Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Diabetes mellitus führt zu schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Im Rahmen der Mikroangiopathie kann es auch zu einer Herzinsuffizienz und zu einer progredienten Nierenschädigung kommen. Eine Reihe von SGLT2-Hemmern hat in randomisierten Studien gezeigt, dass diese Substanzen die Progredienz einer Herzinsuffizienz und von Nierenschäden verlangsamen können [1]. Ob dies auch für Ertugliflozin (Steglatro®) gilt, sollte jetzt in einer großen Placebo-kontrollierten Studie untersucht werden.
Studiendesign
In einer multizentrischen, doppelblinden Studie wurden Patienten mit Typ-2-Diabetes und arteriosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach dem Zufallsprinzip mit 5 mg oder 15 mg Ertugliflozin oder Placebo behandelt (Tab. 1).
Tab. 1. Studiendesign VERTIS CV [Cannon et al. 2020]
Indikation |
Diabetes mellitus |
Studientyp/Design |
Randomisiert, doppelblind |
Patienten |
8246 |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Kombination aus Tod durch kardiovaskuläre Ursachen, nichttödlichen Myokardinfarkten, nichttödlichen Schlaganfällen |
Sponsor |
Merck Sharp & Dohme und Pfizer |
Studienregisternummer |
NCT 01986881 |
Der primäre Endpunkt war die Nichtunterlegenheit von Ertugliflozin im Vergleich zu Placebo im Hinblick auf schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (Kombination aus Tod durch kardiovaskuläre Ursachen, nichttödlichen Myokardinfarkten, nichttödlichen Schlaganfällen). Die Nichtunterlegenheitsspanne betrug 1,3 (obere Grenze eines 95,6%-Konfidenzintervalls der Hazard-Ratio für Ertugliflozin versus Placebo).
Der sekundäre Endpunkt war die Kombination von Todesfällen durch kardiovaskuläre Ursachen oder Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 8246 Patienten randomisiert und im Mittel 3,5 Jahre nachverfolgt. Die Patienten waren im Mittel 64 Jahre alt und der Diabetes mellitus bestand seit 13 Jahren. 76 % der Patienten hatten eine koronare Herzerkrankung, 23 % einen Schlaganfall und 19 % eine periphere arterielle Verschlusskrankheit. 24 % hatten eine Herzinsuffizienz.
Unter 8238 Patienten, die mindestens eine Dosis Ertugliflozin erhielten, trat bei 653 von 5493 Patienten in der Ertugliflozin-Gruppe ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis auf (11,9 %) und bei 327 von 2745 Patienten (11,9 %) in der Placebo-Gruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,97; 95,6%-Konfidenzintervall [KI] 0,85–1,11; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit).
Tod durch kardiovaskuläre Ursachen oder ein Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz trat bei 444 von 5499 Patienten (8,1 %) in der Ertugliflozin-Gruppe auf und bei 250 von 2747 Patienten (9,1 %) in der Placebo-Gruppe (HR 0,88; 95,8%-KI 0,75–1,03; p = 0,11 für Überlegenheit).
Die Hazard-Ratio für Tod durch kardiovaskuläre Ursachen betrug 0,92 (95,8%-KI 0,77–1,11) und für Tod durch renale Ursachen, Nierenersatztherapie oder Verdoppelung des Serumcreatininspiegels 0,81 (95,8%-KI 0,63–1,04).
Amputationen wurden bei 54 Patienten (2,0 %) durchgeführt, die die 5-mg-Dosis Ertugliflozin erhielten, und bei 57 Patienten (2,1 %) unter der 15-mg-Dosis, im Vergleich zu 45 Patienten (1,6 %), die Placebo erhielten.
Kommentar
Die Ergebnisse der VERTIS-CV-Studie waren eine Überraschung, da sich weder ein Einfluss von Ertugliflozin auf kardiovaskuläre Endpunkte und die Herzinsuffizienz nachweisen ließ noch auf die Progression der Nierenschädigung. Warum diese Substanz weniger wirksam ist als Empagliflozin, Canagliflozin und Dapagliflozin [1] kann im Moment nicht erklärt werden. Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren allerdings ähnlich wie bei den Vergleichssubstanzen mit einem erhöhten Risiko für eine genitale Pilzinfektion oder eine Ketoazidose.
Quelle
Cannon CP, et al. Cardiovascular outcomes with ertugliflozin in type 2 diabetes. N Engl J Med 2020;383:1425–35.
Literatur
1. Filion KB, et al. Sodium glucose cotransporter 2 inhibitors and risk of major adverse cardiovascular events: multi-database retrospective cohort study. BMJ 2020;370:m3342.
Arzneimitteltherapie 2021; 39(01):25-37