Sekundärprävention des Schlaganfalls

Randomisierte Studie zu einem Schulungsprogramm für Patienten mit TIA und leichtem Schlaganfall (INSPiRE-TMS)


Veröffentlicht am: 27.03.2020

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Ein strukturiertes Nachsorgeprogramm bei Patienten mit leichtem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) führte zu einer besseren Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren. Das Programm hatte allerdings keinen Einfluss auf die Häufigkeit schwerwiegender vaskulärer Ereignisse und die Sterblichkeit.

Patienten mit TIA und leichtem ischämischen Insult haben ein erhebliches Risiko, in den ersten Jahren nach dem initialen Ereignis ein weiteres oder neues vaskuläres Ereignis zu erleiden [1]. Daher wird neben einer antithrombotischen Therapie eine stringente Erfassung und Therapie vaskulärer Risikofaktoren empfohlen. Die Umsetzung der Therapieziele scheitert allerdings häufig im klinischen Alltag. Daher wäre es wichtig zu wissen, ob ein strukturiertes Nachsorgeprogramm die Compliance mit Maßnahmen der Sekundärprävention verbessern kann und ob dies zu einer Reduktion vaskulärer Ereignisse führt.

Studiendesign

Die Studie, die von der Charité in Berlin koordiniert wurde, war eine offene, multizentrische, internationale, randomisierte und kontrollierte Studie, die an sieben Schlaganfallstationen in Deutschland und einer Stroke-Unit in Dänemark durchgeführt wurde (Tab. 1). Eingeschlossen wurden Patienten mit einem leichten bis mittelschweren Schlaganfall oder einer TIA und mindestens einem behandelbaren vaskulären Risikofaktor. Der Studieneinschluss musste innerhalb von zwei Wochen nach dem ersten Ereignis stattfinden.

Tab. 1. Studiendesign INSPiRE-TMS [nach Ahmadi et al. 2020]

Erkrankung

Leichter Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke (TIA)

Studientyp/Design

Randomisiert, unverblindet

Patienten

2098

Intervention

  • Unterstützungsprogramm
  • Ambulante Regelversorgung

Primärer Endpunkt

Kombination schwerwiegender vaskulärer Ereignisse

Sponsor

Charité University, Berlin, Germany

Studienregisternummer

NCT 01586702
(ClinicalTrials.gov
)

Die eine Hälfte der Patienten wurde zu einem Nachsorgeprogramm randomisiert. Dieses Programm enthielt acht ambulante Termine über zwei Jahre mit den folgenden Zielen:

  • Aufklärung über Risikofaktoren
  • Überprüfung von Risikofaktoren
  • Behandlungsoptimierung

Die andere Hälfte der Patienten verblieb in der ambulanten Regelversorgung.

Der primäre Endpunkt der Studie war die Kombination schwerwiegender vaskulärer Ereignisse wie Schlaganfall, akutes Koronarsyndrom oder vaskulärer Tod.

Ergebnisse

Von August 2011 bis Oktober 2017 wurden 2098 Patienten in die Studie aufgenommen. Davon waren je 50 % der Gruppe des Unterstützungsprogramms oder der ambulanten Regelversorgung zugeordnet worden. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 67,4 Jahre und 700 (34 %) der Teilnehmer waren Frauen. Von den Patienten hatten 87 % eine arterielle Hypertonie, 24 % einen Diabetes mellitus, 17 % Vorhofflimmern und 25 % waren Raucher.

Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 3,6 Jahren betrug die Zahl der Patienten, die den primären Endpunkt erreichten,

  • 163/1030 (15,8 %) in der Gruppe des Unterstützungsprogramms und
  • 175/1042 (16,8 %) in der Gruppe der konventionellen Versorgung

(Hazard-Ratio [HR] 0,92; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,75–1,14).

Die Gesamtzahl der vaskulären Ereignisse betrug 209 für die Interventionsgruppe und 225 für die Gruppe der konventionellen Versorgung (Verhältnis Inzidenzrate 0,93; 95%-KI 0,77–1,12; p = 0,46).

Die Gesamtsterblichkeit betrug 7,1 % bei den Patienten in der Unterstützungsgruppe und 8,2 % bei den Patienten in der konventionellen Behandlungsgruppe (HR 0,85; 95%-KI 0,62–1,17).

In der Gruppe des Unterstützungsprogramms erreichten mehr Patienten die vorgegebenen Ziele der Sekundärprävention; z. B. im 1-Jahres-Follow-up 52 % vs. 42 % (p < 0,0001) für den Blutdruck, 62 % vs. 54 % (p = 0,0010) für LDL, 33 % vs. 19 % (p < 0,0001) für körperliche Aktivität und 51 % gegenüber 34 % (p = 0,0010) für die Raucherentwöhnung.

Kommentar

Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse dieser gut geplanten Studie ernüchternd. Es erscheint, als ob ein strukturiertes Nachsorgeprogramm bei Patienten mit TIA und leichtem Schlaganfall nicht in der Lage ist, weitere schwerwiegende vaskuläre Ereignisse zu verhindern. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass Patienten in der Kontrollgruppe durch ihre Hausärzte und Internisten so gut behandelt wurden, dass kein signifikanter Unterschied gegenüber der Interventionsgruppe zu erreichen war. Bei der Analyse der einzelnen Endpunkte zeigten sich für Schlaganfall keine Unterschiede und nur minimale Unterschiede für das akute Koronarsyndrom und den vaskulären Tod. Der größte Unterschied zwischen der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe liegt beim nichtvaskulären Tod, einem Zielereignis, das durch Therapie nicht zu beeinflussen ist. Die Ergebnisse der Studien sollten allerdings nicht die Konsequenz haben, dass Patienten nach TIA und ischämischem Insult nicht engmaschig und optimal betreut werden. Vaskuläre Risikofaktoren müssen soweit wie möglich behandelt werden.

Quelle

Ahmadi M, et al. A support programme for secondary prevention in patients with transient ischaemic attack and minor stroke (INSPiRE-TMS): an open-label, randomised controlled trial. Lancet Neurol 2020;19:49–60.

Literatur

1. Amarenco P, et al. Five-year risk of stroke after TIA or minor ischemic stroke. N Engl J Med 2018;378:2182–90.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(04):150-162