Diabetes mellitus Typ 2

Wirksamkeit und Sicherheit von höheren Dulaglutid-Dosen bei Metformin-Patienten


Dr. Sabine Fischer, Stuttgart

Glucagon-like Peptid-1-Rezeptoragonisten werden gemäß aktueller Leitlinie häufig zur Intensivierung der Behandlung nach Metformin-Gabe eingesetzt. Um Nebenwirkungen gering zu halten, werden niedrige Dosen verwendet. In der vorliegenden Studie untersuchten die Studienautoren die Wirksamkeit und Sicherheit höherer Dosen von Dulaglutid.

Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist eine langfristige Aufrechterhaltung der Blutzuckerkontrolle erforderlich, um das Risiko von mikro- und makrovaskulären Komplikationen zu verringern. Die Intensivierung der Behandlung ist im Laufe der Zeit erforderlich, wobei die meisten Patienten möglicherweise zwei oder mehr Medikamente benötigen, um die glykämischen Ziele zu erreichen und aufrechtzuerhalten.

Aktuelle Leitlinien empfehlen Glucagon-like Peptid-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) im Anschluss an eine Metformin-Therapie. Die meisten Substanzen dieser Klasse zeichnen sich durch eine gute Reduktion der Glucose-Spiegel, ein geringes Hypoglykämierisiko, das Potenzial zur Gewichtsreduktion und einen nachgewiesenen kardiovaskulären Nutzen aus.

Bislang wurde Dulaglutid (Trulicity®) in Dosen von 0,75 mg oder 1,5 mg pro Woche eingesetzt, um Nebenwirkungen zu reduzieren (Kasten: Zulassungserweiterung Trulicity®). In der vorliegenden Studie untersuchten die Autoren die Wirksamkeit und Sicherheit höherer Dulaglutid-Dosen.

Zulassugserweiterung Trulicity®

Mittlerweile hat die Europäische Kommission Dulaglutid in höheren Dosierungen zugelassen. Seit 15.01.2021 sind Fertigpens in den Stärken 3 mg und 4,5 mg erhältlich.

Studiendesign

Diese multizentrische, randomisierte, doppelblinde Parallelarmstudie umfasste 1842 Patienten (Tab. 1). Voraussetzungen waren ein Typ-2-Diabetes seit mindestens sechs Monaten mit HbA1c ≥ 7,5 % (58 mmol/mol) und ≤ 11,0 % (97 mmol/mol), ein BMI von mindestens 25 kg/m2, Insulin- und GLP-1-RA-Naivität und eine Einnahme von Metformin ≥ 1500 mg pro Tag für ≥ 3 Monate.

Tab. 1. Studiendesign [nach Frias et al. 2021]

Erkrankung

Diabete mellitus Typ 2

Studienziel

Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit höherer Dulaglutid-Dosen als üblich

Studientyp

Interventionsstudie

Studiendesign

Randomisiert, doppelblind, multizentrisch, parallele Arme

Eingeschlossene Patienten

1842 Patienten mit Typ-2-Diabetes seit mindestens 6 Monaten und einem HbA1c ≥ 7,5 % sowie einem BMI > 25 kg/m2

Intervention

Randomisierte Zuordnung 1 : 1 : 1 zu Dulaglutid einmal wöchentlich

  • 1,5 mg
  • 3 mg
  • 4,5 mg

Primärer Endpunkt

Bestimmung der Überlegenheit von Dulaglutid 3,0 mg bzw. 4,5 mg gegenüber 1,5 mg nach 36 Wochen bezüglich der HbA1c-Reduktion

Sekundäre Endpunkte

u. a. Veränderung des Körpergewichts

Sponsor

Eli Lilly and Company

Studienregisternummer

NCT 03495102

Die Randomisierung erfolgte 1 : 1 : 1 zu Dulaglutid 1,5 mg (n = 612), 3,0 mg (n = 616) und 4,5 mg (n = 614 jeweils einmal wöchentlich. Alle Patienten begannen mit einer Dosis von 0,75 mg, die zur jeweiligen Zieldosierung gesteigert wurde.

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Bestimmung der Überlegenheit von Dulaglutid 3,0 mg und/oder 4,5 mg gegenüber 1,5 mg bei der HbA1c-Reduktion nach 36 Wochen. Zu den sekundären Wirksamkeitsendpunkten gehörte unter anderem die Veränderung des Körpergewichts.

Für die Analyse der primären und sekundären Wirksamkeitsendpunkte nach 36 Wochen wurden zwei primäre Estimanden (Kasten: Was ist ein Estimand) definiert: ein Estimand für das Behandlungsschema und ein Estimand für die Wirksamkeit.

Was ist ein Estimand?

Unter Estimand (deutsch: „das zu Schätzende“) wird der in einer geplanten Studie zu schätzende Effekt verstanden, etwa der Unterschied zwischen zwei Medikamenten bezüglich eines patientenrelevanten Endpunkts unter bestimmten zu wählenden Bedingungen. Diese hängen unter anderem von der interessierenden Population, dem Umgang mit auftretenden Zwischenereignissen sowie dem verwendeten Effektmaß ab [1].

  • Der Estimand des Behandlungsschemas umfasste alle Basis- und Endpunktdaten (entweder 36-Wochen- oder 52-Wochen-Daten), die unabhängig vom Beginn einer neuen antihyperglykämischen Therapie oder dem vorzeitigen Absetzen der Behandlung erhoben wurden.
  • Der Wirksamkeitsestimand umfasste Daten von allen Untersuchungen in der Studie bis entweder zur Einleitung eines neuen antihyperglykämischen Medikaments für mehr als 14 Tage oder zum vorzeitigen Absetzen der Behandlung, je nachdem, was zuerst eintrat.

Hohe Dosen von Dulaglutid senken stärker HbA1c und Gewicht

Der mittlere HbA1c- und BMI-Ausgangswert der randomisieren Patienten (n = 1842) betrug 8,6 % (70 mmol/mol) bzw. 34,2 kg/m2.

  • Nach 36 Wochen führte die Gabe von Dulaglutid 4,5 mg pro Woche zu einer überlegenen HbA1c-Reduktion im Vergleich zu 1,5 mg pro Woche:
  • Estimand des Behandlungsschemas: –1,77 vs. –1,54 Prozentpunkte, geschätzter Behandlungsunterschied (ETD) –0,24 Prozentpunkte; p < 0,001;
  • Wirksamkeitsestimand: –1,87 vs. –1,53 Prozentpunkte, ETD –0,34 Prozentpunkte; p < 0,001.
  • Eine Dosis von Dulaglutid 3,0 mg pro Woche war 1,5 mg pro Woche zur Reduktion von HbA1c überlegen, wenn der Wirksamkeitsestimand verwendet wurde, nicht jedoch beim Estimand für das Behandlungsschema.
  • Estimand des Behandlungsschemas: ETD –0,10 Prozentpunkte; p = 0,096
  • Wirksamkeitsestimand: ETD –0,17 Prozentpunkte; p = 0,003
  • Die wöchentliche Gabe von 4,5 mg Dulaglutid war der von nur 1,5 mg bezüglich des Gewichtsverlusts nach 36 Wochen für beide Estimanden überlegen.
  • Estimand des Behandlungsschemas: –4,6 vs. –3,0 kg, ETD –1,6 kg; p < 0,001;
  • Wirksamkeitsestimand: –4,7 vs. –3,1 kg, ETD –1,6 kg; p < 0,001.

Häufige unerwünschte Ereignisse über 36 Wochen waren Übelkeit (1,5 mg: 13,4 %; 3 mg: 15,6 %; 4,5 mg: 16,4 %) und Erbrechen (1,5 mg: 5,6 %; 3 mg: 8,3 %; 4,5 mg: 9,3 %).

Fazit der Studienautoren

Bei Patienten, deren Typ-2-Diabetes durch Metformin nicht ausreichend kontrolliert werden konnte, führte die Eskalation von 1,5 mg pro Woche Dulaglutid auf 3,0 mg oder 4,5 mg zu klinisch relevanten, dosisabhängigen Reduzierungen von HbA1c und Körpergewicht mit einem ähnlichen Sicherheitsprofil.

Quelle

Frias JP, et al. Efficacy and safety of dulaglutide 3.0 mg and 4.5 mg versus dulaglutide 1.5 mg in metformin-treated patients with type 2 diabetes in a randomized controlled trial (AWARD-11). Diabetes Care 2021;44:765–73.

Literatur

1. IQWiG im Dialog: Gefährden die neuen „Estimand“-Strategien die Standards der Nutzenbewertung? https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_10187.html (Zugriff am 22.03.21).

Arzneimitteltherapie 2021; 39(05):163-175