Vorhofflimmern

Schlaganfallprävention bei sehr alten Patienten mit Vorhofflimmern mit niedrigdosiertem Edoxaban


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie in Japan an 984 Patienten ab 80 Jahren mit Vorhofflimmern waren 15 mg Edoxaban einmal täglich besser wirksam als Placebo für die Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien. Die Antikoagulation erhöhte nicht das Risiko schwerwiegender Blutungskomplikationen.

Patienten mit Vorhofflimmern haben ein 5-fach höheres Schlaganfallrisiko als Personen im Sinusrhythmus. In den letzten zehn Jahren wurden die Vitamin-K-Antagonisten(VKA) für die Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern durch direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) ersetzt. Allerdings sind viele Ärzte bei der Verschreibung von Antikoagulanzien bei sehr alten Patienten zurückhaltend, da sie zum einen Blutungskomplikationen befürchten und zum anderen die potenziellen Komplikationen von Stürzen bei bestehender Gangstörung. Eine dezidierte Studie mit einem niedrigdosiertem DOAK bei Patienten im Alter über 80 Jahren gab es bisher nicht.

Studienmethodik

Es handelte sich um eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie in Japan, in der 15 mg Edoxaban einmal täglich mit Placebo bei Patienten mit Vorhofflimmern im Alter ≥ 80 Jahren verglichen wurden (Tab. 1). Der primäre Endpunkt der Studie war die Kombination aus Schlaganfall und systemischer Embolie. Der primäre Sicherheitsendpunkt waren schwerwiegende Blutungskomplikation nach den Kriterien der ISTH (International Society on Thrombosis and Haemostasis).

Tab. 1. ELDERCARE-AF: Studiendesign

Erkrankung

Schlaganfallprävention

Studienziel

Wirksamkeit und Sicherheit von Edoxaban bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern ab 80 Jahren

Studientyp

Randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, Phase III

Patienten

984

Intervention

  • Edoxaban 15 mg 1x tägl.
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Schlaganfall oder systemische Embolie (kombinierter Endpunkt)

Sponsor

Daiichi Sankyo

Studienregister-Nr.

NCT 02801669 (ClinicalTrials.gov)

Ergebnisse

Insgesamt wurden 984 Patienten in die Studie aufgenommen und je 492 Patienten erhielten 15 mg Edoxaban oder Placebo. 681 Patienten schlossen die Studie ab. Unter den 303 Patienten, die die Studie beendeten, zogen 158 die Zustimmung zurück, 135 verstarben und bei zehn Patienten lagen andere Gründe vor. Die Patienten waren im Mittel 86 Jahre alt und 43 % waren Männer. Das durchschnittliche Körpergewicht betrug 50 kg und die durchschnittliche Creatinin-Clearance 36,3 ml/min. Der mittlere CHADS2-Score betrug 3,1. Ein Drittel der Patienten berichtete über einen Sturz im vergangenen Jahr. 39 % der Patienten wurden als gebrechlich eingestuft.

Die jährliche Rate von Schlaganfällen und systemischen Embolien betrug 2,3 % in der Edoxaban-Gruppe und 6,7 % in der Placebo-Gruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,34; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,19–0,61; p < 0,001), und die jährliche Rate schwerer Blutungen betrug 3,3 % in der Edoxaban-Gruppe und 1,8 % in der Placebo-Gruppe (HR 1,87; 95%-KI 0,90–3,89; p = 0,09; Tab. 2). Es gab mehr gastrointestinale Blutungen in der Edoxaban-Gruppe als in der Placebo-Gruppe. Es gab keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der Gesamtsterblichkeit. Die entsprechenden Ereignisraten waren 9,9 % in der Edoxaban-Gruppe und 10,2 % in der Placebo-Gruppe (HR 0,97; 95%-KI 0,69–1,36).

Tab. 2. ELDERCARE-AF: Hauptergebnisse [Okumura et al. 2020]

Endpunkt

Edoxaban vs. Placebo

Schlaganfälle und systemische Embolien

HR 0,34; 95%-KI 0,19–0,61; p < 0,001

Schwere Blutungen

HR 1,87; 95%-KI 0,90–3,89; p = 0,09

Gesamtsterblichkeit

HR 0,97; 95%-KI 0,69–1,36

HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall

Kommentar

In der großen Zulassungsstudie ENGAGE AF-TIMI 48 zum Einsatz von Edoxaban für die Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern wurden 30 und 60 mg täglich untersucht [1]. Die Population in dieser Studie war mit durchschnittlich 70 Jahren deutlich jünger als die Population, die in der hier referierten Studie untersucht wurde. Die ENGAGE-AF-TIMI-Studie hatte eine Überlegenheit von 60 mg Edoxaban zu Warfarin gezeigt, während die 30-mg-Dosis von Edoxaban für die Schlaganfallprävention weniger wirksam war. In der Studie wurde allerdings die Dosis von Edoxaban bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko halbiert. Die jetzt in Japan durchgeführte Studie zeigt in einer Hochrisikopopulation im Alter ≥ 80 Jahre einen therapeutischen Nutzen der Antikoagulation mit 15 mg Edoxaban. Die Ereignisraten sind interessanterweise ähnlich wie die in der ENGAGE AF-TIMI 48. Erfreulicherweise ging die Antikoagulation mit niedrigdosiertem Edoxaban mit Ausnahme von gastrointestinalen Blutungen nicht mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Blutungskomplikation einher. Erwartungsgemäß waren allerdings leichtere Blutungen häufiger unter Edoxaban als unter Placebo. Die Rechtfertigung für eine Placebo-kontrollierte Studie war die Tatsache, dass für Acetylsalicylsäure kein therapeutischer Nachweis für die Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern besteht. Ein Problem der Studie ist allerdings die hohe Dropout-Rate. Die Patienten, die aus der Studie ausschieden, schieden allerdings in aller Regel wegen Gründen aus, die mit der Studie selbst nichts zu tun hatten.

Quelle

Okumura K, et al. Low-dose edoxaban in very elderly patients with atrial fibrillation. N Engl J Med published online August 30, 2020; doi: 10.1056/NEJMoa2012883.

Literatur

1. Giugliano RP, et al. Edoxaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2013;369:2093–104.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(11):468-469