Neonatale Hypoglykämie

RR 1,14; 95%-KI 0,85 bis 1,52

24

3892

Minderwertig

Neonatale Adipositas bei der Geburt
[% Fettmasse]

MD –1,6%; 95%-KI –3,77 bis 0,57

1

82

Mittel

Neonatale Adipositas bei der Geburt (Hautfalzsumme [mm])

MD –0,8 mm; 95%-KI –2,33 bis 0,73

1

82

Sehr schlecht

Adipositas in der Kindheit [Gesamtprozentanteil an Fettmasse]

MD 0,5%; 95%-KI –0,49 bis 1,49

1

318

Minderwertig

Neurosensorische Behinderungen in der späteren Kindheit (18 Monate):

Schwerhörigkeit

RR 0,31; 95%-KI 0,01 bis 7,49

1

93

Schlecht

Sehbehinderung

RR 0,31; 95%-KI 0,03 bis 2,90

1

93

Schlecht

Leichte Entwicklungsverzögerung

RR 1,07; 95%-KI 0,33 bis 3,44

1

93

Schlecht

KI: Konfidenzintervall; MD: mittlere Differenz; RR: relatives Risiko

Keine Unterschiede zwischen den Gruppen fanden sich für die Entwicklung einer Präeklampsie oder eines Typ-2-Diabetes mellitus, für eine Geburt mittels Kaiserschnitt oder für das postnatale Gewicht. Das Risiko für eine Geburtseinleitung war unter Insulin leicht erhöht im Vergleich zur oralen Therapie (Metformin). Die Stärke der Evidenz war jedoch nicht eindeutig. Ein Einfluss auf ein perineales Trauma oder postnatale Depression wurden in den eingeschlossenen Studien nicht detektiert.

Einfluss auf den Säugling

Säuglinge, deren Mutter mit Insulin behandelt wurde, hatten kein höheres Geburtsgewicht in Bezug auf ihr Gestationsalter im Vergleich zu denen, deren Mutter mit oralen Antidiabetika (Metformin) behandelt wurde (Tab. 2). Über spätere Kindersterblichkeit und Diabetes mellitus im Kindesalter wurde in den eingeschlossenen Studien nicht berichtet.

Keine ausreichende Evidenz für weitere Vergleiche

Die Autoren untersuchten auch Studien, in denen normales Humaninsulin mit anderen Insulinanaloga, Diät, körperlichem Training und weitere Insulinregime verglichen wurden. Hier war die Evidenz jedoch unzureichend, um Unterschiede bestimmen zu können.

Fazit

Die Frage, ob Insulin oder orale Antidiabetika für werdende Mütter mit Schwangerschaftsdiabetes besser sind, kann nicht abschließend beantwortet werden. Die einzelnen Behandlungen unterschieden sich in Bezug auf die wichtigsten gesundheitlichen Ergebnisse kaum voneinander. Vor allem für langfristige Effekte gab es kaum eine studienbasierte Evidenz.

Laut den Fachinformationen [1] wird Metformin aufgrund einer unzureichenden Datenlage zwar nicht für Schwangere und Stillende empfohlen, es sind bislang aber keine schädlichen Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes bekannt.

Quelle

Brown J, et al. Insulin for the treatment of women with gestational diabetes. Cochrane Database Syst Rev. 2017;11:CD012037.

Literatur

1. Fachinformation Metformin AbZ (Stand 01/2017); Metformin-CT (Stand 01/2017); Metformin Heumann (Stand 02/2017); Metformin-ratiopharm® (Stand 12/2016).

2. Pregnancy and Childbirth Group’s Trials Register. http://pregnancy.cochrane.org/pregnancy-and-childbirth-groups-trials-register

Arzneimitteltherapie 2018; 36(03):80-109