Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Die homozygote familiäre Hypercholesterinämie ist eine extrem seltene genetische Erkrankung des Fettstoffwechsels und tritt bei 1 : 300 000 Personen auf. Die Erkrankung ist durch eine genetische Veränderung im LDL-Rezeptor bedingt. Dadurch kann LDL-Cholesterin nicht in der Leber abgebaut werden. Die Erkrankung führt zu deutlich erhöhten LDL-Cholesterin-Spiegeln und einem erhöhten Risiko für vorzeitige atherosklerotische, kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen. Traditionelle lipidsenkende Therapien wie Statine oder PCSK9-Hemmer sind bei diesem Krankheitsbild kaum oder nicht wirksam. Angiopoietin-like 3 (ANGPTL3) ist ein Hemmer von Lipoproteinen und endothelialer Lipasen und spielt eine Schlüsselrolle im Lipidmetabolismus, indem es den Spiegel von Triglyceriden und anderen Lipiden erhöht. Evinacumab ist ein vollständig humanisierter monoklonaler Antikörper und ein Hemmer von ANGPTL3.
Studiendesign
Es handelte sich um ein doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie, in der 65 Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie unter einer stabilen lipidsenkenden Behandlung im Verhältnis 2 : 1 alle vier Wochen eine Infusion von 15 mg/kg/KG Evinacumab oder Placebo erhielten (Tab. 1). Der primäre Studienendpunkt war die prozentuale Änderung des LDL-Cholesterin-Spiegels im Vergleich zur Baseline nach 24 Wochen.
Tab. 1. Studiendesign [Raal et al. 2020]
Indikation |
Homozygote familiäre Hypercholesterinämie |
Studientyp/Design |
Randomisiert, doppelblind, Phase III |
Patienten |
65 |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Prozentuale Änderung des LDL-Cholesterin-Spiegels |
Sponsor |
Regeneron Pharmaceuticals |
Studienregisternummer |
NCT03399786 |
Ergebnisse
Die Patienten waren im Mittel 42 Jahre alt, 91 % hatten eine koronare Herzerkrankung. Bei 68 % beruht die Diagnose auf einer genetischen Analyse. Der mittlere Ausgangswert des LDL-Cholesterin-Spiegels in den beiden Gruppen betrug 255,1 mg/dl, unter einer hochdosierten lipidsenkenden Therapie.
In Woche 24 hatten die Patienten in der Evinacumab-Gruppe eine relative Reduktion des LDL-Cholesterin-Spiegels von 47,1 % gegenüber dem Ausgangswert verglichen mit einem Anstieg von 1,9 % in der Placebo-Gruppe. Die mittlere Differenz zwischen den Gruppen betrug –49,0 % (95%-Konfidenzintervall [KI] –65,0 bis –33,1; p < 0,001). Der Unterschied der LDL-Cholesterin-Spiegel betrug –132,1 mg/dl (95%-KI –175,3 bis –88,9; p < 0,001).
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren in beiden Gruppen ähnlich.
Kommentar
Diese kleine randomisierte Studie zeigt, dass Evinacumab bei der familiären homozygoten Hypercholesterinämie wirksam ist. Dies ist ein wichtiges Ergebnis, da bei diesen Patienten mit Statinen und PCSK9-Hemmern in der Regel keine ausreichende Senkung des LDL-Cholesterins möglich ist. Viele der betroffenen Patienten müssen daher regelmäßig eine Apherese-Behandlung erhalten. Die Studie war allerdings zu klein und der Zeitraum der Behandlung zu kurz, um zu klären, ob diese Therapie auch Auswirkungen auf das hohe Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen hat. Dazu sind in Zukunft größere Studien mit einer Beobachtungszeit von mehreren Jahren notwendig.
Quelle
Raal FJ, et al., for the ELIPSE HoFH Investigators. Evinacumab for homozygous familial hypercholesterolemia. N Engl J Med 2020;383:711–20.
Arzneimitteltherapie 2020; 38(11):470-481