Schmerztherapie

Vergleich von Opioiden und Nicht-Opioiden bei Patienten mit chronischen Schmerzen


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In der Schmerztherapie von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen oder Schmerzen durch eine Arthrose der Hüft- und Kniegelenke sind in der Langzeittherapie Opioide nicht wirksamer als Nicht-Opioide. Das ergaben die Ergebnisse der SPACE-Studie.

Viele Patienten mit chronischen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule oder der großen Gelenke benötigen eine langfristige Schmerztherapie. Gelenk- und Rückenschmerzen werden traditionell mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt. In den letzten Jahren werden aber auch bei chronischen Nicht-Tumorschmerzen vermehrt Opioide eingesetzt. Dies hat in den Vereinigten Staaten zu erheblichen Problemen mit Abhängigkeit und Überdosierung mit Todesfolge geführt. Daher war es notwendig, eine Vergleichsstudie zwischen Opioiden und Nicht-Opioiden durchzuführen. Die in der Studie zu überprüfende Hypothese war, dass Opioide besser wirksam seien.

Studiendesign

Es handelte sich um eine pragmatisch designte, randomisierte Studie, die sich über 12 Monate erstreckte. Die Patienten wurden in den Vereinigten Staaten in Militärkrankenhäusern rekrutiert. Einschlusskriterien waren mittelschwere oder schwere chronische Rückenschmerzen oder Schmerzen im Rahmen einer Arthrose der Hüft- oder Kniegelenke. Insgesamt nahmen 240 Patienten an der Studie teil. In der Therapiegruppe mit Opioiden begannen die Patienten mit nichtretardierten Opioiden (Morphin oder Oxycodon). Wenn diese nicht ausreichend wirksam waren, konnte auf retardierte Opioide umgestellt werden. Auf der letzten Therapiestufe wurde transdermales Fentanyl eingesetzt. Die maximale Tagesdosis betrug 100 Morphinäquivalente. In der Nicht-Opioid-Gruppe erhielten die Patienten initial Paracetamol oder nichtsteroidale Antirheumatika. Wenn diese Therapie nicht wirksam war, wurden zusätzlich Nortriptylin, Amitriptylin oder Gabapentin gegeben. Sprachen die Patienten auf die Behandlung ebenfalls nicht an, konnten Pregabalin, Duloxetin oder Tramadol gegeben werden (Tab.1). Je 120 Patienten wurden in die beiden Therapiegruppen randomisiert.

Tab. 1. Studiendesign von SPACE (Strategies for prescribing analgesics comparative effectiveness) [nach Krebs EE et al.]

Erkrankung

Chronische Rückenschmerzen, arthrosebedingte Knie- und Hüftgelenksschmerzen

Studienziel

Vergleich der Wirksamkeit einer intensivierten Opioid-Therapie mit einer Opioid-vermeidenden Behandlung

Studientyp

Interventionsstudie

Studiendesign

Randomisiert, einfach verblindet, parallel

Eingeschlossene Patienten

265 eingeschlossen, 240 randomisiert

Intervention

  • Opioid-Therapie
  • Nicht-Opioid-Therapie

Primäre Endpunkte

Schmerzbedingte funktionelle Einschränkungen (beurteilt mittels Fragebogen)

Sekundäre Endpunkte

Schmerzintensität, physische und mentale Gesundheit, depressive Symptome, Angstsymptome (beurteilt mittels Fragebogen)

Sponsor

VA (Veterans Affairs) Office of Research and Development

Studienregisternummer

NCT01583985 (ClinicalTrials.gov)

Studienergebnisse

Die Patienten waren im Mittel 57 Jahre alt. 65% litten unter chronischen Rückenschmerzen. 20% der Patienten litten zusätzlich unter einer Depression und 10% unter einer Angsterkrankung. Alle Patienten waren mit ihrer bisherigen Schmerztherapie unzufrieden. Der primäre Endpunkt war das Pain-Related-Function-Inventory. Der sekundäre Zielparameter war die Schmerzintensität. Beide Skalen haben zwischen 0 und 10 Punkten, wobei höhere Werte eine schlechtere Funktion oder höhere Schmerzintensität bedeuten. Für das Pain-Related-Function-Inventory ergab sich nach zwölf Monaten kein Unterschied der beiden Therapiegruppen. Nach zwölf Monaten war die Schmerzintensität in der Nicht-Opioid-Gruppe mit 3,5 Punkten signifikant geringer verglichen mit 4,0 Punkten in der Opioid-Gruppe. Nebenwirkungen waren bei den Opioiden signifikant häufiger.

Kommentar

In Deutschland gibt es ähnlich wie in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren zunehmend die Tendenz, Opioide in der Therapie nichttumorassoziierter Schmerzen zu verschreiben, bevor alle Optionen einer Nicht-Opioid- und Verhaltensschmerztherapie ausgeschöpft sind. Die Studie aus den Vereinigten Staaten hat daher eine wichtige klinische Bedeutung. Es konnte gezeigt werden, dass Opioide bezogen auf die Funktionsfähigkeit im Alltag keine Überlegenheit gegenüber Nicht-Opioiden haben und bezüglich der Reduktion der Schmerzintensität sogar unterlegen sind. Es gibt aber auch einige Kritikpunkte an der Studie. Im Opioid-Therapiearm wurden im ersten Therapieschritt nichtretardierte Opioide eingesetzt. Dies wird in der Langzeitschmerztherapie wegen Wirkverlust und potenzieller Abhängigkeit nicht empfohlen. Die Gruppe der Patienten, die mit Nicht-Opioiden behandelt werden sollte, erhielt in der dritten Therapiestufe Tramadol, ein Opioid. Für den klinischen Alltag bedeuten die Ergebnisse dieser Studie, dass bei Patienten mit chronischen Gelenk- und Rückenschmerzen zunächst alle Möglichkeiten einer Nicht-Opioid-Therapie ausgeschöpft werden sollten. Werden Opioide eingesetzt, sollte regelmäßig überprüft werden, ob sie tatsächlich noch notwendig sind und ob sich eine Dosissteigerung einstellt.

Quelle

Krebs EE, et al. Effect of opioid vs. nonopioid medications on pain-related function in patients with chronic back pain or hip or knee osteoarthritis pain: the SPACE randomized clinical trial. JAMA 2018;319:872–82.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(07):256-271