Hybrid-Capture-Technologie

Umfassende Analyse genetischer Veränderungen bei hämatologischen Neoplasien möglich


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Durch die Detektion genetischer Anomalien und sich anschließende entsprechende Therapien werden seit einigen Jahren erhebliche Fortschritte in der Hämato-Onkologie erzielt. Eine noch umfassendere Untersuchung hämatologischer Neoplasien ist jetzt möglich. Zur Erforschung bekannter und neuer relevanter Genveränderungen bei myeloischen Neoplasien hat NEO New Oncology den Hybrid-Capture basierten Assay NEOmyeloid RUO entwickelt, der während des europäischen Krebskongresses (ESMO) vorgestellt wurde.

Bösartige hämatologische Systemerkrankungen haben ihren Ursprung in Knochenmarkstammzellen, beziehungsweise in deren verschiedenen Entwicklungsstufen. Krankhafte Veränderungen des blutbildenden Systems werden je nach Art der betroffenen Vorläuferzelle in myeloische und lymphatische Erkrankungen eingeteilt. Ein prominentes Beispiel für maligne Bluterkrankungen sind die Leukämien, an denen jedes Jahr allein in Deutschland etwa 13 000 Menschen erkranken, und an denen jährlich etwa 8000 Patienten versterben. Abhängig vom Krankheitsverlauf werden Leukämien in akute und chronische Formen unterteilt. Neben den Leukämien gibt es noch zahlreiche weitere maligne Erkrankungen des blutbildenden Systems. Diese unterscheiden sich zum Teil in Symptomatik, Prognose und Therapieplanung deutlich voneinander, weswegen eine eindeutige Klassifizierung immer wichtiger wird. Das stetig wachsende Wissen um die molekularen Grundlagen der jeweiligen Krankheiten wird nun um eine molekularanalytische Komponente ergänzt: die bei myeloischen Neoplasien.

Unter diesem Oberbegriff wird eine heterogene Gruppe maligner Bluterkrankungen zusammengefasst, die unter anderem die akuten myeloischen Leukämien (AML), das myelodysplastische Syndrom (MDS) und die myeloproliferativen Neoplasien (MPN) umfasst. Die myeloischen Neoplasien machen etwa 30 % aller hämatologischen Neoplasien aus. Allen Formen der myeloischen Neoplasien ist gemein, dass sie aufgrund von abnormen Veränderungen in myeloischen Vorläuferzellen entstehen (Abb. 1).

Abb. 1. Entstehung myeloischer Neoplasien [mod, nach Mullighan, Nature Genetics 2009]

Die Kenntnis des genauen Subtyps einer myeloischen Neoplasie ist essenziell für die Abschätzung der Prognose und für die Therapieplanung. In den letzten Jahren konnten zahlreiche Genveränderungen identifiziert werden, die eine genauere Charakterisierung maligner hämatologischer Erkrankungen erlauben. Einige dieser genetischen Marker haben bereits Aufnahme in die aktuelle WHO-Klassifikation gefunden, sodass die molekulare Analyse zunehmend die morphologischen und zytogenetischen Untersuchungen ergänzt (Tab. 1).

Tab. 1. Überblick einiger relevanter Genveränderungen mit gesichertem klinischem Stellenwert in myeloischen Neoplasien [nach Onkopedia, Leitlinie Hämatologische Diagnostik. Stand Mai 2018]

Genetische Veränderung

Klinische Bedeutung

BCR-ABL

U. a. Nachweis oder Ausschluss einer chronisch myeloischen Leukämie (CML) oder einer Philadelphia-Chromosom-positiven akuten lymphatischen Leukämie (ALL)

JAK2 V617F-Mutation

JAK2 Exon 12-Mutationen

MPL W515-Mutationen

CALR-Mutationen

Nachweis oder Ausschluss myeloproliferativer Neoplasien

RUNX1-RUNX1T1

U. a. Nachweis einer zyto- bzw. molekulargenetisch definierten akuten Promyelozytenleukämie

CBFB-MYH11

Nachweis einer zyto- bzw. molekulargenetisch definierten akuten myeloischen Leukämie (AML)

NPM1-Mutationen

Nachweis einer zyto- bzw. molekulargenetisch definierten AML (Entität nach WHO 2017), sowie Prognosefakor

CEBPA-Mutation

Nachweis einer zyto- bzw. molekulargenetisch definierten AML (Entität nach WHO 2017), sowie Prognosefaktor

PDGFRA/PDGFRB-Translokationen

Nachweis oder Ausschluss einer entitätsdefinierenden klonalen Eosinophilie

Die Hybid-Capture-basierte NEO-Technologie zur weiteren Erforschung myeloischer Neoplasien

Lässt sich eine BCR-ABL-Translokation noch vergleichsweise einfach mittels eines fluoreszenzbasierten Standardtests (FISH) nachweisen, so müssen für eine umfassende molekulare Charakterisierung in der Regel bereits heute parallel mehrere Gene untersucht werden. Nur so können Genveränderungen umfassend auch in frühen Stadien einer Neoplasie detektiert werden, um diese von nichtmalignen Geschehnissen zu unterscheiden. Auch zur Identifikation genetischer Resistenzmarker sind sensitive Methoden erforderlich.

Um die klinische Forschung in diesem Bereich optimal zu unterstützen, hat NEO New Oncology den NEOmyeloid RUO-Assay entwickelt. Mit nur einem Test lassen sich Genveränderungen sensitiv analysieren, die für die Erforschung und Charakterisierung myeloischer Erkrankungen relevant sind. Der Nachweis von Treibermutationen, Tumorsuppressoren, Mikrosatelliteninstabilität (MSI), Tumormutationslast und chromosomalen Deletionen erfolgt dabei parallel an einer einzigen DNA-Probe. So können Tumorgewebe und Laborzeit eingespart und Therapieentscheidungen zeitnah getroffen werden.

Zunächst werden mittels speziell dafür entwickelter und optimierter Sonden gezielt klinisch relevante Regionen aus dem Tumorgenom angereichert (Hybrid-Capture-Verfahren). Die Auswahl der Sonden gewährleistet eine gleichmäßige Abdeckung der Zielregionen. Im Anschluss werden die Genabschnitte amplifiziert (klonale Amplifikation) und mittels Next Generation Sequencing parallel sequenziert. Genomische Veränderungen können somit auch bei niedriger Allelfrequenz mit hoher Sensitivität nachgewiesen werden. Zusätzliche diagnostische Methoden wie FISH, IHC (immunohistochemistry) oder PCR-basierte Methoden sind nicht mehr nötig.

NEO-myeloid RUO kann direkt im Labor des Anwenders durchgeführt werden und ist zum parallelen Nachweis von Punktmutationen, Insertionen/Deletionen und Translokationen auf der Basis einer einzigen DNA-Probe geeignet. Die Methode kann an typischem hämato-onkologischen Probenmaterial wie peripherem Venenblut, Knochenmarkblut und Beckenkammtrepanat durchgeführt werden.

Quelle

Prof. Dr. Clemens M. Wendtner, München Schwabing, Dr. Markus Tiemann, Hamburg, Fachmediengespräch „Molekulare Analytik in der Hämato-Onkologie: Welche Antworten kann Hybrid-Capture basiertes Next Generation Sequencing (NGS) auf hämatologische Fragestellungen liefern?“, München, 19. Oktober 2018, veranstaltet von NEO New Oncology GmbH.

Arzneimitteltherapie 2019; 37(01):21-34