Hepatozelluläres Karzinom

Neue Erstlinientherapie in Aussicht


Dr. Stefan Fischer, Stuttgart

Die Kombination aus Atezolizumab und Bevacizumab wurde in einer Phase-III-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem hepatozellulärem Karzinom untersucht. Die zugehörigen Ergebnisse stellte Prof. Wörns auf einem digitalen Symposion im Rahmen des DGVS-Kongresses vor, das im September 2020 von der Firma Roche veranstaltet wurde.

Für das fortgeschrittene Stadium des hepatozellulären Karzinoms (HCC) sind zwei Substanzen in der Erstlinientherapie zugelassen: Sorafenib und Lenvatinib. Beide Substanzen zeigten in dieser Situation eine ähnliche Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS). Sekundäre Endpunkte wie das progressionsfreie Überleben (PFS) waren unter Lenvatinib im Vergleich zur Sorafenib-Therapie verbessert. In der Praxis kann der Arzt die Therapieentscheidung eventuell am jeweiligen Nebenwirkungsprofil festmachen: Sorafenib verursacht mehr Hauttoxizität, wohingegen es unter Lenvatinib öfter zu Hypertonie, gastrointestinalen Nebenwirkungen und Proteinurie kommt.

In weiteren Therapielinien kommen Regorafenib, Cabozantinib und Ramucirumab zum Einsatz. Off-Label setzten Ärzte in letzter Zeit auch Checkpoint-Inhibitoren ein, nachdem die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) mehrere Substanzen auf Basis von Phase-I- und -II-Studien zugelassen hatte. Die European Medicines Agency (EMA) wartete allerdings noch die Ergebnisse der Phase-III-Studien ab. Tatsächlich verfehlten diese Studien ihren primären Endpunkt.

Als neuer Ansatz beim HCC wird daher die Kombination eines Checkpoint-Inhibitors mit einem VEGF-Inhibitor verfolgt.

Studiendesign

Die Autoren der Studie IMbrave150 (Abb. 1) verglichen die orale Sorafenib-Standardtherapie mit einer Kombination aus dem Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab und dem VEGF-Inhibitor Bevacizumab. Die Patienten litten unter einem hepatozellulären Karzinom, das bisher noch nicht systemisch behandelt worden war. Koprimäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben.

Abb. 1. Studiendesign IMbrave150. BID: 2-mal/Tag; HCC: hepatozelluläres Karzinom; q3w: alle drei Wochen;

Studienergebnisse

Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 12 Monaten war unter Kombinationstherapie höher (67,2%; 95%-KI [Konfidenzintervall] 61,3–73,1) als unter Standardtherapie (54,6%; 95%-KI 45,2–64,0) [1]. Das mediane progressionsfreie Überleben war ebenfalls verlängert (6,8 vs. 4,3 Monate; HR 0,59; 95%-KI 0,47–0,76). Ende Mai 2020 hat die FDA daher Atezolizumab in Kombination mit Bevacizumab als Erstlinientherapie des metastasierten, nichtresektablen HCC zugelassen.

Sicherheit

Unter Sorafenib verschlechterte sich die Lebensqualität der Patienten im Median nach 3,6 Monaten gegenüber 11,2 Monaten unter der Kombinationstherapie mit Atezolizumab plus Bevacizumab (HR 0,63; 95%-KI 0,46–0,85). Unerwünschte Ereignisse, die unter der Kombinationstherapie häufiger auftraten, waren Bluthochdruck und Proteinurie. Das entspricht dem bekannten Nebenwirkungsprofil von Atezolizumab.

Fazit des Vortragenden

Atezolizumab plus Bevacizumab wird voraussichtlich nach Zulassung durch die EMA neuer Therapiestandard in der Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen Stadium des hepatozellulären Karzinoms.

Zulassungsstatus

Am 17.09.20 hat das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) eine Zulassungserweiterung von Tecentriq® (Atezolizumab) empfohlen:

Tecentriq®, in Kombination mit Bevacizumab, ist indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem oder nicht resezierbarem hepatozellulärem Karzinom (HCC), die noch keine vorangegangene systemische Therapie erhalten haben.

Quelle

Vortrag „Therapie des HCC – Einblicke und Ausblicke“ von Prof. Dr. Marcus-Alexander Wörns, Mainz; Symposium „Best of DGVS – Digitales Symposium CED und HCC: Neue Therapiestandards in der klinischen Praxis?“, 16. September 2020, veranstaltet von Roche im Rahmen des DGVS-Kongresses.

Literatur

1. Finn RS, et al. Atezolizumab plus bevacizumab in unresectable hepatocellular carcinoma. N Engl J Med 2020;382:1894–905.


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Arzneimitteltherapie 2020; 38(11):487-489