Chronische lymphatische Leukämie nach Rückfall oder Resistenz

Verbesserte Resultate durch Kombination zielgerichteter Therapien


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

In einer Phase-III-Studie konnte das progressionsfreie Überleben für Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) durch die Kombination aus Venetoclax und Rituximab im Vergleich zur Standard-Immunchemotherapie mit Bendamustin und Rituximab mehr als verdoppelt werden. Eine weitere Kombination zielgerichteter Therapien, nämlich aus Ibrutinib und Venetoclax, führte bei Patienten mit R/R CLL (relapsed/refractory CLL) zu hohen Ansprechraten, kompletten Remissionen und MRD-Eradikation. Die Ergebnisse dieser beiden Studien wurden während der 59. Jahrestagung der amerikanischen Hämatologen (ASH) im Dezember 2017 in Atlanta vorgestellt und diskutiert.

Leukämiezellen überleben teilweise ungewöhnlich lang durch die Produktion von Proteinen, die mit dem normalen Prozess des Zelltods interagieren. Ein solches Protein ist BCL-2 (B-cell lymphoma 2), welches bei der Regulation der Apoptose eine Rolle spielt. Venetoclax (Venclyxto®) ist der erste Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der selektiven Hemmer dieses BCL-2-Proteins. Durch Bindung und Blockade an das Protein wird der Zelltod von Leukämiezellen beschleunigt. Im Gegensatz dazu interagiert das Zytostatikum Bendamustin mit der DNA von Krebszellen.

Der monoklonale Anti-CD20-Antikörper Rituximab wiederum unterstützt das Immunsystem, Leukämiezellen zu erkennen und zu attackieren.

Ibrutinib (Imbruvica®) ist der erste Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der Inhibitoren der Bruton’s Tyrosinkinase (BTK) und ist besonders gut wirksam bei CLL-Patienten mit del17p-Mutationen, was einer schlechten Prognose entspricht, oder solchen mit TP53-Mutationen.

Venetoclax plus Rituximab besser als die bisherige Standard-Immunchemotherapie

Die Phase-III-Studie Murano (Tab. 1) [2] schloss 389 CLL-Patienten ein, die nach einer Behandlung rückfällig geworden waren oder die gegen eine Behandlung resistent waren (relapsed/refractory CLL: R/R CLL). Sie wurden randomisiert und erhielten dann entweder

  • sechs Zyklen von monatlichem Rituximab plus Venetoclax täglich (VR) oder
  • sechs Zyklen Bendamustin plus Rituximab (BR).

Tab. 1. Studiendesign Murano [2]

Erkrankung

relapsed/refractory CLL

Studienziel

Wirksamkeit von Venetoclax in der Therapie

Studientyp/Design

Randomisiert, Phase III, Open Label

Patienten

389

Intervention

  • Venetoclax plus Rituximab
  • Bendamustin plus Rituximab

Primärer Endpunkt

Progressionsfreies Überleben

Sponsor

Hoffmann-La Roche, AbbVie

Studienregisternummer

NCT02005471
(ClinicalTrials.gov)

CLL: chronische lymphatische Leukämie

Die Patienten im Venetoclax-Arm bekamen danach weiter für zwei Jahre lang oder bis zur Progression Venetoclax täglich. Nach einer geplanten Interimsanalyse wurde die Studie vorzeitig entblindet, da der Vorteil für VR so groß war. Die Mehrzahl der Patienten (84,9%) im VR-Arm überlebten zwei Jahre oder länger ohne irgendeinen Hinweis auf eine Krankheitsprogression im Vergleich zu 36,3% derer im BR-Arm (Abb. 1). Venetoclax übertraf Bendamustin auch in Bezug auf die sekundären Endpunkte der Studie, wie Gesamtüberleben (Hazard-Ratio [HR] 0,48; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,25–0,90) und Erreichen einer MRD-Clearance (MRD: minimal residual disease) (83,5% vs. 23,1%). Die positiven Effekte waren konsistent in allen Subgruppen, unabhängig vom del(17p)-Status. Zwar kam es unter der Venetoclax-Therapie häufiger zu Neutropenien der Grade 3/4 (58% vs. 39%), aber das führte nicht zu mehr schweren Infektionen oder Todesfällen.

Abb. 1. Das mediane progressionsfreie Überleben war in der Murano-Studie für die Patienten im VR-Arm signifikant länger als für die im BR-Arm. HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall; NR: nicht erreicht; PFS: progressionsfreies Überleben

Stellenwert der Murano-Studie

Als Monotherapie ist Venetoclax in den Vereinigten Staaten und einigen anderen Ländern für Subgruppen von Patienten mit bestimmten genetischen Veränderungen bereits zugelassen. In die jetzt präsentierte Studie, in der mit der Kombination therapiert wurde, waren CLL-Patienten nach ein bis drei Vortherapien unabhängig von deren genetischen Veränderungen eingeschlossen worden. Diese gingen zwar als Stratifizierungsfaktoren in die Auswertung ein, waren aber keine Ein- bzw. Ausschlusskriterien. Somit fasste der Studienautor Dr. John Seymour, Melbourne, zusammen, dass Venetoclax in Kombination mit Rituximab demnächst einer viel umfassenderen Patientenklientel zunutze kommen solle als bislang. Die Ergebnisse dieser Studie würden zweifellos die Praxisstandards der CLL verändern und nahe legen, dass Venetoclax die Chemotherapie in der Behandlung der R/R CLL ersetzen solle, kommentierte Dr. Laurie H. Sehn, Vancouver, in Atlanta während der Late-Breaking Abstract Session.

Kombination von Ibrutinib und Venetoclax auch mit vielversprechenden Resultaten

In der Bloodwise-TAP-CLARITY-Studie [1] wurde ebenfalls bei vorbehandelten Patienten mit R/R CLL die Kombination zweier zielgerichteter Therapien, nämlich Ibrutinib und Venetoclax getestet. Diese beiden Medikamente sind bislang beide als Monotherapie bei der CLL zugelassen.

Die Phase-III-Studie CLARITY hatte insgesamt 50 Patienten mit R/R CLL eingeschlossen. Nach acht Wochen Therapie nur mit Ibrutinib wurde Venetoclax zunächst in geringer Dosis zugefügt, die dann aber in den kommenden Wochen gesteigert wurde. Vor Beginn der Venetoclax-Therapie bekamen die Patienten auch Arzneimittel zur Vermeidung eines Tumorlysesyndroms (TLS).

Von den 38 Patienten, die sechs Monate lang auf diese Art und Weise behandelt worden waren, hatten alle auf die Therapie angesprochen und 32% von ihnen hatten das tiefste Ansprechen erreicht, nämlich keine messbare Erkrankung mehr in ihrem Knochenmark (MRD-Eradikation, d.h. <0,01% CLL-Zellen im Knochenmark).

Stellenwert der CLARITY-Studie

Diese ersten Resultate der Kombinationstherapie wurden von den Studienautoren als sehr hoffnungsvoll bewertet für Patienten mit nur noch wenigen Therapieoptionen.

Die Kombination wurde gut vertragen mit nur einem Fall eines TLS. Die Nebenwirkungen beschränkten sich überwiegend auf den Gastrointestinaltrakt und Neutropenie und waren von geringer Ausprägung. Somit, so Studienautor Dr. Peter Hillmen, Leeds, UK, sei es möglich, zwei zielgerichtete Arzneimittel in Kombination zu geben und deren synergistische Wirkung zu nutzen, ohne zusätzlich Toxizität zu erzeugen. Leider hatte die CLARITY-Studie keine Kontrollgruppe. Deshalb wird Hillmen eine dreiarmige Nachfolgestudie leiten, in der die Kombination Ibrutinib+Venetoclax verglichen werden soll mit Ibrutinib-Monotherapie und einem Kombinationsregime aus drei Chemotherapien bei Patienten mit zuvor unbehandelter CLL.

Literatur

1. Hillmen P, et al. CLL: Therapy, excluding Transplantation: Targeting MRD Negative CLL Through Combinations of Novel Agents and Antibody. ASH 2017; Session: 642.

2. Seymour JF, et al: LBA-2 venetoclax plus rituximab is superior to bendamustine plus rituximab in patients with relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia – Results from pre-planned interim analysis of the randomized phase 3 murano study. ASH 2017; Abstract #LBA-2.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(03):80-109