Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Der Nutzen von Clopidogrel, Ticagrelor und Prasugrel in Kombination mit Acetylsalicylsäure ist bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom und einer perkutanen Koronarintervention (PCI) mit Stenting gut belegt. Die Komplikationsrate nach elektiver Koronarintervention ist allerdings weniger gut untersucht. Hier sind die häufigsten Komplikationen ein akuter Myokardinfarkt, eine Myokardnekrose oder eine Stentthrombose.
Das Ziel der ALPHEUS-Studie war es, zu untersuchen, ob Ticagrelor periprozedurale myokardiale Nekrosen bei solchen Patienten im Vergleich zu Clopidogrel reduziert.
Studiendesign
Die ALPHEUS-Studie (Tab. 1), eine randomisierte, offene Phase-IIIb-Studie, wurde in 49 Krankenhäusern in Frankreich und der Tschechischen Republik durchgeführt [1]. Eingeschlossen wurden Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung mit der Indikation für eine perkutane Koronarintervention.
Tab. 1. Studiendesign [Silvain et al. 2020]
Indikation |
Elektive perkutane Koronarintervention |
Studientyp/Design |
Randomisiert, open Label |
Patienten |
1910 randomisiert |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Myokardinfarkt oder signifikante Myokardnekrose |
Sponsor |
ACTION Study Group und AstraZeneca |
Studienregisternummer |
NCT 02617290 |
Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip entweder mit Ticagrelor (Loading-Dose 180 mg, danach 90 mg zweimal täglich für 30 Tage) oder Clopidogrel (Loading-Dose 300 bis 600 mg, danach 75 mg täglich für 30 Tage) behandelt.
Der primäre Studienendpunkt war die Kombination aus den Ereignissen Myokardinfarkt und signifikante Myokardnekrose, definiert als eine Erhöhung des Troponins > 5-mal der oberen Normgrenze.
Der primäre Sicherheitsendpunkt umfasste schwerwiegende Blutungen innerhalb von 48 Stunden nach der PCI.
Ergebnisse
Zwischen Januar 2017 und Mai 2020 wurden 1910 Patienten randomisiert, 956 in die Ticagrelor-Gruppe und 954 in die Clopidogrel-Gruppe. 15 Patienten wurden aus der Ticagrelor-Gruppe und 12 aus der Clopidogrel-Gruppe ausgeschlossen. Die Patienten waren im Mittel 66 Jahre alt und 80 % waren Männer. 37 % hatten bereits zuvor eine PCI erhalten. Fast alle Patienten waren mit Acetylsalicylsäure vorbehandelt.
Nach 48 Stunden wurde der primäre Endpunkt bei 334/941 Patienten (35 %) in der Ticagrelor-Gruppe und 341/942 Patienten (36 %) in der Clopidogrel-Gruppe erreicht (Odds-Ratio [OR] 0,97; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,80–1,17; p = 0,75).
Die schwerwiegenden Blutungskomplikationen unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen.
Kleinere Blutungsereignisse wurden innerhalb von 30 Tagen unter Ticagrelor häufiger beobachtet als unter Clopidogrel (105 [11 %] von 941 Patienten in der Ticagrelor-Gruppe gegenüber 71 [8 %] von 942 Patienten in der Clopidogrel-Gruppe; OR 1,54; 95%-KI 1,12–2,11; p = 0,0070).
Kommentar
Die vorliegende Studie war mit der Hypothese durchgeführt worden, dass Ticagrelor bei Koronarinterventionen, die elektiv durchgeführt werden, seltener zu Myokardinfarkten oder Myokardnekrosen führt als Clopidogrel. Grundlage dieser Annahme ist die Tatsache, dass Ticagrelor ein potenterer Thrombozytenfunktionshemmer ist als Clopidogrel. Die Hypothese hat sich nicht bestätigt. Clopidogrel war genauso wirksam wie Ticagrelor. Da es unter Ticagrelor vermehrt zu kleineren Blutungskomplikationen kam, sollte bei Patienten, die sich einer elektiven Koronarintervention unterziehen, Clopidogrel eingesetzt werden.
Quelle
Silvain J, et al. Ticagrelor versus clopidogrel in elective percutaneous coronary intervention (ALPHEUS): a randomised, open-label, phase 3b trial. Lancet 2020; doi.org/10.1016/S0140-6736(20)32236-4.
Literatur
1. Silvain J, et al. Blunting periprocedural myocardial necrosis: Rationale and design of the randomized ALPHEUS study. Am Heart J 2020;225:27–37.
Arzneimitteltherapie 2021; 39(01):25-37