Rheumatoide Arthritis

Gleichzeitige Einnahme oraler Glucocorticoide und Protonenpumpenhemmer kann Risiko für Osteoporose-bedingte Frakturen erhöhen


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und einem Osteoporose-bedingten Frakturrisiko sollte eine gleichzeitige Anwendung von oralen Glucocorticoiden und Protonenpumpenhemmern kritisch überdacht werden. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer kürzlich publizierten Kohortenstudie.

Orale Glucocorticoide (GC) gehören zur Standardtherapie der rheumatoiden Arthritis (RA). Es ist bekannt, dass eine längerfristige Anwendung das Risiko für Osteoporose-bedingte Frakturen erhöht. Nicht selten erhalten RA-Patienten als Co-Medikation zu nichtsteroidalen Antirheumatika zudem Protonenpumpenhemmer (PPI). Ob ein Zusammenhang zwischen PPI und Frakturrisiko besteht, ist weniger gut bekannt. In einem kürzlich publizierten systematischen Review ergab sich allerdings ein erhöhtes Frakturrisko abhängig von der Einnahmedauer [1].

Mithilfe einer Kohortenstudie sollte nun untersucht werden, inwiefern eine gleichzeitige Anwendung von GC und PPI das Risiko für Osteoporose-bedingte Frakturen erhöhen könnte.

Studiendesign

In die Kohortenstudie wurden Daten von Patienten mit RA und einem Alter von über 50 Jahren eingeschlossen. Quelle war der Beobachtungs- und Interventionsforschungsdienst des britischen Gesundheitsministeriums „Clinical Practice Research Datalink“ (Tab. 1). Die Einnahme oraler GC und PPI wurde unterteilt in

  • Derzeitige Anwendung anhand der letzten Verschreibung (≤ 6 Monate),
  • Kürzlich zurückliegende Anwendung (7–12 Monate) und
  • Frühere Anwendung (> 1 Jahr).

Tab. 1. Studiendesign [Abtahi et al. 2020]

Erkrankung

Rheumatoide Arthritis (RA)

Studiendesign

Populationsbasierte Kohortenstudie; Daten aus dem „Clinical Practice Research Datalink“ (1997 bis 2017)

Eingeschlossene Patienten

12 351 Patienten mit RA, 1411 Frakturen

  • GC + PPI: n = 4254
  • Nur GC: n = 2136
  • Nur PPI: n = 2823
  • Weder GC noch PPI: n = 3138

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GC: orale Glucocorticoide; PPI: Protonenpumpenhemmer

Außerdem wurden die durchschnittliche tägliche und kumulative Dosis sowie die Anwendungsdauer berücksichtigt. Das Risiko für Osteoporose-bedingte Frakturen (Hüfte, Wirbel, Oberarm, Unterarm, Becken, Rippen) wurde durch zeitabhängige Cox-Proportional-Hazard-Modelle geschätzt – unter Einbeziehung von Lebensstilparametern, Komorbidität und Komedikation.

Studienergebnisse

Die 12 351 eingeschlossenen Patienten waren im Mittel 68 Jahre alt. Mehr als zwei Drittel waren weiblich. Insgesamt traten 1411 Osteoporose-bedingte Frakturen auf. Eine gleichzeitige Anwendung oraler GC und PPI war im Vergleich zur Nichtanwendung mit einem 1,6-fach erhöhten Risiko für Osteoporose-bedingte Frakturen verbunden (Hazard-Ratio [HR] 1,60; Tab. 2). Dieses Risiko war statistisch signifikant höher als bei alleiniger Anwendung einer der beiden Substanzklassen (HR jeweils 1,2; Tab. 2).

Tab. 2. Studienergebnisse (nach [Abtahi et al. 2020])

Gruppe

Hazard-Ratio*

(95%-Konfidenzintervall)

Derzeitiger Gebrauch: GC plus PPI

1,60 (1,35–1,89)

Derzeitiger Gebrauch: GC allein

1,23 (1,03–1,47)

Derzeitiger Gebrauch: PPI allein

1,22 (1,05–1,42)

Kürzlich zurückliegender Gebrauch: GC allein

0,82 (0,58–1,16)

Kürzlich zurückliegender Gebrauch: PPI allein

1,17 (0,87–1,57)

Früherer Gebrauch: GC allein

1,13 (0,98–1,29)

Früherer Gebrauch: PPI allein

0,94 (0,80–1,10)

* Im Vergleich zur Nichtanwendung

GC: orale Glucocorticoide; PPI: Protonenpumpenhemmer

An den meisten Stellen war die gleichzeitige Anwendung oraler GC und PPI im Vergleich zur Nichtanwendung mit einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert: So ergab sich ein 1,5-fach erhöhtes Risiko für Hüftfrakturen, ein 2,8-fach erhöhtes Risiko für Wirbelkörperfrakturen, ein 2,5-fach erhöhtes Risiko für Beckenfrakturen und ein 4-fach erhöhtes Risiko für Rippenbrüche. Das Risiko eines Bruchs des Ober- oder Unterarms war nicht erhöht.

Bei gleichzeitiger Einnahme beider Substanzklassen stieg das Frakturrisiko mit höherer Tagesdosis oder längerer Dauer der PPI-Anwendung nicht weiter.

Fazit der Autoren

Natürlich lassen sich mit einer Kohortenstudie keine Kausalzusammenhänge klären. Die Autoren räumen selbst ein, dass Patienten mit höherer Krankheitsaktivität ein erhöhtes Frakturrisiko haben könnten und gleichzeitig eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, orale GC und PPI zu erhalten. Um diesen Bias zu minimieren, berücksichtigten sie für ihre statistische Auswertung verschiedene Indikatoren für den Schweregrad der RA wie den Gebrauch von Antirheumatika. PPI, die nicht vom Arzt verschrieben wurden, konnten nicht erfasst werden.

Dennoch lässt sich zusammenfassen, dass dieser Studie zufolge eine Wechselwirkung zwischen dem Risiko Osteoporose-bedingter Frakturen und der gleichzeitigen Anwendung oraler GC und PPI besteht. Bevor ein Patient mit rheumatoider Arthritis beide Substanzklassen erhält, sollte eine Bewertung des Frakturrisikos erfolgen, so die Autoren.

Kommentar

Die Autoren dieser Studie haben eine etwas eingeschränkte Sicht der Problematik. Glucocorticoide sind leider nach wie vor bei vielen Patienten Bestandteil der Therapie der rheumatoiden Arthritis. Sowohl behandelnde Ärzte als auch Patienten sind jederzeit bemüht, die Dosis der Glucocorticoide so niedrig wie möglich zu halten, um ihre vielfältigen unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu minimieren.

Die Indikation für die Gabe von Protonenpumpenhemmern ist vielfältig: Dazu gehören unter anderem Gastritis und Sodbrennen, die Prophylaxe von Magen- und Duodenalulcera unter der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika und die Prophylaxe von oberen gastrointestinalen Blutungen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Patienten, die unter vaskulären Erkrankungen wie beispielsweise einer koronaren Herzerkrankung, einem ischämischen Schlaganfall oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit leiden, Thrombozytenfunktionshemmer einnehmen müssen. Bei Menschen im Alter über 75 Jahre steigt das Risiko oberer gastrointestinaler Blutungen unter der Einnahme von Thrombozytenfunktionshemmern steil an, wobei dieses Risiko durch die Einnahme von Protonenpumpenhemmern reduziert werden kann. Protonenpumpenhemmer sollten allerdings nicht unkritisch eingesetzt werden, wenn keine klare Indikation für die Anwendung besteht. Osteoporotische Frakturen sind belastend und benötigen eine gezielte Therapie. Obere gastrointestinale Blutungen können allerdings im Gegensatz zu osteoporotischen Frakturen durchaus tödlich verlaufen. Dies muss bei der Risikobeurteilung berücksichtigt werden.

Quelle

Abtahi S, et al. Concomitant use of oral glucocorticoids and proton pump inhibitors and risk of osteoporotic fractures among patients with rheumatoid arthritis: a population-based cohort study. Ann Rheum Dis 2020 Dec 11. doi: 10,1136/annrheumdis-2020-218758, Online ahead of print.

Literatur

1. Nassar Y & Richter S. Proton-pump inhibitor use and fracture risk: an updated systematic review and meta-analysis. J Bone Metab 2018;25:141–51.

Arzneimitteltherapie 2021; 39(03):83-97