Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Bei etwa jeder zweiten Patientin mit metastasiertem HR-positivem Brustkrebs ist von einer De-novo-Resistenz gegenüber der endokrinen Therapie auszugehen [5]. Auch initial endokrin sensitive Patientinnen entwickeln im Therapieverlauf mehrheitlich eine endokrine Resistenz. Ein wichtiger Resistenzmechanismus beim HR-positiven Brustkrebs ist die durch mitogene Signalwege wie den Estrogen Signal Pathway stimulierte Cyclin-D1-Produktion mit vermehrter Aktivierung der Cyclin-abhängigen Kinasen 4 und 6 (CDK: cyclin-dependant kinase) [6]. Diese Überaktivität bewirkt eine Störung der Zellzyklusregulation und resultiert in einer unkontrollierten Zellproliferation. Mit den Regulatorproteinen CDK 4 und 6 steht somit ein Angriffspunkt zur Verfügung, um den Zellzyklus durch selektive Inhibitoren in der G1-Phase anzuhalten. In der Folge stellt sich ein Proliferationsstopp mit nachfolgender Tumorschrumpfung ein [1].
Mit Abemaciclib (Verzenios®) wurde am 1. Oktober 2018 der dritte CDK4/6-Inhibitor in der EU zugelassen. Er unterscheidet sich strukturell und aufgrund seiner Selektivität für CDK4 bzw. CDK6 von den beiden anderen Substanzen [8]: Der Komplex aus Cyclin D1 und CDK4 wird durch Abemaciclib rund 14-mal stärker inhibiert als der mit CDK6. Dieses Verhältnis ist wesentlich höher als bei den anderen CDK4/6-Inhibitoren. Auch ist Abemaciclib der einzige kontinuierlich ohne Therapiepause verabreichte CDK4/6-Inhibitor [2]. Daher ist kein Rebound-Effekt mit erneutem Tumorwachstum nach Ende des Dosierungsintervalls zu befürchten. Vielmehr unterliegen die Tumorzellen dem normalen Alterungsprozess und werden durch Apoptose eliminiert [3].
Die Zulassung von Abemaciclib basiert auf den Phase-III-Studien MONARCH 3 und MONARCH 2, in denen der CDK4/6-Inhibitor als Erst- bzw. Zweitlinientherapie beim HR-positiven, HER2-negativen Brustkrebs geprüft wurde [4, 7].
Monarch 3
In MONARCH 3 wurden annähernd 500 nicht palliativ vorbehandelte Patientinnen randomisiert im Verhältnis 2 : 1
- dem Arm mit Abemaciclib plus AI (Letrozol oder Anastrozol) oder
- dem Kontrollarm mit der AI-Monotherapie zugeteilt.
Mit einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) als primärem Endpunkt war die Erstlinientherapie mit der Abemaciclib-Kombination dem AI allein eindeutig überlegen: Kombiniert behandelte Patientinnen überlebten median 28,2 Monate ohne Progress, Kontrollpatientinnen nur 14,8 Monate (HR 0,54; p = 0,000 002). Von dem CDK4/6-Inhibitor zusätzlich zur Aromatasehemmung profitierten laut Subgruppenanalyse alle ausgewerteten Untergruppen.
Monarch 2
In MONARCH 2 wurde Abemaciclib bei 669 prä-, peri- oder postmenopausalen Frauen mit HR-positivem, HER2-negativem fortgeschrittenem Brustkrebs geprüft. Diese Teilnehmerinnen waren endokrin resistent, das heißt, sie hatten während oder kurz nach Ende der (neo-)adjuvanten endokrinen Therapie ein Rezidiv erlitten oder waren unter endokriner Erstlinientherapie progredient. Die Randomisierung erfolgte ebenfalls im Verhältnis 2 : 1
- zum experimentellen Arm mit Abemaciclib plus Fulvestrant oder
- zu Fulvestrant allein.
Auch diese Studie erreichte den primären Endpunkt: Kontrollpatientinnen lebten median 9,3 Monate ohne Progress, kombiniert behandelte Frauen dagegen 16,4 Monate (Hazard-Ratio [HR] 0,553; p < 0,0 000 001). Prä- und perimenopausale Patientinnen profitierten von der Abemaciclib-Kombination in gleichem Maße wie das Gesamtkollektiv (HR 0,446; p = 0,002).
In beiden Studien verbesserte die zusätzliche Abemaciclib-Gabe zudem das Ansprechen gegenüber der endokrinen Monotherapie. Auch erwies sich die Abemaciclib-basierte Therapie selbst bei Frauen mit viszeraler Metastasierung und damit ungünstiger Prognose als hoch effektiv.
Sicherheit
Am häufigsten unter der Abemaciclib-basierten Therapie traten mit einer Rate von mehr als 80 % Diarrhöen auf [4, 7]. Durchfälle vom Grad 3 traten in MONARCH 2 bei 13,4 %, in MONARCH 3 bei 9,5 % der Frauen auf. Unverzichtbar ist daher eine Aufklärung der Patientinnen vor Therapiebeginn und die gleichzeitige Rezeptierung von Loperamid. Neutropenien vom Grad 3–4 sind mit einer Rate von rund 25 % deutlich seltener als bei den anderen CDK4/6-Inhibitoren. Alle Substanzen dieser Wirkklasse können zudem zu einem Anstieg der Creatinin- und Leberenzymwerte führen.
Quelle
Dr. Norbert Marschner, Freiburg, Prof. Dr. Jens Huober, Ulm, Launch-Pressekonferenz „Abemaciclib: Neuer Player in der Erst- und Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen HR+, HER2-Mammakarzinoms“, Berlin, 9. Oktober 2018, veranstaltet von Lilly Oncology.
Literatur
1. Dickson M, Schwartz G. Curr Oncol 2009;16:36–43.
2. Fachinformation Verzenios®; Stand Oktober 2018.
3. Gelbert LM, et al. New Drugs 2014;32:825–37.
4. Goetz MP, et al. AACR 2018; Abstr. CT040.
5. Higgins MJ, Baselga J. J Clin Invest 2011;12:3797–803.
6. Kim J, Diehl J. J Cell Physiol 2009;220:292–6.
7. Sledge GW, et al. J Clin Oncol 2017;35:2875–84.
8. Van Arsdale T, et al. Clin Cancer Res 2015;21:2905–10.
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Arzneimitteltherapie 2019; 37(01):42-51