Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
In präklinischen Modellen kann Ingwer die Prostaglandinbiosynthese hemmen und hat damit einen ähnlichen Wirkungsmechanismus wie nichtsteroidale Antirheumatika. Eine kleinere Studie hatte in der Vergangenheit gezeigt, dass die Zugabe von Ingwer zu Ketoprofen zu einer additiven Schmerzlinderung führt. Die Wirksamkeit von Ingwer in der Migräneprophylaxe sollte in der vorliegenden Studie untersucht werden.
Es handelte sich um eine doppelblinde, Placebo-kontrollierte, randomisierte Studie, die in Brasilien durchgeführt wurde (Tab. 1). Eingeschlossen wurden 107 Patienten mit episodischer Migräne, die keine Migräneprophylaktika einnahmen. Nach einer 4-wöchigen Baseline-Phase wurden die Patienten randomisiert und erhielten entweder täglich 3-mal 200 mg Ingwer-Extrakt oder Placebo über einen Zeitraum von drei Monaten. Erfasst wurden die Migränetage und die Adhärenz zur Therapie.
Tab. 1. Studiendesign
Erkrankung |
Episodische Migräne |
Studienziel |
Wirksamkeit von Ingwer in der Migräneprophylaxe |
Studientyp/Design |
Randomisiert, Placebo-kontrolliert, interventionell, Phase III |
Patienten |
107 |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Anzahl Migräneattacken pro Monat |
Sponsor |
Firmenunabhängig |
Studienregisternummer |
54 Patienten wurden zu Placebo und 53 zu Ingwer randomisiert. Auswertbare Daten standen für 46 Patienten in der Placebo-Gruppe und 39 in der Ingwer-Gruppe zur Verfügung. Die Patienten waren im Mittel 32 Jahre alt und 85 % waren Frauen. Die mittlere Zahl der Migräneattacken betrug fünf pro Monat. Die Migräne bestand im Mittel seit 12 Jahren. Die 50%-Responderrate – die Zahl der Patienten mit einer mindestens 50%igen Reduktion der Migräneattacken pro Monat – betrug 42 % in der Ingwer-Gruppe und 39 % in der Placebo-Gruppe. Bezüglich sekundärer Endpunkte wie dem HIT-6 (Kopfschmerz-bedingte Einschrän-kung) und MIDAS (Beeinträchtigung im Alltag durch die Migräne) ergaben sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Bei den Nebenwirkungen war lediglich Sodbrennen bei Ingwer häufiger als bei Placebo. Die Adhärenz zur Therapie war gut.
Kommentar
Viele Patienten brechen eine medikamentöse Migräneprophylaxe mit den traditionellen Migräneprophylaktika wie Betablockern, Flunarizin, Amitriptylin oder Antiepileptika ab, da sie die entsprechenden Medikamente nicht gut tolerieren. Daher hat es Sinn, pflanzliche Präparate in der Migräneprophylaxe zu untersuchen. Wirksam und gut verträglich in der Prophylaxe der episodischen Migräne sind Mutterkraut und Pestwurzextrakt (Petadolex), die aber in Deutsch-land nicht verfügbar sind. Die vorliegende Studie ergibt allerdings leider keinen Hinweis darauf, dass Ingwer in der Migräneprophylaxe wirksam ist. Die Kombination von Vitamin B2, Magnesium und Coenzym Q10 reduziert aber zumindest die Schwere der Attacken, wenn auch nicht die Häufigkeit [1].
Quelle
Martins LB, et al. Double-blind placebo-controlled randomized clinical trial of ginger (Zingiber officinale rosc.) in the prophylactic treatment of migraine. Cephalalgia 2020;40 : 88–95.
Literatur
1. Gaul C, et al.; Migravent® Study Group. Improvement of migraine symptoms with a proprietary supplement containing riboflavin, magnesium and Q10: a randomized, placebo-controlled, double-blind, multicenter trial. J Headache Pain 2015;16 : 32.
Arzneimitteltherapie 2020; 38(05):200-209