Kompass zu verantwortungsvollen ärztlichen Entscheidungen


Veröffentlicht am: 21.01.2021

Prof. Dr. Egid Strehl, Freiburg

Mittelpunkt Mensch

Lehrbuch der Ethik in der Medizin

Von Giovanni Maio. Schattauer Verlag, Stuttgart, 2017. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. 544 Seiten, 3 Abbildungen, 14 Tabellen. Gebunden 32,00 Euro. ISBN 978-3-608-43066-0.

Der renommierte Medizinethiker Giovanni Maio, Inhaber des gleichnamigen Lehrstuhls an der Universität Freiburg, studierte Philosophie und Medizin in Freiburg, Straßburg und Hagen. Mit seinem komplett überarbeiteten Lehrbuch greift er unter anderem die omnipräsenten ethischen Streitthemen wie Sterbehilfe, Organspende, Reproduktionsmedizin und prädiktive Gendiagnostik auf.

Bevor sich der Autor verschiedenen Aspekten der Ethik in der Medizin in zwölf thematisch breit aufgefächerten Hauptkapiteln zuwendet, befasst er sich eingangs komprimiert mit der Frage „Wozu Ethik in der Medizin?“. Er schließt das über 500-seitige Werk mit einem sehr hilfreichen Personen- und mehr als 20-seitigen (!) Sachverzeichnis ab. Der Verfasser nähert sich dem komplexen Thema der „Ethik in der Medizin“ mit ihren philosophischen und historischen Grundlagen und diskutiert dann für die Medizinethik grundlegende Begriffe wie beispielsweise Krankheit, Gesundheit und medizinische Indikation. Danach folgt je eine Einführung in die Prinzipien- und die hermeneutische Ethik sowie in die Ethik der Sorge. Einen breiten Raum (fast 100 Seiten) nimmt die Ethik in der Begegnung von Arzt und Patient ein. Hier werden unter anderem das Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Wohltun erhellt, die Patientenwünsche gegen die Ziele der Medizin abgewogen und in mehreren Unterkapiteln die Ethik in der Psychiatrie untersucht. Ein eigenes, neues Kapitel der 2. Auflage widmet der Autor der Ethik in der Pflege. Den größten Umfang erhielten mit etwa 125 Seiten die zahlreichen medizinethischen Spezialthemen von der Forschung mit Embryonen und Stammzellen bis hin zu ökonomischen Fragen und solchen zur Ethik einer wunscherfüllenden Medizin. Eine höchst professionelle Rundumsicht und präzise Abwägung präsentiert auch das Kapitel „Ethik am Ende des Lebens“, in dem Maio unter anderem auf Hirntod, Sterbehilfe und den Umgang mit dem Leichnam im Studium eingeht. In dem mit „Abschluss“ überschriebenen Kapitel erschließt er sowohl vorherrschende Menschenbilder als auch die Hinwendung zum Patienten, wie sie im Gespräch des Therapeuten mit ihm ebenso zustande kommt wie durch aktives Zuhören. Besonders hervorgehoben soll schließlich auch noch werden, dass die ethischen Grundhaltungen des Verfassers wie auch ihr Begreifen durch den Leser exzellent durch die vorgestellten 44 Patientengeschichten – ja, Patientenschicksale – konkretisierend unterstützt werden.

Die Vorstellung des Buchs wäre völlig unvollkommen, bliebe unerwähnt, dass es der Autor bestens versteht, einerseits seine philosophischen und ethischen Überzeugungen argumentativ nüchtern und undogmatisch darzulegen und es andererseits evident werden zu lassen, dass ihm aber noch mehr am Herzen liegt, den Adressaten zu helfen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und damit zu verantwortungsvollen Entscheidungen im therapeutischen Alltag zu gelangen. Im Geleitwort heißt es hierzu, Maio will über allen Einzelproblemen die Gesamtperspektive des guten Lebens betonen.

In summa: Dieses Werk ist ein unschätzbarer Wegweiser, der Ratsuchenden zu einer klaren Orientierung verhilft und sie beim persönlichen Zurechtfinden in kontroversen ethischen Spannungsfeldern unterstützt.

Arzneimitteltherapie 2021; 39(01):23-23