Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Die Sekundärprävention des akuten ischämischen Insults oder der transienten ischämischen Attacke (TIA) erfolgt bei Patienten ohne kardiale Emboliequelle mit Thrombozytenfunktionshemmern. Das Risiko eines ersten Schlaganfalls nach TIA oder eines erneuten ischämischen Insults beträgt in den ersten Monaten 5 % bis 10 %. Zwei Studien (CHANCE, POINT) haben gezeigt, dass für die Kurzzeitprävention des Schlaganfalls innerhalb von ein bis drei Monaten die Kombination aus Clopidogrel plus ASS einer Monotherapie mit ASS überlegen ist, aber auch eine höhere Rate an schwerwiegender Blutungskomplikation aufweist [1, 3].
In einer ersten Studie war Ticagrelor als Monotherapie bei Patienten mit akutem ischämischen Insult oder TIA einer Monotherapie mit Acetylsalicylsäure nicht überlegen [2]. Jetzt sollte untersucht werden, ob die Kombination von Ticagrelor und ASS einer Monotherapie mit ASS überlegen ist.
Studiendesign
Es handelte sich bei der THALES-Studie (Tab. 1) um eine randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde Studie an Patienten mit einem leichten bis mittelschweren akuten nichtkardioembolischen ischämischen Schlaganfall mit einem Score auf der NIHSS-Schlaganfallskala von 5 oder weniger oder einer Hochrisiko-TIA, und die weder mit i. v. Thrombolyse noch mit Thrombektomie behandelt wurden.
Tab. 1. Studiendesign THALES [nach Johnston et al 2020]
Indikation |
Frühe Sekundärprävention nach akutem ischämischen Insult oder transienter ischämischer Attacke (TIA) |
Patienten |
11 016 randomisiert |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Schlaganfall oder Tod innerhalb 30 Tage |
Sponsor |
AstraZeneca |
Studienregisternummer |
NCT 03354429 |
Die Patienten erhielten innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn im Verhältnis 1 : 1 eine 30-tägige Behandlung entweder mit Ticagrelor (180 mg Loading-Dosis, gefolgt von 90 mg zweimal täglich) plus ASS (300 bis 325 mg am ersten Tag, gefolgt von 75 bis 100 mg täglich) oder Placebo plus ASS.
Der primäre Endpunkt der Studie war eine Kombination aus Schlaganfall oder Tod innerhalb von 30 Tagen. Sekundäre Endpunkte waren der erste nachfolgende ischämische Schlaganfall und der Behinderungsgrad gemessen mit der modifizierten Rankin-Skala (mRS) innerhalb von 30 Tagen. Der primäre Sicherheitsendpunkt waren schwere Blutungen.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 11 016 Patienten randomisiert (5523 in die Ticagrelor-ASS-Gruppe und 5493 in die ASS-Gruppe). Die Patienten waren im Mittel 65 Jahre alt und 39 % waren Frauen. Bei 77 % bestand eine Hypertonie, bei 28 % ein Diabetes mellitus und 16,5 % hatten bereits zuvor einen ischämischen Insult erlitten. Vor dem qualifizierenden Schlaganfall waren 13 % der Patienten mit ASS vorbehandelt. Bei 91 % der Patienten war das qualifizierende Ereignis ein ischämischer Schlaganfall und bei 9 % eine TIA. Bei 60 % der Patienten lag ein leichter Schlaganfall vor.
Ein primäres Ereignis (Schlaganfall oder Tod innerhalb 30 Tage) trat bei 303 Patienten (5,5 %) in der Ticagrelor-ASS-Gruppe auf und bei 362 Patienten (6,6 %) in der ASS-Gruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,83; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,71–0,96; p = 0,02). Ischämische Schlaganfälle traten bei 276 Patienten (5,0 %) in der Ticagrelor-ASS-Gruppe und bei 345 Patienten (6,3 %) in der ASS-Gruppe auf (HR 0,79; 95%-KI 0,68–0,93; p = 0,004). Der Behinderungsgrad gemessen mit der mRS (mRS > 1) unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant. Schwere Blutungen traten bei 28 Patienten (0,5 %) in der Ticagrelor-ASS-Gruppe und bei sieben Patienten (0,1 %) in der ASS-Gruppe auf (p = 0,001).
Kommentar
Mit den Ergebnissen der THALES-Studie gibt es nun zwei Ansätze einer etwas effektiveren Sekundärprävention nach leichten ischämischen Insulten oder Hochrisiko-TIA mit einer Kombinationstherapie versus einer Monotherapie, nämlich Clopidogrel plus ASS oder Ticagrelor plus ASS. Eine randomisierte Studie, die Clopidogrel plus ASS mit Ticagrelor plus ASS verglichen hätte, gibt es bisher nicht. Daher ist man im Moment auf indirekte Vergleiche angewiesen. Es gibt eine Reihe von Argumenten, warum wahrscheinlich die Kombination von Clopidogrel plus ASS vorzuziehen ist. In den beiden Studien POINT und CHANCE zum Einsatz von Clopidogrel plus ASS im Vergleich zu ASS war die relative Reduktion erneuter ischämischer Schlaganfälle numerisch höher als in der THALES-Studie mit Ticagrelor plus ASS. Die Kombination von ASS und Clopidogrel hat im indirekten Vergleich auch weniger schwerwiegende Blutungskomplikationen, insbesondere weniger intrakranielle Blutungen, als die Kombination von Ticagrelor und ASS. Die Ergebnisse dieser Studien können bei Patienten mit TIA, aber nur für solche mit einem hohen Risiko für einen Schlaganfall, gemessen mit dem ABCD2-Score, umgesetzt werden. Patienten mit niedrigerem Risiko wurden in den randomisierten Studien nicht untersucht und sollten daher weiterhin mit ASS behandelt werden. Die hier diskutierten Ergebnisse beziehen sich auch nur auf Patienten mit nichtkardioembolischen Schlaganfällen. Bei kardialen Emboliequellen müssen die Patienten oral antikoaguliert werden.
Quelle
Johnston SC, et al. Ticagrelor and aspirin or aspirin alone in acute ischemic stroke or TIA. N Engl J Med 2020;383:207–17.
Literatur
1. Johnston SC, et al. Clopidogrel and aspirin in acute ischemic stroke and high-risk TIA. N Engl J Med 2018;379:215–25.
2. Johnston SC, et al. Ticagrelor versus aspirin in acute stroke or transient ischemic attack. N Engl J Med 2016;375:35–43.
3. Wang Y, et al. Clopidogrel with aspirin in acute minor stroke or transient ischemic attack. N Engl J Med 2013;369:11–9.
Arzneimitteltherapie 2020; 38(09):377-389