Alzheimer-Erkrankung

Verubecestat nicht besser als Placebo


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer großen randomisierten Phase-III-Studie war der BACE-1-Hemmer Verubecestat bei Patienten mit beginnender Alzheimer-Erkrankung einer Behandlung mit Placebo nicht überlegen.

Charakteristisch für die Neuropathologie der Alzheimer-Erkrankung ist die Ablagerung von Beta-Amyloid-Aggregaten und Tau-Protein im Gehirn. Bei der Akkumulation von Beta-Amyloid spielt das Beta-site APP-cleaving Enzyme 1 (BACE-1) eine wichtige Rolle. Die Therapie mit dem BACE-1-Hemmer Verubecestat führte bei Alzheimer-Patienten zu einer Reduktion von Beta-Amyloid im Liquor um mehr als 75%. In einer große randomisierten, Placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie wurden nun die Effekte bei Patienten mit beginnender Alzheimer-Erkrankung untersucht.

Studiendesign

Die Teilnehmer erhielten entweder Verubecestat in den Dosierungen von 12 oder 40 mg am Tag oder Placebo (Tab. 1). Die Studie erstreckte sich über 78 Wochen. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 55 bis 85 Jahren mit einem Score auf der Mini-Mental State Examination (MMSE) zwischen 15 und 26 Punkten. Bei allen Patienten wurde eine Kernspintomographie zum Ausschluss einer anderen Demenz-Ursache durchgeführt. Die Studie hatte zwei primäre Endpunkte. Der erste Endpunkt war die Veränderung in der Alzheimer’s Disease Assessment-Scale (ADAS-cog). Bei dieser Skala reichen die Werte von 0 bis 70, wobei höhere Werte auf eine schwerere Demenz hindeuten. Der zweite primäre Endpunkt war die Alzheimer’s Disease Cooperative Study Activites of Daily Living Inventory Scale (ADCS-ADL) mit Werten zwischen 0 bis 70, wobei niedrigere Werte eine schwerere Funktionseinschränkung beschreiben.

Tab. 1. Studiendesign [nach Egan MF et al.]

Erkrankung

Alzheimer-Demenz

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Verubecestat

Studientyp/ Studiendesign

Randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde
Phase-III-Studie

Eingeschlossene Patienten

1958 Patienten

Intervention

Verubecestat

  • 12 mg (n=653)
  • 40 mg (n=652)

Placebo (n=653)

Primäre Endpunkte

Score-Veränderungen in ADAS-cog und
ADCS-ADL

Sponsor

Merck

Studienregisternummer

NCT01739348

ADAS-cog: Alzheimer’s Disease Assessment-Scale; ADCS-ADL: Alzheimer’s Disease Cooperative Study Activites of Daily Living Inventory Scale

Ergebnisse

Insgesamt wurden 1958 Patienten randomisiert. Dabei erhielten 653 Patienten die 12-mg-Dosis und 652 Patienten die 40-mg-Dosis von Verubecestat pro Tag. 653 Patienten erhielten Placebo. Die Teilnehmer waren im Mittel 72 Jahre alt. 55% waren Frauen. Etwa die Hälfte der Patienten hatte eine leichte Alzheimer-Erkrankung. 90% der Patienten wurden mit einem Cholinesterasehemmer oder Memantin behandelt. Bei fast allen Patienten fanden sich die für Alzheimer typischen Biomarker im Liquor. Der initiale Score auf der ADAS-cog-Skala betrug 21,5 und auf der ADCS-ADL-Skala 63. Der mittlere MMSE-Wert betrug 20. Die Studie wurde 50 Monate nach Beginn abgebrochen, da sich keine Wirksamkeit in der aktiven Therapiegruppe abzeichnete.

Die Verschlechterung des ADAS-cog-Scores in der 78. Woche betrug 7,9 Punkte in der Niedrigdosis, 8,0 in der Hochdosis-Gruppe von Verubecestat und 7,7 in der Placebo-Gruppe. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. In der ADCS-ADL-Scala zeigte sich eine Verschlechterung von 8,4 Punkten in der Niedrigdosis-Gruppe, 8,2 in der Hochdosis-Gruppe und 8,9 in der Placebo-Gruppe. Auch dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Unter Verubecestat kam es zu vermehrten Hautausschlägen, Stürzen und Schlafstörungen, Suizidgedanken, Gewichtsverlust sowie Änderung der Haarfarbe.

Kommentar

Die große Phase-III-Studie, die von der Firma Merck finanziert wurde, war wie fast alle Studien zur Therapie der Alzheimer-Erkrankung in den letzten Jahren negativ. Es ist bemerkenswert, da der Beta-Secretase-Hemmer Verubecestat in Vorstudien zu einer signifikanten Reduktion von Beta-Amyloid im Liquor von Alzheimer-Patienten geführt hatte. Die Studie war ausreichend groß, um die klinische Fragestellung zu beantworten und die verwendeten Messinstrumente sind gut standardisiert und zuverlässig. In die Studie wurden auch Patienten mit leichter und mittelschwerer Alzheimer-Erkrankung aufgenommen, bei denen man theoretisch noch einen Therapieerfolg erwarten konnte. Neue Studien mithilfe zerebraler Bildgebung (Amyloid-PET) legen aber nahe, dass die Erkrankung wahrscheinlich 25 bis 30 Jahre, bevor die ersten klinischen Symptome auftreten, beginnt. Möglicherweise ist zu einem Zeitpunkt, in dem die Patienten kognitive Einschränkungen haben, das Stadium der Erkrankung erreicht, das einer Therapie nicht mehr zugänglich ist. Die Konsequenz dieser und anderer in letzter Zeit publizierter Studien ist, dass viele der großen Pharmafirmen aus dem Therapiebereich „Alzheimer/Demenz“ ausgestiegen sind.

Quelle

Egan MF, et al. Randomized trial of verubecestat for mild-to-moderate Alzheimer’s disease. N Engl J Med 2018;378:1691–703.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(07):256-271