Chronische Graft-versus-Host-Erkrankung (cGVHD)

Überlegene Wirksamkeit von Ruxolitinib


Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Bei Patienten mit Glucocorticoid-refraktärer chronischer Graft-versus-Host-Erkrankung (cGVHD) zeigt der orale JAK1/2-Hemmer Ruxolitinib im Vergleich zur besten verfügbaren Therapie nach Wahl des Arztes eine überlegene Wirksamkeit, gemessen durch eine höhere Gesamtansprechrate, ein längeres rückfallfreies Überleben und eine stärkere Symptomverbesserung. Das zeigte sich in der REACH-3-Studie, deren initiale Ergebnisse während des amerikanischen Hämatologie-Kongresses vorgestellt wurden.

Zu einer chronischen GVHD kommt es bei ungefähr 30 bis 70 % der Patienten, die einer allogenen Stammzelltransplantation unterzogen wurden. Sie führt zu Mortalität und Morbidität, die gar nichts mit der ursprünglichen malignen Erkrankung zu tun haben. Der Standard in der Erstlinientherapie sind Glucocorticoide, allerdings werden leider 50 % aller Patienten dagegen refraktär oder abhängig (R/D) davon. Bislang gibt es noch keine Zweitlinientherapie, und es wurden keine großen, randomisierten Studien dazu durchgeführt. Einige neue Ansatzpunkte mit zielgerichteten Therapien werden zurzeit untersucht, unter anderem die Wirksamkeit von JAK1-Inhibitoren.

Präklinische Daten sprechen für stark entzündungshemmende Eigenschaften des oralen JAK1/2-Hemmers Ruxolitinib, und initiale klinische Daten in Form einer retrospektiven Umfrage bei 19 Stammzelltransplantationszentren in Europa deuteten schon auf ein Ansprechen unter Ruxolitinb hin [2]. Es folgte die Phase-III-Studie REACH 2, in der eine Überlegenheit von Ruxolitinib bei Glucocorticoid-refraktärer (SR)-akuter GVHD (aGVHD) gegenüber bestverfügbarer Therapie (BAT) gezeigt werden konnte.

In der offenen, randomisierten Phase-III-Studie REACH 3 wurde nun der Einsatz von Ruxolitinib im Vergleich zu BAT bei Patienten mit SR/D chronischer GVHD untersucht.

Die REACH-3-Studie

In die Studie eingeschlossen wurden Patienten, die ≥ 12 Jahre alt waren, eine allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation erhalten und danach eine mittelschwere oder schwere SR/D cGVHD entwickelt hatten [1].

Patienten, die vorher schon mit JAK-Hemmern für eine aGVHD behandelt worden waren, waren zugelassen, wenn sie ein vollständiges oder partielles Ansprechen (CR, PR) erreicht hatten und die JAK-Hemmer-Behandlung für ≥ 8 Wochen vor Zyklus 1 Tag 1 abgeschlossen war.

Patienten, die mit ≥ 2 früheren Linien einer systemischen Therapie für cGVHD zusätzlich zu Glucocorticoiden ± Calcineurin-Inhibitoren behandelt worden waren, wurden allerdings nicht in die Studie aufgenommen.

Therapie

Die Patienten wurden 1 : 1 randomisiert und erhielten dann

entweder

  • 10 mg Ruxolitinib zweimal täglich oder
  • eine vom Prüfer ausgewählte alternative Therapie (BAT), wobei hier zehn verschiedene Optionen zur Verfügung standen

und wurden damit für sechs Zyklen (1 Zyklus = 28 Tage) behandelt.

Ihr Regime aus Glucocorticoiden ± Calcineurin-Inhibitoren erhielten sie weiterhin. Virale Prophylaxe und Antibiotika waren bei Bedarf zur Infektionsprävention und -behandlung zugelassen.

Ein Crossover von BAT zu Ruxolitinib war am oder nach Zyklus 7 Tag 1 (C7D1) für die Patienten erlaubt, die CR/PR nicht erreichten oder aufrechterhielten, Toxizität für BAT entwickelten oder ein cGVHD-Flare hatten.

Endpunkte

Der primäre Endpunkt war die Gesamtansprechrate (ORR) an Tag 1 des 7. Zyklus (C7D1), wobei die ORR definiert war als der Anteil der Patienten, die nach den NIH-Konsenskriterien ein CR oder eine PR erreichten.

Wichtige sekundäre Endpunkte waren das rückfallfreie Überleben (FFS; definiert als Zeit bis zum frühesten Wiederauftreten der zugrunde liegenden Krankheit, Beginn einer neuen systemischen Behandlung für cGVHD oder Tod) und die Verbesserung der Symptome basierend auf einer Veränderung des modifizierten Lee-Symptom-Scores (mLSS). Von den insgesamt 329 Patienten wiesen 48 % eine mittelschwere und 52 % schwere cGVHD auf.

Ergebnisse

Zum Zeitpunkt der jetzt vorgestellten Zwischenanalyse war der primäre Endpunkt erreicht worden: Bei C7D1 war ORR im Ruxolitinib-Arm im Vergleich zu BAT signifikant höher (50 % vs. 26 %; Odds-Ratio 2,99; p < 0,0001); auch die CR-Rate war unter Ruxolitinib höher (7 % vs. 3 %) (Tab. 1).

Tab. 1. Am ersten Tag des siebten Zyklus war der primäre Endpunkt der REACH-3-Studie erreicht: Die Gesamtansprechrate (ORR) im Ruxolitinib-Arm war signifikant höher als unter einer vom Prüfer ausgewählten alternativen Therapie (BAT) (mod. nach [1]).

Antwort

Ruxolitinib [n (%)](n = 165)

BAT [n (%)] (n = 164)

Odds-Ratio
(95%-KI)

p-Wert

CR

11 (7)

5 (3)

NA

NA

PR

71 (43)

37 (23)

NA

NA

ORR

82 (50)

42 (26)

2,99 (1,86–4,80)

< 0,0001

CR: vollständiges Ansprechen; KI: Konfidenzintervall; n: Anzahl; NA: nicht verfügbar; PR: partielles Ansprechen

Beide sekundären Endpunkte zeigten ebenfalls eine Überlegenheit von Ruxolitinib gegenüber BAT: Das FFS war bei Ruxolitinib-behandelten Patienten signifikant länger (Median-FFS: nicht erreicht vs. 5,7 Monate; Hazard-Ratio [HR] 0,370; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,268–0,510; p < 0,0001; Abb. 1). Die Symptome hatten sich im Verum-Arm ebenfalls signifikant verbessert im Vergleich zum BAT-Arm (mLSS-Ansprechrate: 24 % vs. 11 %; OR 2,62; p = 0,0011).

Abb. 1. Auch das rückfallfreie Überleben war in der REACH-3-Studie für die Patienten im Ruxolitinib-Arm signifikant länger als für die Patienten im BAT-Arm (vom Prüfer ausgewählte alternative Therapie) (mod. nach [1]).

Sicherheit

Die Nebenwirkungsraten bis C7D1 waren in den beiden Armen vergleichbar hoch (Ruxolitinib 98 % [Klasse ≥ 3, 57 %]; BAT 92 % [Grad ≥ 3, 58 %]).

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen ≥ 15 % in den Ruxolitinib- vs. BAT-Armen waren Anämie (29 % vs. 13 %), Bluthochdruck (16 % vs. 13 %), Fieber (16 % vs. 9 %) und ALT-Anstieg (15 % vs. 4 %).

Fazit der Autoren

Dies ist die erste erfolgreiche randomisierte Phase-III-Studie mit erwachsenen Patienten mit cGVHD und inadäquatem Ansprechen auf Glucocorticoide. Im Vergleich zu BAT zeigte Ruxolitinib dabei nach 24 Wochen eine signifikant höhere ORR, eine signifikante Verlängerung des FFS und eine Verbesserung der Symptome. Die häufigsten Nebenwirkungen im Ruxolitinib-Arm waren Anämie und Thrombozytopenie.

Ruxolitinib (Jakavi®) ist bislang für die Behandlung einiger myeloproliferativen Neoplasien zugelassen und sollte nach Ansicht der Autoren aufgrund der Ergebnisse der REACH-3-Studie auch bald Verwendung finden als Zweitlinientherapie bei cGVHD nach Behandlung mit Glucocorticoiden.

Abkürzungsverzeichnis

aGVHD

Akute Graft-versus-Host-Erkrankung

BAT

Beste verfügbare Therapie

C7D1

Zyklus 7 Tag 1

cGVHD

Chronische Graft-versus-Host-Erkrankung

FFS

Rückfallfreies Überleben

mLSS

Modifizierter Lee-Symptom-Scores

Literatur

1. Zeiser R, et al: Ruxolitinib (RUX) vs best available therapy (BAT) in patients with steroid-refractory/steroid-dependent chronic graft-vs-host disease (cGVHD). ASH 2020:Abstract 77.

2. Zeiser R, et al. Ruxolitinib in corticosteroid-refractory graft-versus-host disease after allogeneic stem cell transplantation: a multicenter survey Leukemia 2015;29:2062–8.

Arzneimitteltherapie 2021; 39(03):83-97