Therapie venöser Thromboembolien

Apixaban versus Dalteparin bei Patienten mit malignen Tumoren: die CARAVAGGIO-Studie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten Studie war orales Apixaban subkutanem Dalteparin zur Behandlung venöser Thromboembolien bei Patienten mit malignen Tumoren nicht unterlegen. Das Risiko schwerwiegender Blutungen war ähnlich hoch.

Patienten mit malignen Tumoren haben ein hohes Risiko für venöse Thromboembolien und Lungenembolien. Aktuelle Leitlinien empfehlen den Einsatz von niedermolekularem Heparin für die Behandlung von venösen Thromboembolien bei Patienten mit malignen Tumoren [2]. Als Alternative kommen bei Patienten ohne erhöhtes Risiko schwerwiegender Blutungen durch gastrointestinale oder urogenitale Tumoren auch Rivaroxaban oder Edoxaban in Betracht [2]. Mit der vorliegende Studie wollten die Autoren den Nutzen von Apixaban (Eliquis®) im Vergleich zu Dalteparin (Fragmin®) bei Patienten mit venösen Thromboembolien und maligner Grunderkrankung untersuchen.

Studiendesign

Es handelte sich um eine multinationale randomisierte Studie [1] (Tab. 1). Sie hatte ein offenes Design mit verblindeter Bewertung der Endpunkte. Patienten mit malignen Tumoren, die eine symptomatische oder zufällig entdeckte proximale tiefe Beinvenenthrombose oder eine Lungenembolie hatten, erhielten entweder Apixaban oder Dalteparin. Apixaban wurde zweimal täglich in einer Dosis von 10 mg für die ersten sieben Tage gegeben, gefolgt von 5 mg 2-mal täglich. Dalteparin wurde in einer Dosis von 200 I. E. pro Kilogramm Körpergewicht 1-mal täglich im ersten Monat gegeben und einer Dosis von 150 I. E. pro Kilogramm Körpergewicht 1-mal täglich subkutan für die folgende Zeit. Die Behandlung erfolgte über sechs Monate. Der primäre Endpunkt der Studie war die Häufigkeit erneuter venöser Thromboembolien. Der primäre Sicherheitsendpunkt war die Häufigkeit schwerwiegender Blutungskomplikation.

Tab. 1. Design der CARAVAGGIO-Studie [nach Agnelli et al. 2020]

Erkrankung

Venöse Thromboembolien bei malignen Tumoren

Studientyp/Design

Randomisiert, open-Label, verblindete Bewertung

Intervention

  • Apixaban 2-mal
    5 mg/Tag
    (n = 576)
  • Dalteparin
    200 I. E./kg KG/Tag (n = 579)

Primärer Endpunkt

Rezidivierende venöse Thromboembolie

Sponsor

Bristol-Myers Squibb–Pfizer Alliance

Studienregisternummer

NCT 03045406
(ClinicalTrials.gov)

KG: Körpergewicht

Ergebnisse

Die Studie schloss 1071 Patienten ein. 576 wurden mit Apixaban und 579 mit Dalteparin behandelt. Das mittlere Alter betrug 67 Jahre. 54 % der Patienten hatten eine Lungenembolie erlitten und 47 % eine tiefe Beinvenenthrombose.

Rezidivierende venöse Thromboembolien traten bei 32 von 576 Patienten (5,6 %) in der Apixaban-Gruppe auf und bei 46 von 579 Patienten (7,9 %) in der Dalteparin-Gruppe (Hazard-Ratio 0,63; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,37–1,07; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit). Bei 22 Patienten (3,8 %) in der Apixaban-Gruppe und bei 23 Patienten in der Dalteparin-Gruppe (4,0 %) traten schwerwiegende Blutungskomplikationen auf (Risk-Ratio 0,82; 95 %KI 0,40–1,69; p = 0,60). Die Häufigkeit schwerwiegender gastrointestinaler Blutungen war ebenso wie die Häufigkeit nicht gastrointestinaler Blutungen nicht unterschiedlich.

Kommentar

Patienten mit malignen Tumoren und venösen Thromboembolien haben ein hohes Rezidivrisiko. Dies lag in der vorliegenden Studie bei einer Beobachtungszeit von sechs Monaten bei durchschnittlich 5,6 % bis 7,9 %. Die Wirksamkeit niedermolekularer Heparine zur Behandlung von venösen Thromboembolien bei Patienten mit malignen Tumoren ist gut belegt. Nachteil ist allerdings, dass die Gabe subkutan erfolgen muss. Daher werden orale Alternativen in Form von direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) untersucht. Die CARAVAGGIO-Studie zeigte einen starken Trend zugunsten von Apixaban im Vergleich zu Dalteparin für die Prävention erneuter venöser Thromboembolien, wobei der Unterschied die statistische Signifikanz knapp verfehlte. Beruhigend ist die Beobachtung, dass es keinen Unterschied für schwerwiegende Blutungskomplikation zwischen Apixaban und Dalteparin gab. Ein Drittel der Patienten hatten gastrointestinale Tumoren. Dies ist relevant, da in der Studie mit Edoxaban [3] ein erhöhtes Risiko gastrointestinaler Blutungen bei Patienten mit gastrointestinalen Tumoren und Edoxaban beobachtet worden war. Zusammengefasst stellen DOAK wie Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban eine Alternative zu niedermolekularem Heparin bei Patienten mit venösen Thromboembolien und malignen Tumoren dar, deren Nierenfunktion normal ist (Creatinin-Clearance > 30 ml/min).

Quelle

Agnelli G, et al. Apixaban for the treatment of venous thromboembolism associated with cancer. N Engl J Med 2020. Mar 29. doi: 10.1056/NEJMoa1915103. [Epub ahead of print].

Literatur

1. Agnelli G, et al. Apixaban versus dalteparin for the treatment of acute venous thromboembolism in patients with cancer: The Caravaggio Study. Thromb Haemost 2018;118:1668–78.

2. Farge D, et al. 2019 International clinical practice guidelines for the treatment and prophylaxis of venous thromboembolism in patients with cancer. Lancet Oncol 2019;20:e566–e81.

3. Raskob GE, et al. Edoxaban for the treatment of cancer-associated venous thromboembolism. N Engl J Med 2018;378:615–24.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(06):249-263