Morbus Parkinson im fortgeschrittenen Stadium

Was leisten ergänzende Therapien?


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Morbus Parkinson wird initial mit Dopaminagonisten oder Levodopa in Kombination mit Carbidopa behandelt. Im weiteren Verlauf der Erkrankung lässt die Levodopa-Wirkung trotz Dosissteigerungen nach, Nebenwirkungen nehmen zu. Ein mögliches Add-on für Patienten, die täglich mehr als 400 mg Levodopa benötigen und über erste motorische Komplikationen klagen, ist Safinamid. Die klinischen Ergebnisse wurden am 26. September 2019 auf einem von der Firma Zambon veranstalteten Satelliten-Symposium im Rahmen des 92. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vorgestellt.

In Deutschland leben schätzungsweise 220 000 Patienten mit Morbus Parkinson. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Aufgrund der Veränderung der Altersverteilung rechnen Experten in den kommenden Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Inzidenz [2]. Nach derzeitigem Kenntnisstand handelt es sich um eine Multisystem-Degenerationserkrankung: Neben dem dopaminergen System sind auch verschiedene nicht-dopaminerge Neurotransmittersysteme beteiligt. Die Erkrankung verläuft chronisch-progredient, klinische Symptome treten meist erst dann auf, wenn bereits 80 % des striatalen Dopamingehalts fehlen.

Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu Off-Phasen kommen, in denen sich die Symptome trotz optimaler Therapie nicht ausreichend kontrollieren lassen (Kasten).

Infokasten: On-/Off-Phase

Die On-Off-Phasen beschreiben Wirkungsfluktuationen:

  • In der On-Phase lassen sich Parkinsonsymptome gut medikamentös kontrollieren.
  • In der Off-Phase kommt es trotz optimaler medikamentöser Therapie mit Dopaminagonisten, Levodopa, Monoaminoxidase-(MAO-)B- oder Catechol-O-Methyltransferase-(COMT-)Inhibitoren zu einer verminderten Beweglichkeit oder Dyskinesien.

Dualer Wirkungsmechanismus: Safinamid reduziert Off-Phasen

Ein hochspezifischer Monoaminoxidase(MAO)-B-Inhibitor ist das seit 2015 als Add-on zu einer Levodopa-Therapie zugelassene Safinamid (Xadago®). Neben der präsynaptischen Blockade der Dopamin-Wiederaufnahme wirkt Safinamid antiglutamaterg über Blockade der spannungsabhängigen Natriumkanäle.

Studien 016 und 018

Prof. Dr. Karla Eggert, Marburg, stellte auf dem DGN-Kongress die Ergebnisse der 6-monatigen Studie 016, der 18-monatigen Verlängerungsstudie 018 sowie der SETTLE-Studie vor. Den Studien ging jeweils eine vierwöchige Stabilisierungsphase voraus, in der die Levodopa-Dosierung optimiert wurde.

In der doppelblinden Phase-III-Studie 016 wurden 669 Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom im mittleren bis späten Stadium eingeschlossen. In der Verlängerungsstudie 018 waren noch 544 Patienten dabei. Die Diagnose musste mindestens drei Jahre zurückliegen. Die Patienten waren mit Levodopa und anderen Dopaminergika vorbehandelt und wurden 1 : 1 : 1 auf drei Arme randomisiert: 50 mg/Tag sowie 100 mg/Tag Safinamid bzw. Placebo. Primäre Endpunkte waren die Veränderung der täglichen On-Zeit (016) und die Veränderungen auf der Dyskinesia Rating Scale (DRS) im On (018).

In beiden Safinamid-Gruppen kam es zu einer Verbesserung der On-Zeit (ohne oder nur mit geringer Dyskinesie) nach 24 Wochen:

  • von 9,5 auf 11,0 Stunden unter 100 mg/Tag Safinamid
  • von 9,4 auf 10,9 Stunden unter 50 mg/Tag Safinamid
  • von 9,3 auf 10,3 Stunden unter Placebo (p = 0,01 vs. 100 mg/Tag bzw. p = 0,02 vs. 50 mg/Tag Safinamid)

Der DRS-Gesamtwert im On nahm ebenfalls ab (31 % sowie 27 % Reduktion bzw. 3 % Reduktion unter 50 mg/Tag sowie 100 mg/Tag bzw. Placebo). Die durchschnittliche Änderung des DRS in Woche 78 betrug –0,19 und –0,28 bzw. +0,32 (Least squares). Der primäre Endpunkt in 018 wurde jedoch nicht erreicht (p = 0,2125 für 50 mg/Tag und p = 0,1469 für 100 mg/Tag Safinamid). Allerdings hatten 74 % der Patienten zu Beginn der Studie nur leichte oder gar keine Dyskinesien, sodass wenig Raum für Verbesserungen bestand, so Eggert. Daher wurde eine Post-hoc-Analyse durchgeführt: Bei den 242 Patienten mit moderaten bis schweren Dyskinesien bei Studienaufnahme (DRS > 4) ergab sich unter 100 mg/Tag Safinamid eine signifikante Verbesserung (DRS nach 24 Monaten: 6,4 vs. 7,0; p = 0,0317). Auch Faktoren wie emotionales Wohlbefinden und Depressionen wurden unter Safinamid signifikant verbessert, wie Post-hoc-Analysen der Studien 016/018 ergaben.

SETTLE-Studie

In der ebenfalls doppelblinden SETTLE-Studie erhielten die Patienten anfangs 50 mg/Tag Safinamid, nach 14 Tagen wurde die Dosis auf 100 mg/Tag erhöht. Primärer Endpunkt war auch hier die Änderung der On-Zeit: Nach 24 Wochen war die tägliche Gesamt-On-Zeit unter Safinamid von 9,3 auf 10,7 Stunden, unter Placebo von 9,1 auf 9,6 Stunden gestiegen (p < 0,001).

Die Reduktion der Off-Zeiten war ähnlich wie bei anderen Add-on-Therapien zu Levodopa, darunter Opicapon, Rasagilin oder Entacapon (Abb. 1).

Abb. 1. Parkinson-Krankheit: Reduktion der Off-Zeit durch verschiedene Add-on-Arzneimittel zu Levodopa. Der Vergleich basiert auf unterschiedlichen Studien, die nicht mit der Zielsetzung eines Vergleichs initiiert wurden. 1 BIPARK I [Ferreira JJ, et al. Lancet Neurol 2016]; 2 BIPARK II [Lees AJ, et al. JAMA Neurol 2017]; 3 LARGO [Rascol O, et al. Lancet 2005]; 4 SETTLE [Schapira AH, et al. JAMA Neurol 2017]; 5 Studie 018 [Borgohain R, et al. Mov Disord 2014]

Weniger Schmerzen

Auch Schmerzen waren unter Safinamid nach 24 Wochen signifikant geringer als unter Placebo, wie Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden, ausführte: Patienten, die Safinamid nahmen, benötigten etwas seltener (24 % vs. 30 %) und auch weniger Analgetika.

Aktivierende Therapien als entscheidende Begleitung

Tanzen, Yoga, Ergo- und Physiotherapie: Neben der medikamentösen Therapie haben auch nichtmedikamentöse Verfahren bei Parkinson eine hohe Bedeutung. Prof. Dr. Georg Ebersbach, Beelitz-Heilstätten, stellte unter anderem „Cueing“ als eine aktivierende Therapie vor: Mit externen Auslösern lassen sich motorische Blockaden (Freezing) überwinden.

Die veränderte Wahrnehmung unter der Erkrankung führt zu einem „underscaling“ motorischer Leistungen, zum Beispiel bei der Schrittlänge oder Körperhaltung, aber auch bei der Sprechlautstärke (Hypophonie). Eine amplitudenorientierte Therapie hat hier eine „Rekalibrierung“ zum Ziel.

Die europäische Physiotherapie-Leitlinie „Idiopathisches Parkinson-Syndrom“ [3] soll Anhaltspunkte für eine multiprofessionelle Therapie geben. Wichtig ist Ebersbach zufolge ein breites Spektrum an Therapieansätzen, die auch einen Transfer in den Alltag des Patienten erlauben. Die Dosis ist auch hier entscheidend. Es fehlt allerdings flächendeckend an spezialisierten Therapeuten.

Fazit

Safinamid kann als sicher, effizient und effektiv für die Behandlung motorischer Fluktuationen erachtet werden. Vor allem Patienten im mittleren Stadium können profitieren und es lassen sich dosisabhängige Nebenwirkungen der Dopaminergika-Therapie reduzieren. Einen wichtigen Stellenwert haben auch nichtmedikamentöse Therapien.

Quelle

Prof. Dr. Karla Eggert, Marburg, Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden, Prof. Dr. Georg Ebersbach, Beelitz-Heilstätten, Satellitensymposium „Herausforderungen bei der Parkinson-Krankheit: Was leisten ergänzende Therapien?“, veranstaltet von Zambon, im Rahmen des 92. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 26. September 2019, Stuttgart.

Literatur

1. Avila A, et al. Rasagiline and safinamide as a dopamine-sparing therapy for Parkinson‘s disease. Acta Neurol Scand 2019;140:23–31.

2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). S3-Leitlinie Idiopathisches Parkinson-Syndrom. 2016. AWMF-Register-Nummer: 030–010.

3. Keus SHJ, et al. Europäische Physiotherapie-Leitlinie zum idiopatischen Parkinson-Syndrom. 2014; KNGF/ParkinsonNet, the Netherlands.

Arzneimitteltherapie 2019; 37(12):452-467