Vaskuläre Ereignisse

Risiko intrakranieller Blutungen unter niedrig dosierter ASS-Therapie


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Die Einnahme einer niedrigen Dosis von Acetylsalicylsäure (ASS) zur primären oder sekundären Prävention vaskulärer Ereignisse führt im klinischen Alltag nicht zu einem erhöhten Risiko intrakranieller Blutungen.

Niedrig dosierte ASS ist die weltweit am häufigsten benutzte Substanz in der Sekundärprävention vaskulärer Ereignisse und bei Hochrisikopatienten auch in der Primärprävention. Die bisherigen Daten zur Frage, ob niedrig dosierte ASS das Risiko intrakranieller Blutungen erhöht, sind widersprüchlich. Randomisierte Studien zeigten eher ein erhöhtes Risiko und Kohortenstudien kein erhöhtes Risiko.

Die Autoren der vorliegenden Studie (Tab. 1) benutzten die Datenbasis der praktischen Ärzte in Großbritannien. Sie verglichen 199079 Patienten, die mit 75 bis 300 mg ASS pro Tag behandelt wurden und im Alter zwischen 40 und 84 Jahren waren, mit einer gematchten Kohorte von Menschen, die keine ASS einnahmen. Die maximale Beobachtungszeit betrug 14 Jahre und das mediane Follow-up 5,4 Jahre. Das relative Risiko wurde berechnet für die Einnahme von ASS an den Tagen 0 bis 7 vor dem Eintritt der intrazerebralen Blutung.

In der Datenbank fanden sich 1611 intrakranielle Blutungen, darunter 743 intrazerebrale Blutungen, 483 Subduralhämatome und 385 Subarachnoidalblutungen. Das relative Risiko bei Einnahme von ASS betrug

  • 0,98 für alle intrakraniellen Blutungen,
  • 0,98 für intrazerebrale Blutungen,
  • 1,23 für Subduralhämatome und
  • 0,77 für Subarachnoidalblutungen.

Es ergab sich kein Zusammenhang zwischen der Dauer der Einnahme von ASS, der Dosis und dem Risiko.

Tab. 1. Studiendesign [Sorriano et al. 2017]

Indikationsgebiet

Sekundärprävention vaskulärer Ereignisse/intrakranielle Blutungen

Studienziel

Risiko intrakranieller Blutungen unter niedrig dosierter Acetylsalicylsäure(ASS)-Therapie

Studientyp

Kohortenstudie

Vergleich

199079 Patienten, die mit 75–300 mg ASS pro Tag behandelt wurden, gematcht 1:1 mit Kontrollpopulation ohne ASS-Einnahme

Kommentar

Die Studie aus Großbritannien mit fast 200000 Patienten und 200000 Kontrollen zeigt beruhigender Weise, dass die Einnahme von niedrig dosierter ASS weder das Risiko intrazerebraler Blutungen noch das Risiko von Subduralhämatomen oder Subarachnoidalblutungen signifikant erhöht. Für Subarachnoidalblutungen fand sich sogar ein starker Trend für eine protektive Wirkung. Die Studie soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die niedrige Dosis von ASS insbesondere bei Personen im Alter über 75 Jahren signifikant das Risiko oberer gastrointestinaler Blutungen und dadurch bedingte Todesfälle erhöht.

Quelle

Soriano LC, et al. Low-dose aspirin and risk of intracranial bleeds. An observational study in UK general practice. Neurology 2017;89:2280–7.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(03):80-109