Herpes zoster

Neuer Totimpfstoff mit Wirksamkeit über alle Altersgruppen zugelassen


Ralf Schlenger, München

Herpes zoster (HZ) wird durch die Reaktivierung des Varicella-Zoster-Virus (VZV) verursacht, mit dem mehr als 99% der über 50-Jährigen latent infiziert sind. Mit Abnahme der Immunabwehrkräfte mit dem Alter steigt das Risiko für eine oft schmerzhafte Gürtelrose deutlich an. Ein rekombinanter, adjuvantierter Totimpfstoff (Shingrix®) konnte in den Zulassungsstudien eine HZ-Erkrankung in den untersuchten Altergruppen wirksam verhindern. Als Kehrseite der hohen Wirksamkeit ist unter anderem mit stärkeren Lokalreaktionen zu rechnen.

Die altersbedingte Schwächung des Immunsystems (Immunseneszenz) zu überwinden, war Hauptziel der Entwicklung des rekombinanten Totimpfstoffs. Er setzt auf das Adjuvanssystem AS01B, das Saponine (aus Quillaja saponaria molina) sowie das 3-O-Desacyl-4’-monophosphoryl-Lipid A (MPL, aus Salmonella minnesota) enthält, jeweils 50 µg eingekapselt in Liposomen. Das Antigen der Vakzine ist das VZV-1-Glykoprotein-E-Antigen (gE-Antigen, 50 µg) [2]. Der Boostereffekt von AS01B auf die gE-spezifische zelluläre und humorale Immunantwort erwies sich als höher als bei anderen getesteten Systemen (unadjuvantiert, mit Aluminium, mit ASO1 in anderen Konzentrationen). In Shingrix® liegen die Antigenkomponente (als Pulver) und das Adjuvans (als Suspension) getrennt vor. Nach Rekonstitution wird der Impfstoff intramuskulär injiziert, zur Grundimmunisierung zweimal im Abstand von zwei Monaten. Shingrix® wurde im Frühjahr 2018 in Europa zur Vorbeugung von Herpes zoster (HZ) und postzosterischer Neuralgie (PZN) bei Erwachsenen im Alter von 50 Jahren und älter zugelassen [3]. Der Totimpfstoff kann nach sorgfältiger Nutzen/Risiko-Abwägung auch immunsupprimierten Personen verabreicht werden [2].

Wirksamer Schutz bei neun von zehn Probanden

Die im New England Journal of Medicine publizierten Zulassungsstudien ZOE-50 [4] und ZOE-70 [1] waren randomisiert, Beobachter-verblindet und Placebo-kontrolliert angelegt. Ausgeschlossen waren in den Studien Menschen mit Zoster-Erkrankung in der Vorgeschichte, gegen Windpocken oder Zoster geimpfte Personen sowie solche mit einer Immunschwäche, sei es aufgrund einer Erkrankung oder wegen immunsuppressiver Therapie.

Primärer Endpunkt in ZOE-50 war die Wirksamkeit des Impfstoffs zur Senkung des Risikos einer Zoster-Erkrankung bei Personen ab 50 Jahren im Vergleich zur Placebo-Injektion. Die gesamte randomisierte Kohorte umfasste 15411 Probanden im Durchschnittsalter von 62 Jahren, zu 61% Frauen. Zur Auswertung kamen 95,8% der Gesamtkohorte, die das Studienprotokoll erfüllt hatten („modifizierte Kohorte“), aber auch durch Ausschluss von Probanden, die im Monat nach der zweiten Impfung einen Herpes zoster entwickelten (vier in der Verum-Gruppe, 14 in der Placebo-Gruppe).

Im Laufe von durchschnittlich 3,2 Jahren traten 216 bestätigte Zoster-Erkrankungen auf: sechs Fälle in der Impfgruppe und 210 in der Placebo-Gruppe. Aus der Inzidenz von 0,3 (Verum) vs. 9,1 (Placebo) Erkrankungen pro 1000 Personenjahre errechnet sich eine Gesamtwirksamkeit der zwei Impfdosen von 97,2% (95%-Konfidenzintervall [KI] 93,7–99,0; p<0.001). Es gab keine signifikanten Wirksamkeitsunterschiede in den Altersgruppen 50 bis 59 Jahre (Wirksamkeit 96,6%), 60 bis 69 Jahre (97,4%), 70 Jahre und älter (97,9%).

Lokale oder systemische Nebenwirkungen in der ersten Woche berichteten 84,4% der Personen in der Impfgruppe (37,8% unter Placebo), davon 17% schwererer Natur (3,2% unter Placebo). Letztere bestanden überwiegend in Schmerz an der Impfstelle (79,1% vs. 11,2%), aber auch in Myalgien (46,3% vs. 12,1%). Die Adhärenz für die zweite Impfung blieb dennoch ähnlich der Placebo-Injektion (95,6 vs. 96,4%).

ZOE-70 folgte dem gleichen Studienprotokoll an denselben Zentren, fokussierte aber speziell auf die Gruppe der besonders Zoster-gefährdeten Menschen über 70 Jahre. In der modifizierten Kohorte von 13900 Teilnehmern traten während der Beobachtungszeit von durchschnittlich 3,7 Jahren 23 Zoster-Fälle in der Impfgruppe und 223 im Placebo-Arm auf (Inzidenzrate 0,9 vs. 9,2 per 1000 Personenjahre), entsprechend einer Wirksamkeit von 89,8%. Die Wirksamkeit war nicht signifikant unterschiedlich bei Personen in der achten (90,0%) und der neunten Lebensdekade (89,1%).

Gepoolte Analyse: Hoher Schutz auch vor Neuralgien

Altersabhängig tritt bei 5 bis 30% aller Herpes-zoster-Patienten nach dem Abklingen des Ausschlags eine Post-Zoster-Neuralgie (PZN) auf. Die oft qualvollen Schmerzen stellen die häufigste Zoster-Komplikation dar und sind nur schwer behandelbar. Alle Patienten aus den Studien ZOE-50 und ZOE-70 mit (Verdacht auf) Herpes zoster wurden auf das Auftreten einer postherpetischen Neuralgie hin beobachtet. PZN war definiert als ein „schlimmster Schmerz“ größer drei auf einer Skala von null bis zehn, der sich mehr als 90 Tage nach einem Zoster-Ausschlag entwickelte oder persistierte. Dies war der Fall bei 4 von 32 Zoster-Erkrankungen in der Impfkohorte vs. 46 von 477 im Placebo-Arm. Aus der Inzidenz berechnete sich eine Schutzwirkung der Impfung gegen PZN von 91,2% bei Personen über 50 Jahre.

Wie lange hält der Schutz?

Aus der gepoolten Analyse der beiden Zulassungsstudien ist eine Gesamtwirksamkeit von 91,3% in der Verhinderung einer Zoster-Erkrankung bei Personen über 70 Jahre bekannt; diese nahm während der Beobachtungszeit von vier Jahren nur leicht und nicht signifikant auf 87,9% ab. Ein immunologisches Korrelat für den Schutz gegen HZ ist nicht etabliert. Man vermutet aber, dass CD4+- und CD8+-T-Zellen eine zentrale Rolle beim Verhindern der Reaktivierung von HZ-Viren spielen. Shingrix® rief einen Monat nach der zweiten Dosis im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Impfung deutlich höhere gE-spezifische humorale (CD4+-Zellen) und zellvermittelte (Anti-gE-Antikörper) Immunantworten hervor. Diese sanken während etwa vier Jahren auf ein Plateau, das noch immer über dem Ausgangslevel vor der Impfung lag und persistierte, wie eine unverblindete Nachverfolgungsstudie mit Studienteilnehmern im Alter von über 60 Jahren für einen Zeitraum von bis zu neun Jahren zeigte [5]. Die Wirksamkeit wird weiterhin in klinischen Studien erfasst.

Quelle

Launch-Pressekonferenz „Der neue Impfstoff gegen Herpes Zoster – Ein Highlight der GSK-Impfstoff-Forschung“, München, 11. April 2018, veranstaltet von GlaxoSmithKline.

Literatur

1. Cunningham AL, et al. Efficacy of the herpes zoster subunit vaccine in adults 70 years of age or older. N Engl J Med 2016;375:1019–32.

2. Fachinformation Shingrix, Stand März 2018.

3. http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/h1272.htm#top (Zugriff am 11.05.2018).

4. Lal H, et al. Efficacy of an adjuvanted herpes zoster subunit vaccine in older adults. N Engl J Med 2015;372:2087–96.

5. Schwarz TF, et al. Persistence of immune response to an adjuvanted varicella-zoster virus subunit vaccine for up to year nine in older adults. Hum Vacc Immunother 2018; DOI: 10.1080/21645515.2018.1442162.

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Arzneimitteltherapie 2018; 36(07):278-283