Clemens Unger, Freiburg
Therapie des metastasierten, kastrationssensitiven Prostatakarzinoms
Androgen-Deprivations-Therapie (ADT)
Die Androgen-Deprivations-Therapie wird typischerweise eingeleitet, wenn das Prostatakarzinom metastasiert bzw. lokal fortgeschritten ist. Die früher durchgeführte chirurgische Kastration durch Orchiektomie zur maximalen Absenkung des Testosterons hat man weitgehend verlassen und sie durch die medikamentöse Kastration mit einem Gonadotropin-Releasing-Hormon(GnRH)-Analogon ersetzt. Dieses supprimiert die Produktion des luteinisierenden Hormons (LH) und damit die Testosteron-Biosynthese (Abb. 1). Mit Start des GnRH-Analogons kommt es zu einem transienten Anstieg von LH, bevor dieser Hormonspiegel sinkt. Der Anstieg kann zu einem vorübergehenden Testosteron-Peak führen („Flare-up-Phänomen“) und ist geeignet, eine spinale Kompression zu verstärken oder auch den Urinausfluss zu behindern. Daher gibt man für die ersten ein bis zwei Wochen zusätzlich ein Antiandrogen, beispielsweise Bicalutamid 50 mg/Tag. Eine Reihe von GnRH-Agonisten sind verfügbar, unter anderem Leuprorelin, Goserelin, Buserelin und Triptorelin. Der GnRH-Antagonist Dagarelix bindet an GnRH-Rezeptoren, aber initiiert nicht einen initialen Anstieg von LH. Dagarelix supprimiert die Testosteron-Synthese und vermeidet das Flare-up-Phänomen, das bei GnRH-Agonisten beobachtet wird. Daher ist die Substanz eine gute Alternative in Situationen, die einen sofortigen Testosteron-Abfall erfordern.

Abb. 1. GnRH-Analoga führen initial zu einem Anstieg von luteinisierendem Hormon (LH) und Testosteron. Nach ein bis zwei Wochen werden die Rezeptoren für GnRH herunterreguliert. Die Spiegel von LH und Testosteron sinken.
Kontinuierliche gegenüber intermittierender Androgen-Deprivations-Therapie
Viele Nebenwirkungen der ADT sind assoziiert mit dem Kastrations-Level des Hormons Testosteron. Die intermittierende Gabe von ADT ist ein Weg, die Nebenwirkungen der medikamentösen Kastration zu vermindern. ADT kann dann wieder eingesetzt werden, wenn der PSA-Wert erneut zu steigen beginnt. Intermittierende ADT ist nicht schlechter in Bezug auf das Gesamtüberleben (OS) als die kontinuierliche Therapie [7]. Die intermittierende Therapie hat einen besonderen Platz beim „slow rising PSA“. Auch hier zeigen Untersuchungen, dass die intermittierende Therapie nicht nachteilig gegenüber der kontinuierlichen Therapie in Bezug auf das Überleben ist [10]. Der optimale Zeitpunkt des Beginns der ADT-Therapie ist beim „slow rising PSA“ unklar. Diese Frage ist nicht in klinischen Studien geklärt. In der metastasierten Situation dagegen zeigen Studien, dass eine sofortige gegenüber einer verzögerten Therapie mit einer statistisch signifikanten Verminderung der Prostatakarzinom-assoziierten Todesrate verbunden ist, obwohl ein verbessertes Gesamtüberleben nicht gezeigt werden konnte [12].
Nebenwirkungen der ADT
ADT ist mit einer Reihe von Nebenwirkungen assoziiert, die die Lebensqualität der Patienten deutlich beeinflussen können. Dazu gehören im Einzelnen: Gewichtsverlust, Zunahme des Körperfettgehalts, Verlust an Muskulatur, Libidoverlust, erektile Dysfunktion, Verlust an Knochenmineralien, Gynäkomastie, Fatigue sowie kardiovaskuläre und metabolische Veränderungen.
ADT in Kombination mit Androgen-Biosynthese-Inhibitoren oder Chemotherapie
ADT kombiniert mit Androgen-Biosynthese-Inhibitoren (Abirateron = Zytiga®) oder Docetaxel (Taxotere®) kann bei Hochrisiko-Patienten das Überleben im Vergleich zu einer ADT-Monotherapie signifikant verlängern.
Der Androgen-Biosynthese-Inhibitor Abirateron hemmt irreversibel das Enzym CYP17 (= Steroid-17α-Hydroxylase), das im Tumorgewebe und in Metastasen besonders hoch exprimiert ist. Durch die CYP17-Hemmung kommt es jedoch auch zu einer Mineralocorticoid-Überproduktion in der Nebennierenrinde mit der Gefahr von Flüssigkeitsretention, Hypertonie, Hypokaliämie etc. Um die Mineralocorticoid-Toxizität zu mildern, sollte Abirateronacetat entsprechend der Zulassung immer zusammen mit einem Glucocorticoid (Prednison oder Prednisolon) verabreicht werden.
Es liegen nur wenige klinische Studien vor, die die Kombination ADT plus Abirateron mit ADT plus Chemotherapie vergleichen [18, 20]. Der Verlust der Wirksamkeit von ADT wird erklärt durch die intrazelluläre Konversion von Steroid-Vorläufern zu androgenen Steroiden. Die Rationale der Kombination von ADT mit Abirateron liegt in der Blockadefunktion der Konversion durch Abirateron. Zwei große randomisierte Studien zeigen, dass die Kombination von ADT plus Abirateron das Gesamtüberleben beim kastrationssensitiven Prostatakarzinom signifikant verlängern kann [4, 8].
LATITUDE-Studie
In der Latitude-Studie wurden 1199 Männer mit metastasiertem, kastrationssensitivem Prostatakarzinom randomisiert in den Arm ADT plus Abirateron plus Prednison oder in den Arm ADT plus Placebo [2]. Die Patienten hatten eine Hochrisikoerkrankung und damit waren mindestens zwei von drei der folgenden Parameter vorhanden: Gleason 8–10, mindestens drei Knochenmetastasen, Nachweis von viszeralen Metastasen. Selbst bei dieser prognostisch sehr ungünstigen Patientengruppe konnte ein deutlicher Überlebensvorteil zugunsten der frühen ADT/Abirateron-Gabe gezeigt werden (Hazard-Ratio [HR] 0,62; p < 0,001). Die Studie war auch positiv in Bezug auf sekundäre Endpunkte wie beispielsweise Schmerzprogression oder „time to PSA-progression“. Allerdings gab es auch Grad-3/4-Blutdruckanstiege (22 vs. 10 %) und Hypokaliämien (10 vs. 4 %) unter der Kombinationstherapie ADT plus Abirateron.
STAMPEDE-Studie
In die Stampede-Studie [8] wurden 1917 Männer eingeschlossen. 94,9 % waren neu diagnostizierte Prostatakarzinom-Patienten. Es wurde ADT plus Abirateron und Prednison gegen ADT allein randomisiert. 26,6 % der Patienten zeigten ein Hochrisikoprofil (T3-T4 N0M0 mit PSA > 40 ng/ml oder Gleason 8–10), 19,2 % waren nicht metastasiert, aber Lymphknoten-positiv, und 49,1 % waren metastasiert. 5,1 % der Patienten waren bereits in kurativer Intention behandelt und hatten einen Rückfall.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Bestimmung des OS. Dieses war signifikant verlängert durch die Zunahme von Abirateron (3-Jahres-OS von 83 % der Patienten in der Kombinationstherapie gegenüber 76 % für ADT allein; HR 0,63; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,52–0,76). Die Resultate waren für metastasierte und nicht-metastasierte Patienten ähnlich.
In der erweiterten Stampede-Studie wurden 2962 Männer mit kastrationssensitivem Prostatakarzinom eingeschlossen [9]. Die Patienten wurden auf vier verschiedene Therapie-Arme verteilt:
- ADT-Therapie allein
- ADT plus Docetaxel (75 mg/m² 3-wöchentlich für 6 Zyklen)
- ADT plus Docetaxel und Zoledronsäure für zwei Jahre
- ADT plus Zoledronsäure allein
Eingeschlossen wurden sowohl Patienten mit High-Risk-Erkrankung ohne Lymphknotenbefall oder systemische Metastasierung (39 %) als auch Patienten mit metastasierter Erkrankung (61 %).
Nach einem Follow-up von 43 Monaten wurden folgende Ergebnisse beobachtet: ADT plus Docetaxel gegenüber ADT allein verbesserte das OS signifikant (median 81 vs. 71 Monate, HR 0,78; 95%-KI 0,66–0,93). Eine Zugabe von Zoledronsäure war hier ohne Effekt auf das OS, auch fand sich kein Unterschied im OS bei ADT allein gegenüber ADT plus Zoledronsäure.
GETUF-AFU-15-Studie
Die französische GETUF-AFU-15-Studie ist eine multizentrische Phase-III-Studie, in die 385 Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom eingeschlossen wurden. Die Studienarme waren ADT plus Docetaxel (75 mg/m² alle drei Wochen für bis zu neun Zyklen) oder ADT allein [5, 6]. Nach einem medianen Follow-up von 84 Monaten zeigte sich ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (22,9 vs. 12,9 Monate, HR 0,67; 95%-KI 0,54–0,84). In einer Subset-Analyse waren die Ergebnisse sowohl bei Low- als auch bei High-Volume-Disease ähnlich. Das OS zeigte sich verlängert zugunsten der Kombination, war aber nicht statistisch signifikant.
Alle drei Studien, in denen ADT mit Docetaxel kombiniert verabreicht wurden, zeigten gegenüber ADT allein eine signifikant größere Toxizität [5, 9, 16, 17]. In der STAMPEDE-Studie betrug die Inzidenz unerwünschter Ereignisse Grad 3/5 im Docetaxel-Arm 52 % gegenüber 32 % im ADT-Arm [9]. In allen drei Studien betrug der Anteil an febriler Neutropenie 6 bis 15 %. In der STAMPEDE-Studie wurden acht Todesfälle beobachtet, die wahrscheinlich mit Docetaxel in Verbindung zu bringen sind, einschließlich fünf Todesfälle durch Sepsis in der Neutropenie und drei Todesfälle durch Pneumonie [9]. In der GETUF-AFU-15-Studie wurden zwei Todesfälle durch Docetaxel-bedingte Neutropenie beobachtet. Anschließend wurde in einen Nachtrag zum Studienprotokoll G-CSF (granulocyte-colony stimulating factor) verbindlich vorgeschrieben [6].
CHAARTED-Studie
In die Studie wurden 790 Männer mit unbehandeltem kastrationssensitivem Prostatakarzinom und gesicherter Knochen-Metastasierung aufgenommen. Die Patienten wurden den Armen ADT allein oder ADT plus sechs Zyklen Docetaxel zugeordnet [11, 13, 17]. Nach einem mittleren Follow-up von 54 Monaten zeigte sich das OS für die Kombinationstherapie signifikant verlängert (median 58 vs. 47 Monate, HR 0,72; 95%-KI 0,59–0,89) [11]; ebenso in der Subgruppe von 513 Patienten mit High-Volume-Disease (median 51 vs. 34 Monate, HR 0,63; 95%-KI 0,50–0,79). Dagegen war bei den 277 Patienten mit Low-Volume-Disease das OS unter Kombinationstherapie nicht verlängert. Auch in dieser Studie war die Docetaxel-basierte Chemotherapie in Kombination mit ADT signifikant toxischer als ADT allein gemessen an der Häufigkeit von Grad-3/5-Nebenwirkungen.
Zusammenfassende Empfehlung zu den Kombinationstherapien
Patienten in einer Hochrisikosituation oder mit einem High-Volume-Befall wird die kombinierte Behandlung mit ADT plus Abirateron oder Docetaxel empfohlen. Diese kombinierte Behandlung ist bei Patienten mit einer Niedrigrisiko- oder Low-Volume-Situation ebenfalls möglich und überlegenswert, da auch für diese Patientengruppe im Vergleich zur alleinigen ADT-Therapie das Gesamtüberleben verlängert werden kann. Abzuwägen ist diese Empfehlung gegenüber der Inkaufnahme gesteigerter Toxizität durch die Zugabe von Abirateron, beispielsweise in Form von Hypokaliämie, Blutdrucksteigerung, Ödemen oder Lebertoxizität. Im Fall der Kombination mit Docetaxel sind die Nebenwirkungen Myelosuppression, febrile Infektionen, Polyneuropathie und Alopezie. Da Kombinationstherapien nicht gegeneinander geprüft wurden, ist die Wahl des Add-on-Medikaments mit dem Patienten unter Berücksichtigung der möglichen Nebenwirkungen kritisch zu besprechen.
Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms
Die hormonelle Behandlung ist in ihrer Wirksamkeit zeitlich begrenzt. Steigen die PSA-Werte unter laufender Hormontherapie bei gleichzeitiger kompletter Suppression des Testosterons (wichtigster Wachstumsfaktor für Prostatakarzinom-Zellen), ist das Karzinom kastrationsrefraktär. Das kastrationsrefraktäre Prostatakarzinom kann dann noch mit den oral zur Verfügung stehenden Substanzen Abirateron und/oder Enzalutamid (Xtandi®) behandelt werden. Weiterhin stehen als Chemotherapeutika Docetaxel und Cabazitaxel (Jevtana®) zur intravenösen Therapie zur Verfügung. Aber auch die Wirksamkeit dieser Therapeutika ist zeitlich begrenzt und so stellt sich seit längerer Zeit die Frage, welche therapeutischen Möglichkeiten dann noch weiterhelfen könnten.
Androgenrezeptor-(AR-)gerichtete Therapien
Auch bei Vorliegen einer Kastrations-Resistenz beeinflusst der Androgenrezeptor (AR) das Tumorwachstum und bleibt damit eine wichtige Zielstruktur für weitere Therapien. Neben Abirateron wurde Enzalutamid entwickelt. Enzalutamid ist ein oraler AR-Hemmer der 2. Generation. Die Substanz bindet an den Androgenrezeptor und vermittelt eine verminderte Translokation des Rezeptors in den Zellkern. Weiterhin unterdrückt Enzalutamid die Aktivierung von Zielgenen der Tumorgenese. Abirateron sowie Enzalutamid verlängern signifikant das mittlere OS von Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom sowohl vor als auch nach Chemotherapie mit Docetaxel [1, 15].
Im Januar 2019 wurde ein weiterer Androgenrezeptor-Inhibitor zugelassen: Apalutamid (Erleada®). Die EU-Zulassung gilt für das nichtmetastasierte, kastrationsresistente Prostatakarzinom mit hohem Risiko für die Entwicklung einer metastasierenden Erkrankung.
Chemotherapeutika
Docetaxel in einer Dosierung von 75 mg/m² zusammen mit Prednison 5 mg 2-mal täglich dreiwöchentlich gegeben zeigt eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens bei kastrationsresistenten Patienten [19]. Weitere Phase-III-Studien, in denen zusätzliche Substanzen zu Docetaxel hinzugefügt wurden, zeigten keine Verbesserungen gegenüber dem etablierten Standardregime. Das semisynthetische Taxanderivat Cabazitaxel zeigt eine Verlängerung der Überlebenszeit bei Patienten, die zuvor unter Docetaxel progredient gewesen waren. In der Phase-III-Studie TROPIC wurden 755 Patienten eingeschlossen, die zuvor unter Docetaxel progredient waren [3]. Cabazitaxel zeigte gegenüber Mitoxantron eine Verlängerung der Überlebenszeit (15,1 vs. 12,7 Monate) und des progressionsfreien Überlebens (2,8 vs. 1,4 Monate). Cabazitaxel war allerdings gegenüber Mitoxantron deutlich toxischer. Potenzielle behandlungsassoziierte Todesfälle waren deutlich häufiger in der Cabazitaxel-Gruppe (4,9 vs. 2,4 %). Grad-3/4-Neutropenien wurden bei 82 % der Patienten unter Cabazitaxel beobachtet, die Rate der febrilen Neutropenien lag bei 8 %, Diarrhöen wurden bei 47 % der Patienten beschrieben.
PSMA-Radioliganden-Therapie
Eine interessante Neuentwicklung zur Therapie von Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom stellt die Lutetium-177-PSMA-Radioligandentherapie (Lu-177-PSMA-RLT) dar. Die Therapie dient zur Behandlung von Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom, bei denen sich trotz Hormon- oder Chemotherapie ein Fortschreiten der Erkrankung zeigt. Im Gegensatz zur Xofigo®-Therapie (Ra-223) können auch Patienten therapiert werden, die Metastasen außerhalb des Skelettsystems haben (z. B. Weichteil- oder Lymphknotenmetastasen) [14].
Wirkungsweise
Hinter der Lutetium-177-PSMA-Radioliganden-Therapie verbirgt sich eine zielgenaue Bestrahlung von Zellen, die auf ihrer Oberfläche das Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) tragen. Dieses Membran-Antigen dient als Andockstelle für bestimmte Peptide, sogenannte PSMA-Liganden, die mit einem therapeutisch wirksamen Betastrahler (Lu-177) radioaktiv markiert sind. PSMA wird auf der Zelloberfläche entarteter Prostatazellen bis zu 1000-fach häufiger exprimiert als auf gesunden, und dies umso stärker, je höher der Gleason-Score ist. Wenn der Radioligand an den PSMA-Rezeptor andockt, wird er über Endozytose in die Zelle eingeschleust. Der Beta-Strahler Lutetium-177 kann das Gewebe etwa 2 mm tief penetrieren. Damit ist er ein idealer Kandidat zur punktgenauen Bestrahlung kleinerer Herde unter weitgehender Schonung des Normalgewebes, das diesen PSMA-Rezeptor nicht oder in geringerem Maße trägt. Verschiedene klinische Studien zeigen, dass mithilfe der PSMA-Radioliganden-Therapie Tumoren in ihrem Wachstum gebremst und zurückgebildet werden können. Es kommt zu PSA-Abfällen und zu einer deutlichen Verminderung von Schmerzen, dadurch kann die Lebensqualität deutlich verbessert werden.
Voraussetzung zur Durchführung
Die Therapie ist aktuell noch nicht von den Kassen als Regelleistung anerkannt, es handelt sich um einen individuellen Heilversuch. Daher übernehmen die Kassen die Kosten nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Es muss ein Punkt erreicht sein, an dem eine „anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht mehr zur Verfügung steht“. Daher ist es sinnvoll, die Einschlusskriterien, die der Verbund aus Universitätskliniken Nordrhein-Westfalen erarbeitet und vorgeschlagen hat, zu beachten, um nicht im Kleinkrieg der Kostenübernahmediskussion zu ermüden.
Einschlusskriterien
- Inoperables, metastasiertes, kastrationsrefraktäres Prostatakarzinom
- Lebenserwartung mindestens vier Monate
- Tumorprogress trotz Ausschöpfung aller Standardtherapieverfahren
- Beschluss zur Durchführung eines individuellen Heilversuchs mit Lu-177-PSMA-Radioliganden-Therapie im interdisziplinären Tumorboard bzw. unter Einbeziehung der Urologen/Onkologen
Ablauf und Verträglichkeit
Die Therapie wird auf Stationen der Nuklearmedizin eingesetzt und umfasst üblicherweise vier Zyklen im Abstand von vier bis sechs Wochen. Der Patient verbleibt gemäß der Strahlenschutzverordnung für 48 Stunden nach Injektion stationär. PSMA wird, wenngleich in geringerem Ausmaß, auch in Tränendrüsen, Leber, Milz und Knochen exprimiert. Als dosislimitierend gelten allerdings die Speicheldrüsen und die Nieren. Während des stationären Aufenthalts wird daher ausreichend Flüssigkeit infundiert zum Schutz der Nieren und zur schnelleren Ausschwemmung der Radioaktivität. Die Verträglichkeit der Therapie ist gut, vereinzelt kam es zu Fieberanstieg, leichterem Haarausfall, Geschmacksveränderungen und zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
Insgesamt stellt dieser Therapieansatz für die betroffenen Patienten eine weitere Option auf eine wirksame und verträgliche Therapie dar, die das Krebsgeschehen stoppt und die Aussicht auf einen Lebenszeitgewinn verbessert.
Zusammenfassende Empfehlung bei Kastrations-Resistenz
In dieser Therapiesituation ist die Androgenrezeptor-gerichtete Behandlung mit Abirateron oder Enzalutamid noch eine Option. Nach einem Therapieversagen kann Docetaxel, danach auch noch Cabazitaxel eingesetzt werden. Cabazitaxel zeigt allerdings deutlich stärkere Nebenwirkungen im Vergleich zu Mitoxantron, das in früheren Jahren häufig in dieser Situation eingesetzt wurde. Einen interessanten experimentellen Therapieansatz stellt die Lutetium-177-PSMA-Radioliganden-Therapie dar.
Interessenkonflikterklärung
CU gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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Prof. Dr. Clemens Unger, Zentrum für Krebsmedizin, Breisacher Straße 84b, 79110 Freiburg, E-Mail: info@zentrum-krebsmedizin.de
Treatment of disseminated prostate cancer
Previous untreated castration-sensitive prostate cancer is dependent upon androgen for its continued growth. This is the basis for androgen deprivation therapy (ADT) as an important component of the initial systemic therapy. For patients with high risk disseminated prostate cancer ADT should be combined with either docetaxel or abiraterone rather than using ADT alone. This combination significantly prolongs overall survival compared with ADT alone. However, these two approaches have not been directly compared and the choice of regimen should be discussed with the patient about the potential toxicities. Castration-resistant prostate cancer is defined by occurrence of disease progression despite a castration level of testosterone and continuous ADT-treatment. Potential treatment options include abiraterone, enzalutamide as tablets as well as docetaxel and cabazitaxel as chemotherapeutic drugs for intravenous application. A new promising experimental ligand 177-Lu-PSMA therapy was investigated in metastatic castration resistant patients. Results look very promising, further studies in different countries have been initiated.
Key words: disseminated prostate cancer, androgen deprivation therapy, 177-Lu-PSMA, abiraterone, enzalutamide, docetaxel, cabazitaxel
Arzneimitteltherapie 2019; 37(05):154-158