Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Die Therapie des Diabetes mellitus war bis vor einigen Jahren sehr frustran. Eine aggressive antidiabetische Therapie führte zwar zu einer Kontrolle der Serum-Glucosespiegel und einer Reduktion von HbA1c und des Risikos mikrovaskulärer Komplikationen insbesondere der Niere und der Augen, war aber nicht in der Lage, schwerwiegende vaskuläre Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Amputationen zu vermeiden. Die ersten Studien zum Einsatz der SGLT2-Inhibitoren ergaben dann das überraschende Ergebnis, dass fast unabhängig von der Reduktion der Glucosespiegel besonders Diabetes-Patienten mit Herzinsuffizienz von der Therapie profitieren. Für den Endpunkt Tod durch Herzinsuffizienz ergab sich eine signifikante Überlegenheit der SGLT2-Hemmer gegenüber Placebo. Logische Folge dieser Studien war dann, dezidierte Therapiestudien bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit und ohne Diabetes mellitus durchzuführen.
Sowohl die DAPA-HF-Studie mit Dapagliflozin [3] als auch die EMPEROR-Reduced-Studie mit Empagliflozin [2] zeigten, dass die Hemmung des Natrium-Glucose-Co-Transporter-2 (SGLT2) bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion mit oder ohne Diabetes das kombinierte Risiko eines kardiovaskulären Todes oder einer Krankenhausaufnahme wegen einer Herzinsuffizienz senkten. Keine der beiden Studien war jedoch in der Lage, die Auswirkungen der Therapie auf die Gesamtmortalität zu zeigen.
Studiendesign
Es handelte sich um eine vordefinierte Metaanalyse der beiden Studien DAPA-HF und EMPEROR-Reduced, um die Auswirkungen von SGLT2-Inhibitoren auf den kardiovaskulären Outcome bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit oder ohne Diabetes zu untersuchen (Tab. 1). Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zum Tod durch jedwede Ursachen. Zusätzlich wurden die Behandlungseffekte in vordefinierten Untergruppen auf das kombinierte Risiko eines kardiovaskulär bedingten Todes oder einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz analysiert. Diese Untergruppen umfassten den Diabetes-Status, Alter, Geschlecht, Behandlung mit Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Funktionsklasse der New York Heart Association (NYHA), Vorgeschichte einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), Body-Mass-Index und geographische Region (post-hoc). Berechnet wurden die Hazard-Ratios (HR), die von Cox-Proportional-Hazard-Modellen für die Endpunkte der Zeit bis zum ersten Ereignis abgeleitet wurden.
Tab. 1. Studiendesign
Erkrankung |
Herzinsuffizienz |
Studienziel |
Auswirkungen von SGLT2-Inhibitoren auf den kardiovaskulären Outcome bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit oder ohne Diabetes zu untersuchen |
Studientyp |
Metaanalyse der Studien DAPA-HF und EMPEROR-Reduced |
Patienten |
8474 |
Intervention |
SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin oder Empagliflozin versus Placebo |
Primärer Endpunkt |
Zeit bis zum Tod durch jedwede Ursachen |
Sponsor |
Boehringer Ingelheim |
SGLT2: Natrium-Glucose-Co-Transporter-2
Ergebnisse
Die beiden Studien umfassten 8474 Patienten. Die Patienten waren im Mittel 66 Jahre alt. 75 % waren Männer und zwischen 30 und 47 % waren bereits zuvor wegen einer Herzinsuffizienz hospitalisiert worden. Zwischen 45 und 50 % der Patienten hatten einen Diabetes mellitus Typ 2. Die gefundenen Behandlungseffekte (Tab. 2) umfassten eine 13%ige Verringerung der Gesamttodesfälle (gepooltes HR 0,87; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,77–0,98; p = 0,018) und eine 14%ige Verringerung der kardiovaskulär bedingten Todesfälle (HR 0,86; 95%-KI 0,76–0,98; p = 0,027). Die Therapie führte im Vergleich zu Placebo zu einer relativen Reduktion des kombinierten Risikos eines kardiovaskulär bedingten Todes oder einer ersten Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz um 26 % (HR 0,74; 95%-KI 0,68–0,82; p < 0,0001) und einer 25%igen Reduktion des kombinierten Risikos wiederkehrender Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulär bedingtem Tod (HR 0,75; 95%-KI 0,68–0,84; p < 0,0001). Das Risiko des Nierenendpunkts – definiert als 50 % oder höher anhaltender Rückgang der geschätzten glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), Nierenerkrankung im Endstadium oder Tod durch Niereninsuffizienz – war ebenfalls reduziert (HR 0,62; 95%-KI 0,43–0,90; p = 0,013). Alle Tests zur Heterogenität der Effektgröße zwischen den Studien waren nicht signifikant. Die gepoolten Daten zeigten konsistente Vorteile für Untergruppen bezüglich Alter, Geschlecht, Diabetes mellitus, Behandlung mit einem ARNI und eGFR zum Zeitpunkt der Baseline.
Tab. 2. Ergebnisse der Metaanalyse
Endpunkt |
SGLT2-Inhibitor vs. Placebo |
Gesamtsterblichkeit |
HR 0,87; 95%-KI 0,77–0,98; p = 0,018 |
Kardiovaskulär bedingte Sterblichkeit |
HR 0,86; 95%-KI 0,76–0,98; p = 0,027 |
Kombinierter Endpunkt: kardiovaskulär bedingter Tod oder erste Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz |
HR 0,74; 95%-KI 0,68–0,82; p < 0,0001 |
Kombinierter Endpunkt: kardiovaskulär bedingter Tod oder wiederkehrende Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz |
HR 0,75; 95%-KI 0,68–0,84; p < 0,0001 |
Kombinierter renaler Endpunkt: ≥ 50 % anhaltender Rückgang der eGFR, Nierenerkrankung im Endstadium oder Tod durch Niereninsuffizien |
HR 0,62; 95%-KI 0,43–0,90; p = 0,013 |
eGFR: geschätzte glomeruläre Filtrationsrate; HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall; SGLT2: Natrium-Glucose-Co-Transporter-2
Kommentar
Die beiden randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien zum Einsatz von SGLT2-Hemmern bei Patienten mit Herzinsuffizienz stellen einen Paradigmenwechsel für die zukünftige Therapie der Herzinsuffizienz dar. Die gepoolte Analyse der beiden Studien zeigt überzeugende Therapieeffekte auf die wesentlichen Endpunkte, nämlich Mortalität, kardiovaskulär bedingten Tod und Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz. Diese Ergebnisse waren über eine ganze Reihe von Untergruppen von Patienten konsistent. Der Therapieeffekt war unabhängig davon, ob ein Diabetes mellitus vorlag oder nicht.
Für Patienten mit Diabetes mellitus bedeuten die Ergebnisse der zuletzt durchgeführten Therapiestudien eine unterschiedliche Indikation für den Einsatz von SGLT2-Hemmern oder GLP-1-Agonisten. SGLT2-Hemmer sollten bevorzugt bei Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz eingesetzt werden. GLP-1-Agonisten eignen sich vorwiegend für Patienten mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, da sie in der Lage sind, im Vergleich zu Placebo Herzinfarkt, Schlaganfall und vaskulären Tod zu reduzieren [1].
Quelle
Zannad F, et al. SGLT2 inhibitors in patients with heart failure with reduced ejection fraction: a meta-analysis of the EMPEROR-Reduced and DAPA-HF trials. Lancet published online August 30, 2020; doi: 10.1016/S0140-6736(20)31824-9.
Literatur
1. Bethel MA, et al. Cardiovascular outcomes with glucagon-like peptide-1 receptor agonists in patients with type 2 diabetes: a meta-analysis. Lancet Diabetes Endocrinol 2018;6:105–13.
2. Packer M, et al. Cardiovascular and renal outcomes with empagliflozin in heart failure. N Engl J Med published online August 29, 2020; doi: 10.1056/NEJMoa2022190.
3. Wiviott SD, et al. Dapagliflozin and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2019;380:347–57.
Arzneimitteltherapie 2020; 38(11):470-481