Dr. Annette Junker, Wermelskirchen
Die direkten oralen Antikoagulanzien Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban werden eingesetzt zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern und/oder für die Behandlung und Sekundärprävention von VTE wie tiefe Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien. ASS wird eingesetzt zur Primärprävention von Herzinfarkten, Schlaganfall und Darmkrebs. Einer DOAK-Therapie ASS hinzuzufügen ist oft angebracht nach akuten Koronarsyndromen oder perkutaner Koronarintervention. Viele Patienten erhalten aber orale Antikoagulanzien plus ASS, ohne dass es eine eindeutige Notwendigkeit für die Kombination gibt. Bislang zur Verfügung stehende Daten weisen darauf hin, dass das Blutungsrisiko von Patienten, die Warfarin und ASS bekommen hatten, erhöht war. Der Zusammenhang zwischen gleichzeitiger Gabe von DOAK und ASS ist bislang in klinischen Studien noch nicht ausreichend untersucht worden. Das war der Anlass für die jetzt vorgestellte Kohortenstudie.
Die Kohortenstudie der Universität von Michigan
Die Forscher der Michigan Anticoagulation Quality Improvement Initiative (MAQI2) rekrutierten für diese Analyse erwachsene Patienten, die zwischen Januar 2009 und Juni 2019 an einer der sechs Antikoagulationskliniken in Michigan mit DOAK behandelt worden waren.
Die Forscher fokussierten sich auf zwei Gruppen von je 639 zusammenpassenden Patienten mit vergleichbarer Demographie, Komorbiditäten und ähnlicher Komedikation. Diese hatten entweder nur DOAK oder DOAK plus ASS bekommen. An DOAK waren Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban mit unterschiedlichen Dosierungen eingesetzt worden. Die meisten (90,3 %) der Patienten, die ASS eingenommen hatten, hatten davon eine geringe Dosis (≤ 100 mg/Tag) genommen. Nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 15,2 Monaten zeigte sich, dass es verglichen mit den Patienten, die nur einen DOAK genommen hatten, bei denen mit DOAK plus ASS in 319 versus 261 Fällen zu Blutungen gekommen war. Das entspricht einem Sprung von 22 % innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 15 Monaten (p = 0,02). Dieser Unterschied kam wesentlich durch klinisch-relevante, nicht größere Blutungen (clinically relevant non-major bleeding events = CRNMB) zustande. Sie waren fast 40 % häufiger bei der dualen Therapie (Tab. 1). Diese Blutungen zeigten sich am häufigsten als blaue Flecken oder als intestinale Blutungen oder im Urogenitaltrakt. Die Raten an Thrombosen, die sich als Schlaganfall, VTE und/oder Herzinfarkt zeigten, waren in den beiden Gruppen aber fast gleich (19 vs. 18). Patienten der Kombinationsgruppe kamen auf mehr Intensivstationstage und Krankenhaustage – hauptsächlich wegen ihrer Blutungen. Dieser Unterschied erreichte aber keine statistische Signifikanz.
Tab. 1. Vergleich der beiden Studienkohorten DOAK vs. DOAK+ASS [nach Schaefer et al. 2019]
DOAK Mono (n = 539) [n (%)] |
DOAK plus ASS (n = 539) [n (%)] |
p-Wert |
|
Neue Thrombose |
18 (2,8) |
19 (2,9) |
1,00 |
|
4 (0,6) |
3 (0,5) |
1,00 |
|
2 (0,3) |
2 (0,3) |
1,00 |
|
3 (0,5) |
1 (0,1) |
0,63 |
|
4 (0,6) |
7 (1,1) |
0,55 |
|
1 (0,2) |
0 (0,0) |
– |
Neue Blutungen |
261 (40,8) |
319 (49,9) |
0,02 |
|
2 (0,3) |
0 (0,0) |
0,50 |
|
10 (1,6) |
14 (2,2) |
0,54 |
|
30 (4,7) |
31 (4,9) |
1,00 |
|
109 (17,1) |
151 (23,6) |
0,01 |
|
209 (32,7) |
265 (41,5) |
0,01 |
|
5 (0,7) |
3 (0,5) |
0,73 |
Einweisung auf Intensivstation |
118 (18,5) |
145 (22,7) |
0,11 |
Krankenhausaufenthalt |
73 (11,4) |
95 (14,9) |
0,10 |
|
61 (9,5) |
82 (12,8) |
0,09 |
|
12 (1,9) |
13 (2,0) |
1,00 |
Es fällt auf, dass sich nur die Blutungsrisiken statistisch signifikant unterscheiden, nämlich zu Ungunsten der Kombination, nicht aber die Risiken für neue Thrombosen; ASS: Acetylsalicylsäure; DOAK: direktes orales Antikoagulans
Fazit der Autoren
Von den 2045 Patienten, die in der vorgestellten Studie beobachtet wurden, nahmen fast ein Drittel (647) ASS, obwohl es keine klare Indikation gab. Bei einer ähnlichen Rate von Schlaganfällen, Herzinfarkten und VTE kam es dadurch zu mehr Blutungen. Leider, so Studienautor Dr. Jordan Schaefer, University of Michigan, gebe es weiterhin eine große Zahl an Patienten, die regelmäßig eigenständig ASS einnähmen, zumal es ohne Rezept erhältlich ist. In weiteren Studien sollte erforscht werden, ob die Kombination aus DOAK plus ASS sicherer als die Kombination aus Warfarin plus ASS ist und ob es Unterschiede in Bezug auf die einzelnen DOAK gibt. Bis es dazu Ergebnisse gäbe, sollten aber die Kliniker auf jeden Fall erfragen, ob der Patient eigenständig ASS nimmt und ihn darauf hinweisen, dass eine duale Therapie aus DOAK plus ASS oft mehr schadet als nutzt. Eine Entscheidung dafür oder dagegen müsse vom Kliniker sorgfältig erwogen werden.
Quelle
Schaefer JK, et al. Impact of adding aspirin to direct oral anticoagulant therapy without an apparent indication. ASH 2019, abstract 787.
Arzneimitteltherapie 2020; 38(04):150-162