Dr. med. Peter Stiefelhagen, Starnberg

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Diesen Eindruck konnten die Teilnehmer auf der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) im Oktober 2018 in München gewinnen. Zusammenfassend könnte man sagen: Es gibt viele neue Herausforderungen, aber auch große Chancen. Man ist auf dem Weg, Krebsleiden zu einer chronischen Erkrankung zu machen und ist bei vielen Entitäten ein Stück weitergekommen.
Revolution mit der Immuntherapie
Im Mittelpunkt der Diskussionen stand, wie zu erwarten, die Immuntherapie, sprich die PD-1- und PD-L1-Inhibitoren. Diese Substanzen haben sicherlich die onkologische Therapie in revolutionärer Weise verändert. Nach den beachtlichen Erfolgen beim malignen Melanom, dem NSCLC und dem Nierenzellkarzinom haben sie jetzt auch Einzug gehalten in die Behandlung des triple-negativen Mammakarzinoms, des Harnblasenkarzinoms und der Kopf-Hals-Tumoren. Auch gibt es erste hoffnungsvoll stimmende Ergebnisse bei Magen-Darm-Tumoren.
Die aktuelle Diskussion dreht sich dabei um folgende Fragen:
- Sollten die Checkpoint-Inhibitoren als First- oder als Second-Line-Therapie eingesetzt werden?
- Genügt eine Monotherapie oder ist die Kombination effektiver?
- Sind Chemotherapeutika oder zielgerichtete Substanzen die effektivsten Kombinationspartner für die Checkpoint-Inhibitoren?
- Mit welchen Strategien lässt sich die Immunogenität des Tumors und somit das Ansprechen auf eine solche Substanz verbessern: Chemotherapeutika? Zielgerichtete Substanzen? Bestrahlung? Substanzen, die das Mikro-Environment der Tumorzellen verändern?
- Was ist der prädiktive Biomarker, der das Ansprechen auf eine solche Therapie am zuverlässigsten voraussagt?
All diesen Fragen wird zurzeit im Rahmen laufender Studien nachgegangen. Marker wie Tumor Mutation Burden (TMB) scheinen dem bisher meist eingesetzten Expressionslevel von PD-L1 überlegen zu sein. Kurzum, je mehr Mutationen ein Tumor aufweist, umso stärker wird das Immunsystem stimuliert. Aber auch die quantitative Bestimmung der im Tumorgewebe nachweisbaren aktivierten T-Lymphozyten ist ein neuer interessanter Ansatz.
Explosion der Datenmenge
Ein weiteres sehr aktuelles Thema in der Onkologie ist die Digitalisierung. Auch diese verändert das diagnostische und therapeutische Vorgehen nachhaltig. Angesichts der riesigen Datenmengen ist es notwendig, diese Daten zu analysieren und zu vernetzen – sie liefern wichtige Informationen in Richtung personalisierter Krebstherapie und auch wertvolle Informationen für die Erforschung und Entwicklung neuer Therapien. In diesem Zusammenhang sind auch die Daten aus Beobachtungsstudien von großer Relevanz, man spricht von Real-World-Evidenz (RWE). Nur so kann man zeigen, dass die neuen Substanzen im klinischen Alltag auch halten, was sie in randomisierten klinischen Studien gezeigt haben. Alltagsepik ist schließlich etwas anderes als Studienlyrik.
Herausforderung in der Analytik
Unverzichtbar ist dabei auch die umfassende genetische Analyse aller Krebs-relevanten Gene. Eine solche moderne molekulare Diagnostik erhalten im Moment jedoch nur 15 % der Tumorpatienten; bei 25 % wird nur ein Einzel-Gentest durchgeführt. Doch in der klinischen Praxis ist eine umfassende und qualitativ hochwertige Tumorgenomanalyse bereits heute für das therapeutische Management von Patienten mit seltenen fortgeschrittenen oder metastasierten Tumoren ausgesprochen hilfreich.
Arzneimitteltherapie 2019; 37(01):1-1