Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Eine systemische Thrombolyse mit Alteplase ist seit vielen Jahren die Standardtherapie des akuten ischämischen Insults im Zeitfenster bis zu 4,5 Stunden nach Symptombeginn. Alteplase wird initial als Bolus und dann als Infusion über eine Stunde verabreicht. Tenecteplase hat eine längere Halbwertszeit und kann als Bolus gegeben werden. Tenecteplase ist für die Behandlung des akuten Koronarsyndroms zugelassen, für Patienten, bei denen keine perkutane Koronarintervention (PCI) möglich ist. In einer direkten Vergleichsstudie aus Norwegen ergab sich bei Patienten mit ischämischem Insult kein therapeutischer Vorteil von Tenecteplase gegenüber Alteplase. In der EXTEND-IA-TNK-Studie (Tab. 1) sollten allerdings die beiden Thrombolytika bei Patienten untersucht werden, die anschließend thrombektomiert wurden.
Tab. 1. Studiendesign [nach Campbell et al.]
Erkrankung |
Akuter ischämischer Insult |
Studienziel |
Wirksamkeit von Alteplase vs. Tenecteplase |
Studientyp/ Studiendesign |
Interventionsstudie, randomisiert, parallel, offen, Phase II |
Eingeschlossene Patienten |
202 Patienten |
Intervention |
|
Primäre Endpunkte |
Reperfusion des verschlossenen Gefäßes von über 50% des Areals, Thrombolyse des Thrombus |
Sponsor |
Firmenunabhängig |
Studienregisternummer |
NCT02388061 |
Es handelte sich um eine randomisierte Studie bei Patienten mit ischämischen Insult und Verschluss der distalen Arteria carotis interna, der Arteria cerebri media oder der Arteria basilaris, die für eine Thrombektomie infrage kamen. Die Patienten erhielten entweder Tenecteplase in einer Dosis von 0,25 mg/kg Körpergewicht (KG) und einer Maximaldosis von 25 mg oder Alteplase mit 0,9 mg/kg KG und einer Maximaldosis von 90 mg. Die Behandlung musste innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn erfolgen. Der primäre Endpunkt der Studie war eine Reperfusion des verschlossenen Gefäßes von über 50% Areal oder eine Thrombolyse des Thrombus zum Zeitpunkt der initialen Angiographie. Sekundärer Endpunkt war der funktionelle Outcome gemessen mit der modifizierten Rankinskala nach 90 Tagen. Sicherheitsendpunkte waren Tod und symptomatische intrazerebrale Blutungen.
Ergebnisse
In die Studie wurden pro Therapiegruppe 101 Patienten eingeschlossen. Das mittlere Alter betrug 71 Jahre. 54% der Patienten waren männlich und der mediane Score auf der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) betrug 17. Bei der Hälfte der Patienten bestand ein kardioembolischer Schlaganfall. Im Mittel vergingen 130 Minuten vom Beginn der klinischen Symptomatik bis zur Einleitung der intravenösen Thrombolyse. Die meisten Patienten hatten einen Verschluss der Arteria cerebri media.
Den primären Endpunkt erreichten 22% der Patienten, die mit Tenecteplase behandelt wurden verglichen mit 10% bei der Behandlung mit Alteplase. Dies spricht mit einem Inzidenz-Verhältnis von 2,2 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,1–4,4; p=0,03) für die Überlegenheit von Tenecteplase. Ebenfalls verbesserte Tenecteplase gegen Alteplase den funktionellen Outcome nach 90 Tagen mit einem Wert auf der modifizierten Rankinskala von 2 versus 3 (Odds-Ratio 1,7; 95%-KI 1,0–2,8; p=0,04). Symptomatische intrazerebrale Blutungen traten bei je einem Patienten in beiden Therapiegruppen auf.
Kommentar
Diese sehr gut durchgeführte Studie zeigt zum ersten Mal eine Überlegenheit von Tenecteplase gegenüber Alteplase bei Patienten, die anschließend thrombektomiert werden. Dies bezog sich sowohl auf eine Verdopplung der Rekanalisierungsrate vor geplanter Thrombektomie als auch auf den funktionellen Outcome. Tenecteplase ist allerdings in der hier angewandten Dosis in Deutschland nicht erhältlich und auch nicht zur Behandlung von ischämischen Insulten zugelassen. Ob sich das nach den Ergebnissen der EXTEND-IA-TNK-Studie langfristig ändern wird, kann im Moment noch nicht abgesehen werden.
Quelle
Campbell BCV, et al. Tenecteplase versus alteplase before thrombectomy for ischemic stroke. N Engl J Med 2018;378:1573–82.
Arzneimitteltherapie 2018; 36(07):256-271