Behandlung fokaler epileptischer Anfälle

Signifikant weniger Anfälle unter Cenobamat


Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Im März 2020 hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA den Zulassungsantrag für den antiepileptischen Wirkstoff Cenobamat akzeptiert [1]. In den USA ist dieser seit November 2019 unter dem Handelsnamen Xcopri® zur Zusatztherapie bei Erwachsenen mit unzureichend kontrollierten fokalen epileptischen Anfällen zugelassen [2, 3]. In einer der zulassungsrelevanten Phase-II-Studien reduzierte Cenobamat die Anfallsfrequenz signifikant stärker als Placebo, die Ansprechraten lagen ebenfalls signifikant höher als unter dem Scheinmedikament.

Das Ziel einer Therapie mit Antiepileptika ist die Anfallsfreiheit. In Europa erreichen etwa 40 % der Patienten mit fokalen Anfällen dieses Ziel nicht, obwohl sie zum Teil mehr als einen Wirkstoff einnehmen. Daher besteht ein Bedarf an neuen Substanzen.

Der genaue Wirkungsmechanismus von Cenobamat ist noch nicht bekannt. Man vermutet als Wirkprinzip eine Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle und eine Modulation der GABA-gesteuerten Neurotransmission. Dadurch könnte die Übererregung von Nervenzellen verringert werden [1].

Studiendesign

Cenobamat wurde in den USA bislang in drei abgeschlossenen multinationalen Studien mit insgesamt 1900 erwachsenen Patienten mit unkontrollierten fokalen epileptischen Anfällen geprüft.

In eine der beiden Placebo-kontrollierten Phase-II-Studien hatte man Patienten im Alter zwischen 18 und 70 Jahren eingeschlossen, die trotz Therapie mit ein bis drei Antiepileptika keine Anfallsfreiheit erreichten (Tab. 1). Sie erhielten als Zusatztherapie einmal täglich entweder 100 mg (n = 108), 200 mg (n = 110) bzw. 400 mg Cenobamat (n = 111) oder Placebo (n = 108). Die Studie umfasste eine 6-wöchige Titrations- und eine 12-wöchige Erhaltungsphase.

Tab. 1. Studiendesign [Krauss et al. 2020]

Erkrankung

Unkontrollierte, fokale epileptische Anfälle

Studientyp/Design

Randomisiert, doppelblind, Phase II

Intervention

  • 100 mg Cenobamat (n = 108)
  • 200 mg Cenobamat (n = 110)
  • 400 mg Cenobamat (n = 111)
  • Placebo (n = 108)

Primärer Endpunkt

  • Prozentuale Veränderung in der Häufigkeit von Anfällen
  • Responderrate

Sponsor

SK Life Science

Studienregisternummer

NCT 01866111
(ClinicalTrials.gov)

Der primäre Endpunkt umfasste die prozentuale Veränderung in der Häufigkeit von Anfällen (bewusst und unbewusst erlebte fokale Anfälle und fokal bis bilateral tonisch-klonische Anfälle) über 28 Tage, außerdem die Zahl der Patienten, bei denen in der Erhaltungsphase die Anfallshäufigkeit um mindestens 50 % sank (Responderrate). Für alle randomisierten Patienten prüfte man die Sicherheit und Verträglichkeit der Behandlung.

Ergebnisse der Studie

Die mittlere Anfallshäufigkeit nahm in der Placebo-Gruppe um 24 % ab. Signifikant stärker waren die Veränderungen in den drei Dosisgruppen ausgeprägt: unter 100 mg 35,5 % (p = 0,0071) und unter 200 mg und 400 mg jeweils 55 % (p < 0,0001).

Die Responderrate lag in der Erhaltungsphase unter Placebo bei 25 %, unter 100 mg bei 40 % (p = 0,037), unter 200 mg bei 56 % und unter 400 mg bei 64 % (jeweils p < 0,0001).

Anfallsfreiheit erreichten in der Erhaltungsphase 1 % der Patienten unter Placebo sowie 4 %, 11 % und 21 % unter 100 mg, 200 mg und 400 mg Cenobamat.

Sicherheit

Behandlungsbedingte Nebenwirkungen – am häufigsten Somnolenz, Schwindel und Kopfschmerzen – beobachtete man in der Placebo-Gruppe bei 70 %, unter 100 mg bei 65 %, unter 200 mg bei 76 % und unter 400 mg bei 90 % der Patienten. In der 200-mg-Gruppe trat ein schwerer Fall des DRESS-Syndroms (Drug rash with eosinophilia and systemic symptoms) auf. Bei dieser potenziell tödlichen Überempfindlichkeitsreaktion kommt es beispielsweise zu Fieber, Hautausschlägen und einem Anstieg der Leberwerte. Die Studienautoren vermuten, dass ein zu schnelles Auftitrieren der Dosis das Risiko für ein DRESS-Syndrom erhöht.

Weitere Untersuchungen

Wegen der hohen Ansprechraten in dieser und einer weiteren Phase-II-Studie hatte die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) das Ende der Phase-III-Studie mit Cenobamat vor der Zulassung nicht abgewartet. In dieser großangelegten, noch nicht abgeschlossenen Untersuchung mit 1345 Patienten wird der Wirkstoff in einer niedrigeren Anfangsdosis und mit langsameren Titrationsschritten untersucht [4]. Die derzeit in den USA empfohlene Dosierung von Cenobamat beträgt in der Erhaltungsphase einmal täglich 200 mg. Einige Patienten könnten auch die Höchstdosis von 400 mg benötigen. In jedem Fall ist es wichtig, Cenobamat langsam aufzutitrieren [2].

Quelle

Krauss GL, et al. Safety and efficacy of adjunctive cenobamate (YKP3089) in patients with uncontrolled focal seizures: a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, dose-response trial. Lancet Neurol 2020;19:38–48.

Literatur

1. European Medicines Agency accepts Arvelle Therapeutics’ Marketing Authorization Application for cenobamate for the adjunctive treatment of focal-onset seizures in adults. Meldung von SK Biopharmaceuticals vom 26. März 2020, https://www.sklifescienceinc.com/pdf/European_Medicines_Agency_Accepts_Arvelle_Therapeutics_Marketing_Authorization_Application_for_Cenobamate.pdf (Zugriff am 9. April 2020).

2. FDA approves new treatment for adults with partial-onset seizures. Pressemitteilung vom 21. November 2019, https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-new-treatment-adults-partial-onset-seizures (Zugriff am 9. April 2020).

3. Keam SJ. Cenobamate: first approval. Drugs 2020;80:73–8.

4. Safety and pharmacokinetic study of YKP3089 as adjunctive therapy in subjects with partial onset seizures, NCT02535091 (clinicaltrials.gov).

Arzneimitteltherapie 2020; 38(06):249-263