Demenz

Besteht eine Assoziation zwischen Blutdrucksenkung und Demenz oder kognitiven Störungen?


Veröffentlicht am: 04.09.2020

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer Metaanalyse mit 96 158 Teilnehmen zeigte sich, dass eine antihypertensive Therapie bei Patienten mit arterieller Hypertonie sowohl das Risiko einer Demenz als auch das Risiko kognitiver Einschränkungen reduziert.

Verschiedene vaskuläre Erkrankungen sind Risikofaktoren für eine Demenz. Dies gilt nicht nur für die vaskuläre Demenz, sondern auch für degenerative Demenzen wie die Alzheimer-Erkrankung. Daher ist es wichtig zu klären, ob eine Blutdrucksenkung bei Patienten mit arterieller Hypertonie die Entwicklung einer Demenz oder kognitiver Störungen verhindern kann.

Studiendesign

Es handelt sich um eine systematische Literaturrecherche und Metaanalyse von Studien, in denen man den Zusammenhang zwischen Blutdrucksenkung bei Patienten mit Hypertonie und kognitiven Funktionen untersuchte. Die primären Endpunkte der Studie waren das Auftreten einer Demenz oder von kognitiven Störungen (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign [Hughes et al. 2020]

Erkrankung

Demenz

Studienziel

Kann eine Blutdrucksenkung bei arterieller Hypertonie Demenz oder kognitive Störungen verhindern?

Studientyp

Metaanalyse

Patienten

96 158

Intervention

  • Blutdrucksenkung
  • Kontrolle

Primäre Endpunkte

Aufreten von Demenz oder kognitiven Störungen

Sponsor

Firmenunabhängig

Ergebnisse

Es wurden 14 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 96 158 Teilnehmern identifiziert. Zwölf dieser Studien enthielten Daten zur Inzidenz einer Demenz, und in acht Studien wurden Daten zur Abnahme kognitiver Funktionen analysiert. In weiteren acht Studien wurden Daten zu den Ergebnissen neuropsychologischer Tests publiziert.

Das mittlere Alter der Teilnehmer betrug 69 Jahre und 40 617 (42,2 %) waren Frauen. Der mittlere systolische Blutdruck betrug 154 mm Hg und der mittlere diastolische Blutdruck 83,3 mm Hg. Die mittlere Beobachtungszeit lag bei 49,2 Monaten (4,1 Jahre).

Eine Blutdrucksenkung mit Antihypertensiva war im Vergleich zu Kontrollen mit einem signifikant niedrigeren Risiko für eine Demenz oder kognitive Beeinträchtigungen assoziiert: Betroffen waren 7,0 % versus 7,5 % der Patienten (Odds-Ratio [OR] 0,93; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,88–0,98; Tab. 2). Die Ergebnisse ergaben sich aus 12 Studien. Das absolute Risiko wurde um 0,39 % (95%-KI 0,09–0,68; I2 = 0,0 %) verringert.

Tab. 2. Studienergebnisse [Hughes et al. 2020]

Blutdrucksenkung

Kontrolle

Odds-Ratio
(95%-KI)

Demenz oder kognitive Beeinträchtigung

7,0%

7,5%

0,93 (0,88–0,98)

Absolute Risikoreduktion (95%-KI)

0,39% (0,09–0,68)

Reduktion kognitiver Fähigkeiten

20,2%

21,1 %

0,93 (0,88–0,99)

Absolute Risikoreduktion (95%-KI)

0,71% (0,19–1,2)

KI: Konfidenzintervall

Die Blutdrucksenkung war nicht signifikant mit einer Veränderung der Ergebnisse kognitiver Tests assoziiert: Die Reduktion kognitiver Fähigkeiten (aus acht Studien) betrug 20,2 % versus 21,1 % der Teilnehmer (OR 0,93; 95%-KI 0,88–0,99). Die absolute Risikoreduktion lag bei 0,71 % (95%-KI 0,19–1,2; I2 = 36,1 %; Tab. 2).

Kommentar

Diese Metaanalyse zeigt einen Zusammenhang zwischen einer antihypertensiven Therapie und der Inzidenz einer Demenz oder kognitiver Störungen bei Patienten mit Hypertonie. Die einzelnen Studien, die in die Metaanalyse eingingen, waren meist nicht ausreichend gepowert, um diesen therapeutischen Effekt zu zeigen. Lediglich die PROGRESS-Studie aus 2003 [1] und die SPRINT-MIND-Studie von 2019 [2] zeigten eine 20%ige Risikoreduktion bezüglich des Endpunkts Demenz. Die Autoren der Metaanalyse konnten keine Untergruppen von Patienten mit Demenz getrennt auswerten. Es wäre zu erwarten, dass die therapeutischen Effekte einer Blutdrucksenkung einen größeren Einfluss auf die Entwicklung einer vaskulären Demenz als einer Alzheimer-Demenz haben. Bezogen auf ein Gesundheitssystem haben die Ergebnisse wichtige Konsequenzen. Solange noch keine medikamentöse Therapie der Demenz, insbesondere der Alzheimer-Erkrankung, zur Verfügung steht, müssen alle Anstrengungen des Gesundheitssystems auf die Prävention bzw. die Verzögerung des Krankheitsbeginns konzentriert sein. Dazu gehört offenbar die konsequente Behandlung einer arteriellen Hypertonie.

Quelle

Hughes D, et al. Association of blood pressure lowering with incident dementia or cognitive impairment: A systematic review and meta-analysis. JAMA 2020;323:1934–44.

Literatur

1. Tzourio C, et al. Effects of blood pressure lowering with perindopril and indapamide therapy on dementia and cognitive decline in patients with cerebrovascular disease. Arch Intern Med 2003;163:1069–75.

2. Sprint Mind Investigators for the SPRINT Research Group; Williamson JD, et al. Effect of intensive vs standard blood pressure control on probable dementia: A randomized clinical trial. JAMA 2019;321:553–61.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(09):377-389