Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Etwa 2,5 % der Patienten, die auf Intensivstationen behandelt werden, entwickeln eine obere gastrointestinale Blutung. Um dies zu vermeiden, erhalten rund 70 % eine Stressulkus-Prophylaxe, häufig mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI), aber auch mit Histamin-H2-Rezeptorantagonisten. Diese werden je nach Präferenz der Klinik und des behandelten Arztes eingesetzt.
PPI sollen zwar gastrointestinale Blutungen besser als H2-Blocker reduzieren, sind aber gleichzeitig mit einem höheren Risiko für eine Pneumonie und für eine Infektion mit Clostridioides difficile assoziiert. Zudem wirken sie immunsuppressiv, die klinische Bedeutung dieses Effekts ist bislang aber unklar. Die Wirkung der unterschiedlichen Prophylaxestrategien auf die Sterblichkeit war bisher noch nicht in ausreichend gepowerten Studien an Intensivpatienten untersucht worden.
Daher wurden in der PEPTIC-Studie (Proton pump inhibitors vs histamine-2 receptor blockers for ulcer prophylaxis treatment in the intensive care unit) der Effekt von PPI und H2-Inhibitoren bei beatmeten Intensivpatienten auf die Krankenhaussterblichkeit innerhalb von 90 Tagen verglichen [1, 2].
Design der PEPTIC-Studie
An der offenen Cluster-randomisierten Cross-over-Studie nahmen in fünf Ländern 50 Intensivstationen mit 26 982 mechanisch beatmeten Patienten teil (Tab. 1). In der Cluster-Studie waren die 50 Intensivstationen randomisiert, nicht jedoch die einzelnen Patienten. Die Intensivstationen wendeten bei Verordnung einer Stressulkus-Prophylaxe standardmäßig über sechs Monate PPI, gefolgt von sechs Monaten H2-Inhibitor oder sechs Monate H2-Inhibitor gefolgt von sechs Monaten PPI an. Letztendlich entschied aber der behandelnde Arzt, welche Therapie der Patient erhielt. Trat eine gastrointestinale Blutung auf, wurde diese mit einem PPI behandelt. Die Prophylaxe dauerte so lange, bis der Patient von der Intensivstation entlassen wurde, bis eine klinisch bedeutsame gastrointestinale Blutung auftrat, bis der Arzt das Ende der Prophylaxe anordnete oder bis der Patient verstarb.
Tab. 1. Studiendesign der PEPTIC-Studie
Erkrankung |
Stressulkus-Prophylaxe |
Studienziel |
Effekt von PPI und H2-Blockern bei beatmeten Intensivpatienten auf die Krankenhaussterblichkeit |
Studientyp |
Offene Cluster-randomisierte Cross-over-Studie |
Patienten |
26 982 Patienten auf 50 Intensivstationen |
Intervention |
PPI oder H2-Blocker |
Primärer Endpunkt |
Krankenhaussterblichkeit innerhalb der ersten 90 Tage |
Sponsor |
Firmenunabhängig |
Studienregister-Nr. |
ACTRN12616000481471 (anzctr.org.au) |
PPI: Protonenpumpeninhibitoren
Primärer Endpunkt war die Krankenhaussterblichkeit innerhalb von 90 Tagen nach der Aufnahme auf die Intensivstation. Zu den sekundären Endpunkten gehörten gastrointestinale Blutungen, Infektionen mit C. difficile sowie Liegedauer auf der Intensivstation und im Krankenhaus.
Ähnliche Sterblichkeit mit beiden Therapiestrategien
Zwischen August 2016 und Januar 2019 wurden 26 982 Patienten in Australien, Kanada, England, Irland und Neuseeland in die Studie aufgenommen. Für die Auswertung wurden die Daten von 26 828 Patienten berücksichtigt, von denen 13 436 der PPI-Gruppe und 13 392 der H2-Blocker-Gruppe zugeordnet worden waren. Sie waren im Mittel 38 Jahre alt. 36,1 % waren Frauen. 32,9 % kamen nach einer elektiven Operation und 18,4 % nach einem Notfalleingriff auf die Intensivstation.
Von den Patienten der PPI-Gruppe erhielten 82,5 % einen PPI, 4,1 % einen H2-Blocker, 1,9 % PPI und H2-Blocker sowie 11,5 % keine Stressulkus-Prophylaxe. In der H2-Blocker-Gruppe erhielten 63,6 % einen H2-Blocker, 20,1 % einen PPI, 5,1 % PPI und H2-Blocker und 11,2 % keine Prophylaxe.
In der PPI-Gruppe starben 18,3 % der Patienten, in der H2-Blocker-Gruppe waren es 17,5 % (Rate-Ratio [RR] 1,05; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,00–1,10). Die absolute Risikodifferenz betrug 0,93 Prozentpunkte (95%-KI 0,01–1,88 Prozentpunkte; p = 0,054). Die Ergebnisse des primären Endpunkts erwiesen sich bei unterschiedlichen Analysemethoden als robust.
Auch bei den sekundären und tertiären Endpunkten gab es wenig Unterschiede (Tab. 2).
Tab. 2. Primäre, sekundäre und tertiäre Endpunkte in der PEPTIC-Studie [1, 2]
Endpunkt |
PPI |
H2-Blocker |
Relatives Risiko (95%-KI) |
Absolute Risiko-differenz |
p-Wert |
NNT/NNH |
Krankenhaussterblichkeit bis Tag 90 [Anteil Patienten] |
18,3 % |
17,5 % |
1,05 (1,00–1,10) |
0,92 |
0,054 |
125 |
Gastrointestinale Blutungen [Anteil Patienten] |
1,3 % |
1,8 % |
0,73 (0,57–0,92) |
–0,51 |
0,009 |
200 |
C.-difficile-Infektion [Anteil Patienten] |
0,30 % |
0,43 % |
0,74 (0,51–1,09) |
–0,11 |
0,13 |
769 |
Zeit auf Intensivstation (Median) [d] |
3,6 |
3,3 |
0,83 |
|||
Zeit im Krankenhaus (Median) [d] |
12,2 |
12,0 |
0,66 |
|||
Zeit bis zur Extubation [h] |
48,0 |
48,0 |
0,43 |
KI: Konfidenzintervall; NNH: Number needed to harm; NNT: Number needed to treat: PPI: Protonenpumpeninhibitoren
Die geringe absolute Risikoreduktion bedingt eine hohe Number needed to treat bzw. Number needed to harm.
Fazit der Autoren
Aufgrund des Cross-over der Therapiestrategien ist eine Interpretation der Studienergebnisse nach Meinung der Autoren nur begrenzt möglich.
Fazit des Diskutanten
Priv.-Doz. Dr. Morten Hylander Møller, Abteilung für Innere Medizin, Reichshospital, Kopenhagen (Dänemark), beglückwünschte als Diskutant beim CCR-Meeting die Autoren zu dieser pragmatischen Studie. Er bezeichnete sie als „phantastische Studie von hoher Qualität“. Sie habe eine klinisch wichtige Frage mit für den Patienten wichtigen Outcomes untersucht und zu konsistenten Ergebnissen geführt. Die hohe Patientenzahl und die realistische Größe des Effekts waren weitere Pluspunkte auf seiner Liste.
Kritikpunkte sind seiner Meinung nach das offene Design und die kurze Dauer der Stressulkus-Prophylaxe mit weniger als drei Tagen. Auch das geplante und ungeplante Cross-over sah er als problematisch an, denn es „verdünnt die Ergebnisse“. Die Ergebnisse seien jedoch im Vergleich zu anderen Studien robust.
Die große Frage sei aber, wie man nun in der Praxis vorgehen solle. Bei einer Stressulkus-Prophylaxe mit PPI sei im Vergleich zu H2-Blockern das Risiko für eine Pneumonie und das Sterberisiko leicht erhöht, das Risiko für gastrointestinale Blutungen gesenkt. Bei Behandlung mit H2-Blockern im Vergleich zu PPI sei es gerade umgekehrt. Seine Empfehlung lautete daher, dass man sich nach dem Patienten richten solle.
Eine Reihe von Fragen sei noch offen, beispielsweise die Rolle der enteralen Ernährung und weiterer Risikofaktoren, die Langzeitwirkungen sowie die Kosten.
Quellen
1. The PEPTIC Investigators for the Australian and New Zealand Intensive Care Society Clinical Trials Group, et al. Effect of stress ulcer prophylaxis with proton pump inhibitors vs histamine-2 receptor blockers on in-hospital mortality among ICU patients receiving invasive mechanical ventilation. The PEPTIC Randomized Clinical Trial. JAMA 2020, online publiziert am 17. Januar 2020. https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2759412.
2. Young P. Critical Care Reviews Meeting 2020, Belfast, 17. Januar 2020; https://vimeo.com/383968980.
Arzneimitteltherapie 2020; 38(05):200-209