Prävention und Therapie des Schlaganfalls


Eine Erfolgsgeschichte in der Medizin

Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen


Bis zur Mitte der 1980er-Jahre gab es in Deutschland keine strukturierte Akuttherapie des Schlaganfalls. Zum damaligen Zeitpunkt gab es einzelne Studien zur Bedeutung einer antihypertensiven Therapie bei arterieller Hypertonie zur Vorbeugung des Schlaganfalls und Studien zur Acetylsalicylsäure zur Prävention eines erneuten ischämischen Insults nach einem ersten ischämischen Ereignis. Prof. Werner Hacke, der damals Oberarzt an der Universitätsklinik in Aachen war (später Ordinarius für Neurologie in Heidelberg), wies zum damaligen Zeitpunkt bereits daraufhin, dass es dringend notwendig sei, in Deutschland eine strukturierte Versorgung von Patienten mit Schlaganfall aufzubauen. Zu dieser Zeit wurde die Thrombolyse mit Urokinase für die Akuttherapie des akuten Koronarsyndroms etabliert. Daher konnte erwartet werden, dass in absehbarer Zeit möglicherweise auch eine systemische Thrombolyse für den akuten ischämischen Insult wirksam und verfügbar wird. In einer kleinen Studie in den Vereinigten Staaten, gefördert vom National Institute for Health (NIH), wurde die Wirksamkeit der systemischen Thrombolyse mit Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) bei ausgewählten Patienten mit akutem ischämischen Insult in einem Zeitfenster von drei Stunden gezeigt. Prof. Hacke war federführend für zwei weitere große Studien zur Thrombolyse, durch die die Wirksamkeit dieser Therapie in einem Zeitfenster von 4,5 Stunden belegt wurde. Parallel dazu wurde in Deutschland mit Unterstützung der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe das Konzept von Stroke-Units (Schlaganfall-Spezialstationen) etabliert und dann in den folgenden 20 Jahren flächendeckend eingeführt.

Primärprävention

In der Zwischenzeit gibt es eine Vielzahl von Studien zur Primärprävention des Schlaganfalls. Zweifelsfrei belegt ist die Wirksamkeit einer antihypertensiven Therapie bei Patienten mit Bluthochdruck, wobei die präventive Wirkung für zerebrale Blutungen deutlich bedeutsamer ist als für den ischämischen Insult. Die Wirksamkeit einer Cholesterin-senkenden Therapie zur Prävention des ischämischen Insults ist ebenfalls belegt, wobei hier allerdings der therapeutische Nutzen geringer ist als beim akuten Koronarsyndrom. Weitere wichtige Bausteine waren die Erkenntnisse, dass eine Einstellung des Rauchens die Schlaganfallhäufigkeit reduziert, und dass eine gesunde Ernährung ebenfalls das Schlaganfallrisiko senkt.

Akuttherapie

In der Akuttherapie wurde dann relativ rasch das Zeitfenster der systemischen Thrombolyse mit rt-PA auf 4,5 Stunden ausgeweitet. Eine ganze Reihe von initialen Kontraindikationen wie Alter über 80 Jahre, erhöhte Blutdruckwerte oder ein vorausgegangener ischämischer Insult konnten durch weitere Studien und große Register widerlegt werden. Der letzte Fortschritt war eine Ausweitung des therapeutischen Fensters für die systemische Thrombolyse bis zu neun Stunden mit funktioneller zerebraler Bildgebung. Ein Riesenfortschritt war die Einführung der mechanischen Thrombektomie mit Stentretrievern oder Aspirationskatheter bei Verschlüssen der distalen Arteria carotis interna und der proximalen Arteria cerebri media. Diese Therapie hat dramatische Auswirkungen auf die Prognose von schweren Schlaganfällen und ist in der Zwischenzeit in einem Zeitfenster von bis zu 24 Stunden etabliert.

Sekundärprävention

Auch die Sekundärprävention hat große Fortschritte gemacht. Es zeigte sich, dass eine duale Plättchenhemmung mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel über einen Zeitraum von 10 bis 21 Tagen in der Frühphase nach ischämischem Insult wirksam ist. In der Langzeit-Sekundärprävention wird aber weiterhin Acetylsalicylsäure als Monotherapie eingesetzt. Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) haben in der Zwischenzeit die Vitamin-K-Antagonisten in der Sekundärprävention des Schlaganfalls bei Patienten mit Vorhofflimmern abgelöst. Dies beruht darauf, dass das Risiko einer intrazerebralen Blutung bei den DOAK um 50 % geringer ist als bei den Vitamin-K-Antagonisten. Auch interventionelle Verfahren haben sich in der Schlaganfallprävention etabliert. So wird bei Patienten nach ischämischem Insult und Vorhofflimmern mit permanenten Kontraindikationen für eine Antikoagulation der interventionelle Verschluss des linken Vorhofohrs durchgeführt. Bei Patienten unter 60 Jahren mit kryptogenem Schlaganfall und einem großen offenen Foramen ovale hat sich gezeigt, dass ein interventioneller Verschluss des offenen Foramen ovale ebenfalls eine Schlaganfall-präventive Wirkung hat.

Trotz dieser vielfältigen therapeutischen Fortschritte, die in einem Übersichtsartikel in diesem Heft der Arzneimitteltherapie dargestellt werden (Seite 439), besteht die besondere Herausforderung darin, die Erkenntnisse aus großen randomisierten Studien und Registerstudien in den klinischen Alltag zu übertragen, um sowohl die Erstmanifestation von Schlaganfällen als auch die Sekundärprävention zu optimieren.

Arzneimitteltherapie 2019; 37(12):437-438