Michael Koczorek, Bremen
Der voll humane monoklonale IgG1-Antikörper Belimumab (Benlysta®) inhibiert selektiv den B-Lymphozyten-Stimulator BLyS, der für die Aktivierung von B-Zellen wichtig ist. Durch die Bindung von BLyS wird das Überleben von B-Zellen gehemmt und deren Ausreifung in immunglobulinproduzierende Plasmazellen verringert.
Der Antikörper ist zugelassen als Zusatzbehandlung bei erwachsenen Patienten mit Auto-Antikörper-positivem SLE, die trotz Standardtherapie mit Hydroxychloroquin, Glucocorticoiden oder anderen Immunsuppressiva eine erhöhte Krankheitsaktivität aufweisen [6].
Die European League Against Rheumatism (EULAR) empfiehlt Belimumab bei moderater Krankheitsaktivität (SLEDAI 7–12) [7]. Die Empfehlung basiert auf den Ergebnissen eines umfangreichen Programms aus randomisierten kontrollierten sowie Real-World-Studien. Darin konnte gezeigt werden, dass von der EULAR definierte Therapieziele wie niedrige Krankheitsaktivität und Remission, Prävention von Schüben, Verbesserung der Lebensqualität, Kontrolle von Komorbidität und Organschäden oder niedrige Glucocorticoid-Dosis erreicht werden können. Etwa 40 bis 60 % der SLE-Patienten entwickeln Organschäden, die schon früh im Verlauf entstehen können [2, 11, 13]; bei bis zu 60 % der Patienten kommt es zu einer renalen Beteiligung [1].
Signifikant geringere Progression von Organschäden
In den zulassungsrelevanten Studien BLISS-52 und -76 reduzierte Belimumab (10 mg/kg i. v. oder 200 mg s. c.) plus Standardtherapie versus Standardtherapie allein die Krankheitsaktivität und Schübe signifikant; die Glucocorticoid-Dosis konnte verringert werden [8, 10].
Die Verlängerung der Studien zeigte zudem organprotektive Effekte [3, 14]: Über acht Jahre kam es bei 85 % der Patienten zu keiner Verschlechterung des SDI gegenüber Baseline. Weil die Studie in dieser Phase keine Kontrollgruppe hatte, wurden die BLISS-Daten mit denen aus der Toronto Lupus Cohort (TLC) in einer Propensity-Score-Matched-Analyse verglichen [12]: Auch hier zeigte die Zusatztherapie mit Belimumab gegenüber der Standardtherapie allein über fünf Jahre eine signifikant geringere Progression von Organschäden.
Eine Post-hoc-Analyse der BLISS-Studien zeigte zudem einen positiven Einfluss auf die Nierenbeteiligung durch die Reduktion der Konzentration spezifischer Auto-Antikörper (Anti-dsDNA, Anti-Smith), die mit einer renalen Beteiligung assoziiert sind [5]: Der SELENA-SLEDAI verbesserte sich bei Patienten mit nicht-schwerer Nierenbeteiligung (schwere Lupus-Nephritis, bei der Belimumab nicht empfohlen wird, war ein Ausschlusskriterium); renale Schübe waren unter dem Antikörper seltener als unter Placebo und die Proteinurie nahm stärker ab.
Verträglichkeit
Sicherheitsdaten aus der BASE-Studie mit über 4000 SLE-Patienten zeigten das gute Risiko-Nutzen-Profil des Antikörpers [4]: Die Rate an unerwünschten Wirkungen war unter Verum und Placebo ähnlich, lediglich schwere Depressionen bzw. schwere infusionsbedingte Überempfindlichkeitsreaktionen waren unter Belimumab häufiger (0,35 % vs. 0,05 % bzw. 0,4 % vs. 0,1 %) und sollten entsprechend beachtet werden.
Real-World-Daten untermauern Bedeutung einer frühen Biologika-Therapie
Real-World-Daten bestätigten Belimumab als effektive und sichere Add-on-Therapie auch in der klinischen Routine. Eine retrospektive multizentrische Studie aus Italien (BeRLiSS, Belimumab in real life setting study) legte nun nahe, dass ein früher Start der Behandlung mit Belimumab ein besseres Outcome der Patienten ermöglichen kann [9].
Eingeschlossen waren 466 Patienten mit Versagen einer Standardtherapie, 77 davon wurden in den vorangegangenen zwei Jahren diagnostiziert („early lupus“). Alle Patienten erhielten Belimumab. Das mittlere Follow-up lag bei 18 Monaten.
Ergebnisse
In Monat 6 hatten 49,2 % der Patienten auf die Therapie mit einer Verbesserung des SLEDAI um ≥ 4 Punkte (SRI-4, SLE responder index 4) angesprochen, in Monat 12 waren es 61,3 %. Early-Lupus-Patienten profitierten besonders: Die Wahrscheinlichkeit einer Response zu Monat 6 war in dieser Gruppe verdoppelt und zu Monat 24 vervierfacht. 41,1 % erreichten eine Remission in Monat 12, bei 71,7 % war die Krankheitsaktivität niedrig. Alle Ergebnisse blieben über die folgenden zwei Jahre konstant.
66 % der Patienten verbrachten mindestens die Hälfte ihrer Beobachtungszeit in einem Stadium geringer Krankheitsaktivität, 44 % waren über mindestens ein Viertel dieser Zeit in Remission. Geringe Krankheitsaktivität und das Fehlen von Organschäden zu Baseline waren signifikante Prädiktoren für einen Langzeitverlauf in Remission bzw. mit geringer Krankheitsaktivität. Häufige Schübe und renale Beteiligung zu Baseline waren mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine Remission assoziiert. Die Studie liefere neue Evidenz dafür, dass ein früher Einsatz von Belimumab bei Patienten mit aktiver SLE und nur geringen Organschäden die Effektivität der Therapie in der klinischen Praxis steigern kann, schlussfolgern die Autoren.
Abkürzungsverzeichnis
EULAR |
European League Against Rheumatism |
SDI |
Systemic lupus international collaborating clinics/American College of Rheumatology (SLICC/ACR) damage index |
SELENA-SLEDAI |
Safety of estrogens in lupus erythematosus: National assessment version of the systemic lupus erythematosus disease activity index |
SLE |
systemischen Lupus erythematodes |
SLEDAI |
Systemic lupus erythematodes disease activity index |
Quelle
Symposium „Following the science in SLE: from guidelines to practice“, European e-Congress on Rheumatology (EULAR) 2020, 4. Juni 2020, veranstaltet von GSK.
Literatur
1. Anders HJ, et al. Nat Rev Dis Primers 2020;6:1–25.
2. Becker-Merok A, Nosset HC. J Rheumatol 2006;33:1570–7.
3. Bruce IN, et al. Lupus 2016;25:699–709.
4. ClinicalTrials.gov. Identifier: NCT01705977
5. Dooley MA, et al. Lupus 2013;22:63–72.
6. Fachinformation Benlysta. Status: Oktober 2019.
7. Fanouriakis A, et al. Ann Rheum Dis 2019;78:736–45.
8. Furie R, et al. Arthritis Rheum 2011;63:39183930.
9. Gatto M, et al. Arthritis Rheum 2020 (Epub ahead of print).
10. Navarra SV, et al. Lancet 2011;377:721–31.
11. Sutton FJ, et al. Semin Arthritis Rheum 2013;43:352–61.
12. Urowitz MB, et al. Ann Rheum Dis 2019;78:372–9.
13. Urowitz MB, et al. Arthritis Care Res 2012;64:132–7.
14. Van Vollenhoven R, et al. Rheumatology (Oxford) 2020;59:281–91.
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Arzneimitteltherapie 2020; 38(09):399-405