Cefiderocol


Ein neues Siderophor-Cephalosporin bei komplizierten Harnwegsinfektionen und anderen schweren Infektionen mit aeroben gramnegativen Bakterien

Veröffentlicht am: 21.01.2021

Ingo Stock, Bonn

Cefiderocol (Fetcroja®) ist ein neuartiges, parenteral zu applizierendes Cephalosporin mit einer sehr guten In-vitro-Wirksamkeit gegen gramnegative Bakterien. Die Substanz ist auch gegen multiresistente Problemkeime wie Carbapenemase-bildende Enterobacteriaceae und multiresistente Non-Fermenter aktiv. Im Gegensatz zu anderen Beta-Lactamen gelangt Cefiderocol über bakterielle Eisentransportsysteme in das Periplasma und zeigt eine hohe Hydrolyse-Stabilität gegenüber nahezu allen Beta-Lactamasen. Fetcroja® hat günstige pharmakokinetische Eigenschaften und erwies sich in klinischen Studien der Phase I und II als gut verträglich. In Phase-III-Studien wurden bei der Therapie von Pneumonien und septischen Infektionen durch multiresistente Erreger unter Cefiderocol vergleichsweise erhöhte Mortalitätsraten beobachtet. Fetcroja® wurde im April 2020 von der Europäischen Kommission für die Behandlung von Infektionen mit aeroben gramnegativen Bakterien bei Erwachsenen mit eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten zugelassen. Die Substanz steht als Pulver zur Zubereitung für Infusionslösungen zur Verfügung.
Arzeimitteltherapie 2021;39:13–8.

Infektionen mit gramnegativen Problemkeimen wie viele nicht-fermentierende gramnegative Bakterien (Non-Fermenter) und multiresistente Enterobacteriaceae sind häufig mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert [19]. Antibiotika mit einer guten Wirksamkeit gegen solche Bakterien sind rar. Markteinführungen antibakterieller Wirkstoffe mit einer hohen Aktivität gegen multiresistente gramnegative Problemkeime gab es in den letzten Jahrzehnten nur wenige, darunter neuere Cephalosporine in Kombination mit älteren Beta-Lactamase-Inhibitoren (Ceftolozan-Tazobactam), ältere Beta-Lactame mit neuen Beta-Lactamase-Hemmern (Ceftazidim-Avibactam, Meropenem-Vaborbactam, Imipenem-Relebactam) und das Tetracyclin-Derivat Eravacyclin [6, 16, 17]. Seit langem bekannte Antibiotika, von denen zumindest einige (z. B. Polymyxine) auch gegen manche Problemkeime aktiv sind, lassen sich aufgrund ihrer ungünstigen pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften und/oder ihres nicht unerheblichen Toxizitätsprofils nur bedingt einsetzen.

Zulassung und Indikation

Ein neues, vielversprechendes Antiinfektivum mit einer Wirksamkeit gegen gramnegative Bakterien mit und ohne Multiresistenz ist das synthetisch hergestellte, zunächst als S-649266 bezeichnete Siderophor-Cephalosporin Cefiderocol (Fetcroja®, in den USA Fetroja®). Es wurde im November 2019 von der US Food and Drug Administration (FDA) zur Therapie komplizierter Harnwegsinfektionen mit gramnegativen Bakterien (einschließlich Pyelonephritiden) bei Patienten ab 18 Jahren, bei denen nur limitierte oder keine alternativen Therapieoptionen bestehen, zugelassen. Im April 2020 erteilte die Europäische Kommission die Zulassung für die Behandlung von Infektionen mit aeroben gramnegativen Bakterien bei Erwachsenen mit eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten. Im Gegensatz zu allen anderen bislang zugelassen Beta-Lactamen und Beta-Lactam-/Beta-Lactamase-Inhibitor-Kombinationen wirkt Cefiderocol auch gegen Bakterien, die Metallo-Beta-Lactamasen bilden.

Struktur und Wirkungsmechanismus

Cefiderocol ähnelt strukturell Ceftazidim und Cefepim, besitzt aber im Gegensatz zu diesen Cephalosporinen eine Katechol-Gruppe in der Seitenkette an Position C-3 (Abb. 1). Die zwei Hydroxylgruppen an Position 3 und 4 des aromatischen Rings vermögen Eisenionen zu chelatieren, sodass die Substanz aktiv über die Eisentransportsysteme in der äußeren Membran in den periplasmatischen Raum der Bakterienzelle gelangt (Abb. 2). Im Periplasma dissoziiert das Eisenatom und wird durch die Zytoplasmamembran in die Zelle aufgenommen. Das im Periplasma freigesetzte Cefiderocol bindet (wie andere Oxyimino-Cephalosporine) an die Penicillin-Bindeproteine (PBP) des Bakteriums (vornehmlich an PBP-3), wodurch die Peptidoglycansynthese inhibiert wird, was schließlich den Zelltod des Bakteriums bedingt [22].

Abb. 1. Struktur von Cefiderocol (links) und Ceftazidim (rechts)

Abb. 2. Cefiderocol ist stabil gegenüber fast allen Beta-Lactamasen, ein schlechtes Substrat für Effluxpumpen und nicht auf eine passive Diffusion durch Porinkanäle „angewiesen“, um in die Bakterienzelle zu gelangen [8].

Durch den Siderophor-ähnlichen Zelleintritt von Cefiderocol werden, verglichen mit anderen Cephalosporinen, höhere Konzentrationen des Antibiotikums am Wirkort erreicht. Die meisten anderen Beta-Lactame passieren die äußere Membran gramnegativer Bakterien durch Porinkanäle über passive Diffusion.

Cefiderocol zeigt eine hohe Hydrolyse-Stabilität gegenüber nahezu allen Beta-Lactamasen, einschließlich Extended Spectrum Beta-Lactamasen (ESBL), AmpC-Enzyme sowie Serin- und Metallo-Carbapenemasen.

Für viele der von gramnegativen Bakterien gebildeten Effluxpumpen ist die Substanz ein schlechtes Substrat.

Wirkungsspektrum und Resistenz

Cefiderocol zeigt eine hohe In-vitro-Aktivität gegen aerobe und fakultativ anaerobe gramnegative Bakterien [4, 10, 22]. Es wirkt gegen alle Enterobacteriaceae-Arten, einschließlich ESBL- und AmpC-exprimierende sowie Klebsiella-pneumoniae-Carbapenemase(KPC)-bildende Stämme (Infokasten 1). Non-Fermenter wie Pseudomonas aeruginosa, Burkholderia cepacia, Stenotrophomonas maltophilia und Acinetobacter baumannii werden ebenfalls von Cefiderocol erfasst. Dabei ist das Antibiotikum auch gegen nahezu alle multiresistenten Stämme, einschließlich Stämme mit Carbapenem-Resistenz, aktiv (Infokasten 1). Gegen die meisten aeroben grampositiven Bakterien, beispielsweise Staphylokokken und Enterokokken, sowie Anaerobier wie Bacteroides-, Prevotella- und Clostridium-Arten zeigt Cefiderocol hingegen nur eine geringe Aktivität [9, 22].

Infokasten 1. Cefiderocol-Aktivität gegen Carbapenem-resistente Problemkeime

Zu den wichtigsten Resistenzmechanismen gegen Carbapeneme bei gramnegativen Bakterien zählen Carbapenemasen, die der Ambler-Klasse A (zum Beispiel KPC-Enzyme), Klasse B (Metalloenzyme, zum Beispiel NDM, VIM, IMP) und Klasse D (zum Beispiel OXA-23, OXA-40, OXA-51-like) angehören. Cefiderocol lässt sich durch diese Beta-Lactamasen nicht bzw. nur in geringem Ausmaß hydrolysieren. Innerhalb der Enterobacteriaceae sind KPC-Enzyme derzeit am häufigsten verbreitet. Bei A. baumannii tragen vor allem Klasse-D-Beta-Lactamasen zur Carbapenem-Resistenz bei. S. maltophilia ist hingegen durch die Bildung einer chromosomal kodierten Metallo- und Serin-Beta-Lactamase gegen zahlreiche Beta-Lactame (einschließlich Carbapeneme) natürlich resistent.

Neben Carbapenemasen können aber auch die ebenfalls zur Klasse A zählenden ESBL-Enzyme und AmpC-Beta-Lactamasen (Klasse C) zusammen mit Porin-Mutationen, Porin-Verlust, Überexpression von Effluxpumpen und/oder PBP-Veränderungen eine Carbapenem-Resistenz bei gramnegativen Bakterien bedingen. Bei P. aeruginosa ist die Downregulation des äußeren Membranproteins OprD – hierdurch wird die Aufnahme von Beta-Lactamen in den periplasmatischen Raum deutlich reduziert – zusammen mit der Expression der natürlich vorkommenden AmpC- und einer erworbenen Klasse-D-Beta-Lactamase der häufigste Mechanismus der Carbapenem-Resistenz. Durch den einzigartigen Aufnahmemechanismus von Cefiderocol über aktive Eisentransportsysteme ist dieses Beta-Lactam jedoch auch gegen solche P.-aeruginosa-Stämme aktiv [22].

Bei der Bestimmung der antibakteriellen In-vitro-Aktivität von Cefiderocol spielt der Eisengehalt des Testmediums eine wichtige Rolle (Infokasten 2).

Infokasten 2. Messung der antibakteriellen Aktivität

Aufgrund des Wirkungsmechanismus von Cefiderocol spielt bei der Bestimmung seiner In-vitro-Aktivität der Eisengehalt des Testmediums eine wichtige Rolle. Die Menge der eisenregulierenden Proteine in der äußeren Membran der Bakterienzelle wird bei Eisenmangel erhöht. Daher wird unter solchen Bedingungen mehr Eisen – und eine größere Menge Cefiderocol – aufgenommen. Da mit steigendem Eisengehalt im Medium die Hemmkonzentrationen von Cefiderocol zunehmen, ist die antibakterielle In-vitro-Aktivität dieses Antibiotikums in speziellen Nährmedien mit reduziertem Eisengehalt zu testen (iron-depleted cation-adjusted Mueller-Hinton broth, ID-CAMHB).

Dosierung und Pharmakokinetik

Cefiderocol steht als Pulver zur Zubereitung für Infusionslösungen zur Verfügung: Alle acht Stunden werden 2 g der Substanz als dreistündige Infusion appliziert [7]. Cefiderocol zeigt eine lineare Pharmakokinetik. Der hydrophile Wirkstoff verteilt sich im Extrazellulärraum und wird hauptsächlich über die Nieren unverändert ausgeschieden. Bei Patienten mit renalen Funktionsstörungen (Creatinin-Clearance [CrCl] < 60 ml/min oder > 119 ml/min) ist die Dosis anzupassen [7]. Bei einer CrCl > 119 ml/min wird die Infusion alle sechs Stunden verabreicht, bei reduzierter Clearance wird das 8-stündige Dosierungsintervall beibehalten und die Dosis auf 1,5 g (CrCl 30 bis < 60 ml/min) bzw. 1,0 g (CrCl 15 bis < 30 ml/min) reduziert. Wichtige pharmakokinetische Parameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tab. 1. Pharmakokinetik von Cefiderocol i. v.1 [7, 22]

Parameter

Wert

Maximale Plasmakonzentration (cmax)

138 mg/l

Area under the Curve (AUC)

395 mg × h/l

Eliminationshalbwertszeit (t1/2)

2–3 h

Clearance (Cl)

5,18 ± 0,89 l/h

Renale Exkretion

61–71 %

Proteinbindung

40–60 %

1 Nach Gabe von 2,0 g als einstündige Infusion

Klinische Wirksamkeit

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Cefiderocol wurde in zahlreichen klinischen Studien untersucht. Für die Marktzulassung von Cefiderocol war die Phase-II-Studie APEKS-cUTI von entscheidender Bedeutung. Die Phase-III-Studien CREDIBLE-CR und APEKS-NP werfen Fragen zur Sicherheit der Substanz bei Pneumonien und Sepsen durch gramnegative Erreger auf.

APEKS-cUTI

In dieser randomisierten, multizentrischen, auf Nichtunterlegenheit ausgerichteten Doppelblindstudie [8, 13] wurde die Wirksamkeit von Cefiderocol im Vergleich zu Imipenem-Cilastatin bei hospitalisierten Erwachsenen mit komplizierten Harnwegsinfektionen durch gramnegative Bakterien verglichen. Die Patienten wurden 2 : 1 randomisiert und erhielten entweder

  • 2 g Cefiderocol oder
  • 1 g/1 g Imipenem-Cilastatin

als 60-minütige Infusion alle acht Stunden über sieben bis 14 Tage. Ausschlusskriterien waren Urinkulturen mit mehr als zwei bakteriellen Krankheitserregern, Harnwegsinfektionen mit Pilzen, Carbapenem-resistente Bakterien und ein CrCl-Wert < 20 ml/min. Der primäre Endpunkt der Studie war die klinische und mikrobiologische Antwort am Test-of-Cure(TOC)-Tag fünf bis neun Tage nach der letzten Dosis der Studienmedikation. Die klinische und mikrobiologische Antwort wurde in der mITT(modified intention-to-treat)-Population evaluiert; hierbei wurden alle randomisierten Teilnehmer eingeschlossen, die mindestens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten.

Insgesamt wurden 448 Patienten randomisiert; 371 Patienten waren in der mITT-Population eingeschlossen. In beiden Therapiearmen war E. coli der mit Abstand häufigste Krankheitserreger (60 % im Cefiderocol-Arm vs. 66 % im Imipenem-Cilastatin-Arm).

Den primären Endpunkt der Studie am TOC erreichten 183 (73 %) von 252 Patienten in der Cefiderocol-Gruppe und 65 (55 %) von 119 Patienten in der Imipenem-Cilastatin-Gruppe (adjusted treatment difference 18,58 Prozentpunkte, 95%-Konfidenzintervall [KI] 8,23–28,92; p = 0,0004). Das Kriterium der Nichtunterlegenheit wurde damit erfüllt. Am TOC war die mikrobiologische Antwort in der Cefiderocol-Gruppe höher als in der Imipenem-Cilastatin-Gruppe (73 % vs. 56 %; 95%-KI 6,92–27,58), bei der klinischen Antwort gab es keine Unterschiede (90 % vs. 87 %; 95%-KI 4,66–9,44). Obwohl die Studie auf den Nachweis einer Nichtunterlegenheit ausgelegt war, deutete eine Post-hoc-Analyse auf eine Überlegenheit der Cefiderocol-Behandlung hin.

CREDIBLE-CR (NCT02714595)

In dieser randomisierten, offenen, multizentrischen Studie [2, 8] mit 150 Patienten wurde eine Therapie

  • mit intravenös appliziertem Cefiderocol (2 g alle acht Stunden über sieben bis 14 Tage)
  • mit der besten verfügbaren Therapie (BAT)

bei schweren Erkrankungen durch Carbapenem-resistente gramnegative Bakterien verglichen. Zu den schweren Erkrankungen gehörten im Krankenhaus erworbene Lungenentzündungen (HAP), beatmungsassoziierte Pneumonien (VAP), allgemein erworbene Pneumonien, komplizierte Harnwegsinfektionen und Sepsis. Als primärer Endpunkt der Studie wurde die klinische Heilung der Patienten am TOC oder, bei Harnwegsinfektionen, die mikrobiologische Eradikation des Erregers am TOC definiert. 101 Patienten wurden in den Cefiderocol-Arm, 49 Patienten in den BAT-Arm randomisiert. Die meisten Patienten im Cefiderocol-Arm (82,5 %) erhielten eine Monotherapie, die meisten Patienten im BAT-Arm (71 %) eine Kombinationstherapie, meist mit Colistin enthaltenden Regimen.

In der CT-mITT-Population waren die klinischen Heilungsraten am TOC ähnlich hoch (52,5 % im Cefiderocol- und 50 % im BAT-Arm), die Mortalitätsraten (all-cause mortality) waren jedoch in der Cefiderocol-Gruppe an Tag 14, 28 und 49 höher als in der BAT-Gruppe (18,8 %, 24,8 %, 33,7 % vs. 12,2 %, 18,4 %, 18,4 %). Die größten Unterschiede in den Todesraten wurden an Tag 14, 28 und 49 bei Patienten mit Lungenentzündungen (Cefiderocol 24,4 %, 31,1 %, 42,2 % vs. BAT 13,6 %, 18,2 %, 18,2 %) und Sepsis gefunden (Cefiderocol 16,7 %, 23,3 %, 36,7 % vs. BAT 5,9 %, 17,6 %, 23,5 %). Die größten Unterschiede zwischen den Todesraten an Tag 49 wurden bei Patienten mit einer A.-baumannii-Infektion (Cefiderocol 19/39 [49 %] vs. BAT 4/17 [24 %]) und bei Patienten mit APACHE-II-Scores ≥ 16 (21/46 [46 %] vs. 5/22 [23 %]) dokumentiert.

Bei Patienten mit komplizierten Harnwegsinfektionen waren die Mortalitätsraten unter Cefiderocol hingegen niedriger als in der BAT-Gruppe (Cefiderocol vs. BAT an Tag 14: 11,5 % vs. 20 %, Tag 28: 15,4 % vs. 20 %, Tag 49: 15,4 % vs. 20 %).

APEKS-NP (NCT03032380)

In dieser aktiv-kontrollierten, randomisierten Doppelblind-Nichtunterlegenheitsstudie [8, 21] wurde die Wirksamkeit von Cefiderocol bei der Behandlung von nosokomial erworbenen Pneumonien durch gramnegative Bakterien untersucht. 300 Patienten wurden so randomisiert, dass sie entweder

  • Cefiderocol (2 g alle acht Stunden als 3-stündige Infusion, n = 152) oder
  • Meropenem (2 g alle acht Stunden als 3-stündige Infusion, n = 148) über sieben bis 14 Tage

erhielten. Patienten beider Therapiearme erhielten zusätzlich Linezolid (600 mg i. v. alle 12 Stunden für mindestens fünf Tage). Der primäre Endpunkt war die Mortalitätsrate (all-cause mortality) an Tag 14 in der mITT-Population mit einem Nichtunterlegenheitsintervall von 12,5 %.

Cefiderocol erwies sich einer Meropenem enthaltenden Therapie im Hinblick auf die Mortalität an Tag 14 (12,4 % vs. 11,6 %; Differenz 0,8 Prozentpunkte; 95%-KI –6,6 bis 8,2) und Tag 28 (21,2 % vs. 20,1 %; Differenz 1,1 Prozentpunkte; 95%-KI –8,0 bis 10,3) als nicht unterlegen. Sicherheitsbedenken ergaben sich jedoch am Therapieende: hier war die Mortalitätsrate unter Cefiderocol vergleichsweise erhöht (26,9 % vs. 22,8 %; Differenz 4,1 Prozentpunkte; 95%-KI –5,6 bis 13,8).

Kasuistiken

Eine klinische Wirksamkeit von Cefiderocol wurde in Fallserien (zum Beispiel [23]) und zahlreichen Fallberichten bei schweren Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Erregern dokumentiert. So erwies sich Cefiderocol beispielsweise bei einer Osteomyelitis durch einen multiresistenten A.-baumannii-Stamm [3], einer Osteomyelitis durch einen NDM1-bildenden P.-aeruginosa- und einen ESBL-bildenden K.-pneumoniae-Stamm [1], einer akuten Gelenkprotheseninfektion durch einen multiresistenten Enterobacter-hormaechei-Stamm [14], einer Endokarditis [5], einem Empyem [11] und einem intraabdominellen Abszess [15] durch multiresistente P.-aeruginosa-Stämme als wirksam. Aber auch bei Pneumonien durch multiresistente Erreger wurde in Kasuistiken von einem erfolgreichen Einsatz der Substanz berichtet. Ein Beispiel hierfür ist eine erfolgreich therapierte Pneumonie durch einen multiresistenten A.-baumannii- und einen Carbapenemase-bildenden K.-pneumoniae-Stamm [18].

Sicherheit und Verträglichkeit

Die in Phase-I- und Phase-II-Studien publizierten Daten deuten darauf hin, dass Cefiderocol gut vertragen wird und ein ähnliches Sicherheitsprofil wie andere Cephalosporine aufweist [8, 12, 13, 20]. Als häufigste Nebenwirkungen der Cefiderocol-Therapie traten in der Phase-II-Studie APEKS-cUTI Diarrhö (4 %), Hautreaktionen am Infusionsort (4 %), Verstopfung (3 %), Hautausschläge (3 %) sowie Candida-Infektionen, Husten, eine Erhöhung der Leberwerte, Kopfschmerzen, Hypokaliämie, Übelkeit und Erbrechen (jeweils 2 %) auf [8, 13].

In der Phase-III-Studie CREDIBLE-CR wurden unter Cefiderocol am häufigsten (in mindestens 10 % aller Fälle) Diarrhö, Pyrexie, Erbrechen und septischer Schock beobachtet [8, 21]. Der septische Schock war in beiden Therapiegruppen die am häufigsten auftretende schwere Nebenwirkung (Cefiderocol 11,9 % vs. BAT 12,2 %).

Die Ursache für die in der CREDIBLE-CR-Studie (und schließlich auch in APEKS-NP) dokumentierte erhöhte Mortalität unter Cefiderocol bei Patienten mit Lungenentzündungen oder Sepsis ist nicht geklärt. Einige der Todesfälle waren die Folge einer Verschlechterung oder Komplikation der Infektion oder der zugrundeliegenden Komorbiditäten [8].

Kontraindikationen und Arzneistoffwechselwirkungen

Über die Kontraindikationen und Arzneistoffwechselwirkungen von Cefiderocol ist noch wenig bekannt. Cefiderocol sollte nicht bei Personen mit einer bekannten Vorgeschichte schwerer Überempfindlichkeit gegen Beta-Lactam-Antibiotika eingesetzt werden [7]. Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit von Cefiderocol bei Patienten unter 18 Jahren gibt es bislang nicht. Daten über die Anwendbarkeit von Cefiderocol in der Schwangerschaft liegen ebenfalls nicht vor. Tierversuche deuten darauf hin, dass Cefiderocol in die Muttermilch übergeht [7]. In-vitro-Studien zeigen, dass Cefiderocol kein Inhibitor von Cytochrom-P450(CYP)-Enzymen wie CYP1A2, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, CYP2E1 und CYP3A4 und kein Induktor von CYP1A2, CYP2B6 und CYP3A4 ist [7].

Kommentar des Autors

Antibiotika mit einer Wirkung bei schweren Erkrankungen durch multiresistente gramnegative Bakterien werden dringend benötigt. Cefiderocol ist das bislang einzige Beta-Lactam-Antibiotikum, das durch nahezu alle von gramnegativen Bakterien gebildeten Beta-Lactamasen nicht oder nur geringfügig hydrolysiert wird und das in vitro auch gegen multiresistente Enterobacteriaceae und Non-Fermenter wirkt, die multiple Resistenzmechanismen ausbilden. In Studien der Phase I, II und III erwies sich Cefiderocol bei der Therapie von komplizierten Harnwegsinfektionen durch gramnegative Bakterien mit und ohne Multiresistenz als wirksam und sicher. Anders sieht die Situation bei der Therapie von Pneumonien und Sepsen durch multiresistente gramnegative Erreger aus – hier zeigten sich in klinischen Studien erhöhte Mortalitätsraten im Vergleich zur Standard- bzw. besten verfügbaren Therapie. Aufgrund der bislang vorliegenden Daten sollte Cefiderocol bei septischen Infektionen und Pneumonien nicht eingesetzt werden [7, 12]. Dies entspricht den Zulassungsbestimmungen nach Lesart der FDA, nach denen Cefiderocol nur bei komplizierten Harnwegsinfektionen mit definierten Erregern zugelassen ist. Es wird interessant sein herauszufinden, inwieweit andere schwere Erkrankungen durch multiresistente gramnegative Bakterien mit Cefiderocol therapiert werden können. Die bislang publizierten Kasuistiken deuten darauf hin, dass Cefiderocol bei vielen Erkrankungen erfolgreich eingesetzt werden kann, bei denen nur noch eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten oder sogar gar keine anderen antibakteriell wirksamen Arzneistoffe für den Patienten verfügbar sind.


Dr. rer. nat. Ingo Stock studierte in Bonn Biologie mit Schwerpunkt Mikrobiologie. In seiner Promotionszeit am dortigen Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie (Abteilung Pharmazeutische Mikrobiologie) beschäftigte er sich mit der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit der Enterobacteriaceae und charakterisierte dabei unter anderem die Beta-Lactamasen von Yersinien. Seit 2001 ist Ingo Stock freier Wissenschaftsautor und verfasst regelmäßig Beiträge für die Arzneimitteltherapie und die Medizinische Monatsschrift für Pharmazeuten.

Interessenkonflikterklärung

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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Dr. rer. nat. Ingo Stock, An der Ohligsmühle 63, 53 127 Bonn, E-Mail: Ingo_Stock@web.de

Cefiderocol – a new siderophore cephalosporin for the treatment of complicated urinary tract infections and other severe infections caused by aerobic gram-negative bacteria

Cefiderocol (Fetcroja®) is a siderophore cephalosporin that can be administered parenterally. It has demonstrated potent in vitro activities against a wide range of gram-negative pathogens, including multidrug-resistant bacteria such as carbapenemase producing Enterobacteriaceae and multidrug-resistant nonfermenting bacilli. In contrast to other beta-lactams, cefiderocol reaches the periplasm via bacterial iron transport systems and shows high hydrolysis stability towards almost all beta-lactamases. Fetcroja® has favorable pharmacokinetic properties and has been shown to be well tolerated in phase I and II clinical studies. In phase III studies, however, comparatively higher mortality rates were observed in the treatment of pneumonia and septic infections caused by multidrug-resistant pathogens applying cefiderocol. Fetcroja® has been approved by the European Commission in April 2020 for the treatment of infections with aerobic gram-negative bacteria in adults with limited treatment options. The substance is available as a powder for preparation for infusion solutions.

Key words: Cefiderocol, siderophore, gram-negative bacteria, Enterobacteriaceae, nonfermenting bacilli, multidrug resistance, carbapenem resistance, beta-lactamase, carbapenemase, enhanced mortality, clinical trial

Arzneimitteltherapie 2021; 39(01):13-18