Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart
Die Diagnose nosokomiale Pneumonie (Hospital-acquired pneumonia [HAP]) ist klinisch definiert:
- Auftreten frühestens 48 Stunden nach Krankenhausaufnahme
- Vorliegen von (mindestens) zwei von drei klinischen Kriterien (eitriges Trachealsekret; Fieber [≥ 38,3 °C]; Leukozyten > 10 000/µl oder < 4000/µl)
- Radiologische Kriterien (Nachweis eines persistierenden oder progredienten pulmonalen Infiltrats in der Röntgenthoraxuntersuchung (oder einer Computertomographie des Thorax) [1]
Eine beatmungsassoziierte Pneumonie (Ventilator-associated pneumonia [VAP]) liegt vor, wenn die Pneumonie in Zusammenhang mit einer mindestens 48-stündigen maschinellen Beatmung auftritt (Auftreten einer Hypoxämie oder/und akute Veränderungen an den Beatmungseinstellungen, um eine adäquate Oxygenierung zu ermöglichen). Davon zu unterscheiden sind die Patienten, die infolge einer nosokomialen Pneumonie beatmungspflichtig geworden sind (ventilated HAP [vHAP]); sie sind in der Regel besonders schwer erkrankt.
Ausschlaggebend für das Infektionsrisiko im Krankenhaus sind das lokale Erregerspektrum und das Vorkommen Antibiotika-resistenter Erreger, insbesondere der multiresistenten. Ein bedeutender Risikofaktor für das Auftreten multiresistenter Erreger ist der (zu) großzügige Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika.
Kalkulierte antibiotische Therapie
Gemäß S3-Leitlinie soll die kalkulierte antibiotische Therapie der nosokomialen Pneumonie nach Entnahme von adäquatem Untersuchungsmaterial (Erregernachweis, Resistenztestung) so rasch wie möglich begonnen werden, bei sepsisassoziierter Organdysfunktion sogar innerhalb einer Stunde [1]. Die Substanzauswahl soll dabei immer vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils getroffen werden.
Bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für multiresistente Erreger (MRE) gehören Aminopenicilline (mit Beta-Lactamase-Inhibitor), Cephalosporine der Gruppe 3a (Ceftriaxon, Cefotaxim) und pneumokokkenwirksame Fluorchinolone zu den empfohlenen Therapieoptionen [1].
Bei erhöhtem Risiko für Infektionen mit MRE sollen zur kalkulierten Monotherapie oder initial in Kombination eingesetzt werden: Piperacillin/Tazobactam, Cefepim, Ceftazidim (nur in Kombination mit einer gegen grampositive Erreger wirksamen Substanz), Imipenem oder Meropenem. Bei sepsisassoziierter Organdysfunktion oder/und invasiver Beatmung soll mit einem Fluorchinolon oder einem Aminoglykosid kombiniert werden, bei Verdacht auf eine MRSA-Infektion mit einer MRSA-wirksamen Substanz (Linezolid oder Vancomycin).
Die Therapie soll nach 48 bis 72 Stunden reevaluiert werden und wenn möglich deeskaliert werden. Insgesamt beträgt die Therapiedauer in der Regel 7 bis 8 Tage.
Neue Option bei nosokomialer Therapie
Als weitere Option für die kalkulierte Therapie der nosokomialen Pneumonie (einschließlich beatmungsassoziierter Pneumonie) wurde im August 2019 Ceftolozan/Tazobactam (Zerbaxa®, Kasten) in einer Dosierung von dreimal täglich 3 g i. v. (2 g Ceftolozan/1 g Tazobactam) zugelassen.
Ceftolozan/Tazobactam
Die Kombination Ceftolozan/Tazobactam ist in der Dosierung dreimal täglich 1,5 g bereits seit 2015 zur Behandlung komplizierter intraabdomineller Infektionen und komplizierter Harnwegsinfektionen verfügbar. Es wirkt gegen die hier häufig ursächlichen gramnegativen Erreger Enterobacter cloacae, Escherichia coli, Klebsiella oxytoca, K. pneumoniae, Proteus mirabilis und Pseudomonas aeruginosa, die alle auch als Erreger nosokomialer Pneumonien eine Rolle spielen, sowie gegen die grampositiven Erreger Streptococcus anginosus, S. constellatus und S. salivarius. Weitere Ceftolozan/Tazobactam-empfindliche gramnegative Erreger nosokomialer Pneumonien sind Haemophilus influenzae und Serratia marcescens.
Mit der Dosierung von dreimal täglich 3 g i. v. bleibt die durchschnittliche Ceftolozan-Konzentration in der bronchoalveolären Epithelflüssigkeit (epithelial lining fluid [ELF]) über das gesamte Dosierungsintervall > 8 mg/l, also über der minimalen Hemmkonzentration der relevanten Erreger.
Die genannten Dosierungen gelten bei einer Creatinin-Clearance > 50 ml/min; bei schlechterer Nierenfunktion sind Anpassungen erforderlich.
Grundlage für diese Zulassungserweiterung war eine multizentrische randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Nichtunterlegenheitsstudie, in der Ceftolozan/Tazobactam mit Meropenem verglichen wurde [2].
Nichtunterlegenheit vs. Meropenem
Eingeschlossen wurden erwachsene (≥ 18 Jahre) Patienten mit nosokomialer Pneumonie, die intubiert waren und mechanisch beatmet wurden. Sie erhielten über 8 bis 14 Tage alle acht Stunden
- 3 g Ceftolozan/Tazobactam (n = 362) oder
- 1 g Meropenem (n = 364) als einstündige Infusion.
Nach 28 Tagen waren in der Ceftolozan/Tazobactam-Gruppe 87 Patienten (24,0 %) verstorben, in der Meropenem-Gruppe 92 Patienten (25,3 %; primärer Endpunkt). Die gewichtete Differenz betrug 1,1 Prozentpunkte mit einem 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) von –5,1 bis 7,4; Ceftolozan/Tazobactam war demnach gegenüber Meropenem nicht unterlegen. In der Subgruppe der beatmungspflichtigen Patienten (n = 207) zeigte sich sogar ein Vorteil von Ceftolozan/Tazobactam, nicht dagegen bei den Patienten mit beatmungsassoziierter Pneumonie (n = 519).
Wichtigster sekundärer Endpunkt war die klinische Heilung bei einer Kontrolluntersuchung 7 bis 14 Tage nach Ende der Behandlung. Sie wurde in der Ceftolozan/Tazobactam-Gruppe bei 139 von 218 Patienten (63,8 %) und in der Meropenem-Gruppe bei 143 von 221 Patienten (64,7 %) erreicht. Auch hier errechnete sich eine Nichtunterlegenheit von Ceftolozan/Tazobactam.
Behandlungsbedingte Nebenwirkungen traten unter Ceftolozan/Tazobactam bei 11 % und unter Meropenem bei 8 % der Patienten auf, schwere Nebenwirkungen bei 2 % vs. 1 %.
Fazit
Ceftolozan/Tazobactam als weitere Option zur Behandlung der nosokomialen Pneumonie kann dazu beitragen, Carbapeneme in dieser Indikation einzusparen und ihnen ihre wichtige Rolle als Reserveantibiotika im Krankenhaus zu erhalten.
Quelle
Prof. Dr. Holger Rohde, Hamburg, Dr. Hartmuth Nowak, Bochum, Priv.-Doz. Dr. Dominic Wichmann, Hamburg, Satellitensymposium „Gramnegative Infektionen – Bleibt alles beim Alten?“ und Presse-Roundtable „Neue Indikation: Zerbaxa® als Therapieoption bei HAP/VAP“, veranstaltet von MSD Sharp & Dohme im Rahmen des 19. Kongresses der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Hamburg, 5. Dezember 2019.
Literatur
1. Dalhoff K, et al. S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie – Update 2017. AWMF-Register Nr. 020–013.
2. Kollef MH, et al. Ceftolozane-tazobactam versus meropenem for treatment of nosocomial pneumonia (ASPECT-NP): a randomised, controlled, double-blind, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Infect Dis 2019;19:1299–311. Epub 2019 Sep 25.
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Arzneimitteltherapie 2020; 38(03):110-113