Dr. med. Peter Stiefelhagen, Starnberg

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Die Pandemie hat die Hämatoonkologie in besonderer Weise getroffen. Nicht nur dass wissenschaftliche Aktivitäten ausgebremst wurden und der Kongress der American Society of Hematology (ASH) diesmal virtuell stattfinden musste, sondern Patienten mit einer hämatoonkologischen Erkrankung sind auch besonders gefährdet für eine Infektion mit dem COVID-19-Virus und der Verlauf ist schwerer sowie die Prognose schlechter. Dazu kommen Beeinträchtigungen und Engpässe bei der Versorgung, das heißt, Patienten meiden aus Angst vor einer Infektion medizinische Einrichtungen, sodass Diagnosen verspätet gestellt werden oder die Therapie erst mit einer Verzögerung eingeleitet oder unterbrochen wird. Was dies für die Prognose betroffener Patienten bedeutet, ist im Moment noch nicht absehbar.

Doch auch unter erschwerten Bedingungen konnte der Kongress wieder einmal unter Beweis stellen, welche Dynamik diesem Fachgebiet inne ist und mit welchen innovativen Strategien man bei vielen hämatologischen und hämatoonkologischen Erkrankungen dem Ziel näher kommt, aus einer potenziell tödlichen eine zwar noch nicht heilbare, aber chronische Erkrankung zu machen.

Was waren die Höhepunkte des Kongresses?

Bei monogenetischen hämatologischen Erkrankungen wie Hämophilie, Thalassämie und Sichelzellkrankheit geben Ergebnisse erster Studien Anlass zur Hoffnung, dass mit einer Gentherapie mittels viraler Vektoren oder mittels mRNA solche Erkrankungen in Zukunft geheilt werden könnten.

Bezüglich COVID-19 konnte in einer experimentellen Studie eine günstige Wirkung durch T-Zellen von Genesenen gezeigt werden. Ein anderer Ansatz ist die Hemmung von Komponenten des stark aktivierten Komplementsystems mit monoklonalen Antikörpern.

Bei der chronischen Graft-versus-Host-Reaktion (cGVH) überzeugte der JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib in der Zweitlinientherapie (REACH3-Studie).

Was die CAR-T-Zelltherapie beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) betrifft, so stellt sich die Frage, warum nur jeder zweite Patient dauerhaft anspricht. Ist es die im Verlauf nachlassende Expression oder eine Mutation von CD19? Gibt es Patienten, bei denen andere Targets entscheidend sind? Neue CAR-T-Zellpräparate und bispezifische Antikörper könnten hier einen Fortschritt bringen.

Die CAR-T-Zelltherapie hat auch beim multiplen Myelom (MM) Einzug in die Therapie gehalten und es gibt erste positive Daten bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL).

Dass weniger mehr sein kann, zeigt eine Studie, bei der das bisher etablierte hochdosierte Methotrexat beim DLBCL nicht vor einem ZNS-Rezidiv schützt. Die HARMONY-Studie belegt erneut, dass Big-Data-Plattformen das individualisierte Management bei hämatoonkologischen Erkrankungen wesentlich optimieren können.

Im Rahmen der APOLLO-3-Studie konnte gezeigt werden, dass der monoklonale Anti-CD38-Antikörper Daratumumab (Darzalex®) s. c. zusätzlich gegeben zu Pomalidomid und Dexamethason bei Patienten mit einem rezidivierten oder refraktären MM die Prognose verbessert.

Und auch für Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) gibt es Neues. Mit Asciminib steht der erste Vertreter einer ganz neuen Substanzklasse, nämlich der STAMP(Specifically targeting the ABL myristoyl pocket)-Inhibitoren zur Verfügung, dessen Wirkungsmechanismus sich von den etablierten Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) wesentlich unterscheidet. Im Vergleich mit dem TKI Bosutinib erwies sich Asciminib bei Patienten mit einer neu diagnostizierten CML oder bei solchen, die bereits mindestens zwei TKI erhalten hatten, als überlegen.

Ein innovativer Therapieansatz sind auch die bispezifischen T-Zell-Antikörper wie Mosunetuzumab, Glofitamab und Cevostamab. In ersten Studien konnten mit Mosunetuzumab und Glofitamab komplette Remissions-Raten von über 50 % bei Patienten mit einem r/r (relapsing/remitting) DLBCL und r/r NHL (Non-Hodgkin-Lymphom) dokumentiert werden. In der Erstlinientherapie bei Patienten, die nicht für eine komplette Immunchemotherapie geeignet waren, lag die Erfolgsrate bei 45,5 %. Und auch beim MM erwies sich Cevostamab bei intensiv vorbehandelten Patienten mit einer Rate für vollständige Remission von über 50 % als gut wirksam.

Arzneimitteltherapie 2021; 39(04):109-109