Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion

Krankheitsmodifizierende medikamentöse Therapien


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion (heart failure with reduced ejection fraction , HFrEF) sind die Behandlungseffekte einer frühen umfassenden krankheitsmodifizierenden pharmakologischen Therapie erheblich und unterstützen die kombinierte Anwendung eines Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin Inhibitors (ARNI), eines Betablockers, eines Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) und Natrium/Glucose-Cotransporter-2 [SGLT2]-Inhibitoren als neuen therapeutischen Standard.

Die Herzinsuffizienz ist die Krankheit mit der höchsten Zahl an Krankenhauseinweisungen in Deutschland. Drei Medikamentenklassen, nämlich Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonisten (MRAs), Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin Inhibitoren (ARNIs) und Natrium/Glukose-Cotransporter-2 (SGLT2) -Inhibitoren), reduzieren die Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion jenseits der konventionellen Therapie mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (ARB) und Betablockern. Jede der Medikamentenklassen wurde zuvor getrennt untersucht. Der potenzielle Therapienutzen bei kombinierter Anwendung ist bisher nicht bekannt.

Studiendesign

Die Autoren verwendeten Daten aus drei zuvor publizierten randomisierten und kontrollierten Studien (Tab. 1). Berechnet wurde der Zugewinn an Lebenszeit über ereignisfreies Überleben und Gesamtüberleben mit kombinierter Therapie gegenüber konventioneller Therapie bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. In der studienübergreifenden Analyse wurden die Behandlungseffekte einer umfassenden krankheitsmodifizierenden pharmakologischen Therapie (ARNI, Betablocker, MRA und SGLT2-Inhibitor) versus einer konventionellen Therapie (ACE-Hemmer oder ARB und Betablocker) bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz durch indirekte Vergleiche der drei Primärstudien, EMPHASIS-HF (n = 2737) [3], PARADIGM-HF (n = 8399) [1] und DAPA-HF (n = 4744) [2], untersucht. Der primäre Endpunkt war die Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder erster Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz.

Tab. 1. Studiendesign [Vaduganathan et al. 2020]

Erkrankung

Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion

Studienziel

Schätzung des lebenslangen Nutzens krankheitsmodifizierender pharmakologischer Therapien bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion

Studientyp

Cross-Trial-Analyse

Eingeschlossene Studien

  • EMPHASIS-HF (n = 2737)
  • PARADIGM-HF (n = 8399)
  • DAPA-HF (n = 4744)

Intervention

  • Eplerenon vs. Placebo
  • Sacubitril–Valsartan vs. Enalapril
  • Dapagliflozin vs Placebo

Primärer Endpunkt

Kombinierter Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod und erster Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz

Sponsor

Firmenunabhängig

Ergebnisse

Die drei Studien wurden zwischen 2006 und 2018 durchgeführt. Das mediane Follow-up lag zwischen 18 und 27 Monaten. Das mittlere Alter betrug 66 Jahre und die linksventrikuläre Auswurffraktion betrug zwischen 26 % und 31 %. Ein Drittel der Patienten hatte Vorhofflimmern. Fast alle Patienten erhielten einen ACE-Hemmer oder einen Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und 90 % einen Betablocker. Die Hazard-Ratio (HR) für die aggregierten Behandlungseffekte umfassender krankheitsmodifizierender Therapie versus konventioneller Therapie bezogen auf den primären Endpunkt kardiovaskulärer Tod oder Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz betrug 0,38 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,30 – 0,47). Die Hazard-Ratio war mit 0,50 auch für den Endpunkt kardiovaskulärer Tod allein signifikant (95%-KI 0,37 – 0,67). Das gleiche galt für eine Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz (HR 0,32; 95%-KI 0,24 – 0,43) und Gesamtmortalität (HR 0,53; 95%-KI 0,40 – 0,70). Die Behandlung mit einer krankheitsmodifizierenden pharmakologischen Therapie erbrachte 2,7 zusätzliche Jahre bei einem 80-Jährigen Patienten und bis 8,3 zusätzliche Jahre bei einem 55-Jährigen ohne kardiovaskulären Tod oder Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz. Die Zunahme der Lebenszeit betrug 1,4 Jahre bei einem 80-Jährigen und bis zu 6,3 zusätzlichen Jahren bei einem 55-Jährigen im Vergleich zur konventionellen Therapie.

Kommentar

Die Standardtherapie der Herzinsuffizienz erfolgt mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten mit oder ohne Kombination mit Betarezeptorenblockern. Für drei weitere Klassen von pharmakologischen Substanzen wurde durch drei große randomisierte Studien ein therapeutischer Effekt bei Patienten mit Herzinsuffizienz belegt. Allerdings gibt es keine Studien, die drei oder mehr Substanzklassen für die Therapie der Herzinsuffizienz untersucht hätten. In der vorliegenden Publikation versuchte man zu berechnen, welchen therapeutischen Nutzen – bezogen auf Überleben und Krankenhauseinweisungen – der Einsatz mehrerer Wirkstoffgruppen zur Behandlung der Herzinsuffizienz erbringen würde. Das hier berechnete Modell geht über die Beobachtungszeit der einzelnen randomisierten Studien hinaus. Die Empfehlung der Autoren, mehrere Substanzklassen zur Behandlung der Herzinsuffizienz einzusetzen, wird aber im klinischen Alltag schwer umzusetzen sein. Die meisten der betroffenen Patienten haben bereits eine Polymedikation wegen vielfältiger Begleiterkrankungen und Risikofaktoren. Pragmatisch würde sich daher empfehlen, zumindest eine der therapeutisch nachgewiesenen Substanzgruppen der Standardtherapie hinzuzufügen. Das geringste Profil an unerwünschten Arzneimittelwirkungen haben hierbei die SGLT2-Hemmer.

Quelle

Vaduganathan M, et al. Estimating lifetime benefits of comprehensive disease-modifying pharmacological therapies in patients with heart failure with reduced ejection fraction: a comparative analysis of three randomised controlled trials. Lancet 2020 May 21, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30748-0 .

Literatur

1. McMurray JJ, et al. Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014;371:993–1004.

3. McMurray JJV, et al. Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019;381:1995–2008.

3. Zannad F, et al. Eplerenone in patients with systolic heart failure and mild symptoms. N Engl J Med 2011;364:11–21.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(09):377-389