EditorialJürgen Schölmerich, Regensburg

Evidence b(i)ased Medicine

Neue Arzneimittel in der DiskussionFrank G. Mathers, Köln, Bettina Martini, Memmingen, und Susanne Heinzl, Stuttgart

Vareniclin

Eine neue Substanz zur Rauchentwöhnung

Vareniclin ist ein partieller Nicotin-Rezeptoragonist, der zur Tabakentwöhnung eingesetzt wird. In den klinischen Studien ergaben sich Erfolgsquoten, die besser waren als mit Bupropion und Plazebo. Dennoch verzichteten langfristig nur etwa 23 % der Studienteilnehmer auf das Zigarettenrauchen. Häufigste unerwünschte Wirkung war Übelkeit, die bei etwa einem Drittel der Personen auftrat. Vareniclin (Champix®) zur Rauchentwöhnung von Erwachsenen ist seit März 2007 im Handel verfügbar. Arzneimitteltherapie 2007;25:203–5.

ÜbersichtJosefine Römmler und Jochen Schopohl, München

Somatostatin-Analoga und Wachstumshormon-Rezeptorantagonisten

Therapie der Akromegalie

Die Therapie der Wahl zur Behandlung der Akromegalie ist die transsphenoidale Hypophysenoperation. Ist die Erkrankung dadurch nicht ausreichend kontrolliert, sollte eine medikamentöse Nachbehandlung erfolgen. Hierbei sind Somatostatin-Analoga die medikamentöse Therapie der Wahl. Man unterscheidet kurz wirksames Octreotid, das zwei- bis dreimal pro Tag s. c. injiziert werden muss, von den lang wirksamen Depotpräparaten Octreotid LAR und Lanreotid Autogel, die nur noch alle 28 Tage i. m. verabreicht werden müssen. Die Somatostatin-Analoga können bei etwa 60 % der Patienten den Wachstumshormon-Spiegel normalisieren und den Insulin-like-Growth-Factor-I(IGF-I)-Wert in den altersentsprechenden Normbereich senken. Ein Vorteil der Somatostatin-Analoga ist die Kontrolle des Tumorwachstums. Die Verträglichkeit ist gut. Kurzfristige gastrointestinale Beschwerden und Cholesterol-Gallensteine sind die häufigsten Nebenwirkungen.
Seit 2003 ist mit Pegvisomant der erste Wachstumshormon-Rezeptorantagonist auf dem Markt. Er reduziert in über 90 % der Fälle den IGF-I-Wert auf altersentsprechende Normwerte. Da Pegvisomant keine direkte Wirkung auf das Adenom hat, kommt es zu einem Anstieg des endogenen Wachstumshormons. Pegvisomant wird täglich s. c. injiziert und ist gut verträglich. In wenigen Fällen wurde von einer Transaminasenerhöhung berichtet. Ob es in Einzelfällen zu einer Größenzunahme des Hypophysenadenoms kommen kann, wird noch in Studien untersucht.
Arzneimitteltherapie 2007;25:208–15.

FlaggeEnglish abstract

Somatostatin analogues and growth hormone receptor antagonist in therapy of acromegaly

The first line therapy in the treatment of acromegaly is transsphenoidal pituitary surgery. If disease activity is not controlled after surgery then medical treatment is recommended.

Somatostatin analogues are the first line medical treatment. At the moment there are mainly three types of somatostatin analogues in use: The short acting octreotide s. c. which has to be injected 2 to 3 times per day and the long acting octreotide LAR and lanreotide autogel i. m. depot preparations which have to be injected only every 28 days. Somatostatin analogues are able to normalize growth hormone and to reduce IGF-I (Insulin like growth factor I) to an age-matched normal value in 60 % of the patients. The main advantage of somatostatin analogues is the control of tumor growth and they are well tolerated. The most common side effects are brief gastrointestinal symptoms and cholesterol gallstones.

In 2003 the first growth hormone receptor antagonist pegvisomant was made available. In more than 90 % of patients under treatment, IGF-I could be reduced to an age-matched normal value. As pegvisomant does not have direct effects on the adenoma, GH rises. Pegvisomant is injected daily subcutaneously and is well tolerated. In a few cases an increase in liver transaminases is reported. Whether or not pegvisomant rarely leads to tumor progression is currently being investigated.

Keywords: Acromegaly, somatostatin analoga, octreotide, lanreotide, growth hormone receptor antagonist, pegvisomant

ÜbersichtJohann D. Ringe, Leverkusen

Strontiumranelat bei postmenopausaler Osteoporose

Dauerhafter Frakturschutz durch Adjustierung des gestörten Knochenstoffwechsels

Ziel jeder Therapie der Osteoporose muss es sein, das erhöhte Frakturrisiko durch Verbesserung von Knochenmasse, -architektur und -qualität zu senken. Da der Knochen ein lebendes Gewebe ist und einem permanenten Umbauprozess unterliegt, kann dies nur durch direkte Beeinflussung der Knochenzellen, die am Umbau beteiligt sind, gelingen. Dabei ist es für die Auswahl eines Osteoporose-Medikaments wichtig, die pathophysiologischen Vorgänge des Knochenumbaus und die verschiedenen Wirkungsmechanismen der heute verfügbaren Substanzen zu verstehen. Im Sinne einer Materialerneuerung wird alte und schadhafte Knochensubstanz durch die Osteoklasten abgebaut und wie bei einer Wanderbaustelle nachfolgend durch neue Knochensubstanz der Osteoblasten ersetzt. Bei der postmenopausalen Osteoporose ist dieses physiologische „Bone Remodelling“ gestört – überwiegend im Sinne eines erheblich gesteigerten Umsatzes: Das vermehrt durch Osteoklasten abgeräumte alte Knochenmaterial wird nur ungenügend von den Osteoblasten durch neue Substanz ersetzt. Idealerweise müsste ein spezifisches Osteoporose-Therapeutikum dieses Ungleichgewicht adjustieren, das heißt die Knochenumbauvorgänge auf ein normales Maß zurückführen, um damit Reparatur und dauerhafte Stabilisierung der verbliebenen Strukturen zu ermöglichen.
Arzneimitteltherapie 2007;25:216–21.

FlaggeEnglish abstract

Strontiumranelate in postmenopausal osteoporosis. Ongoing fracture protection due to adjustment of disturbed bone metabolism

It must be the goal of any osteoporosis treatment to reduce the increased fracture risk by increasing bone mass and improving bone microarchitecture and bone quality. Since bone is a living tissue which underlies a permanent process of remodelling this goal can only be achieved by modifying the activity of the remodelling bone cells. For selecting a medication for an individual patient it is crucial to understand both, the pathophysiological mechanisms leading to osteoporosis and the mechanisms of action of the available drugs.

Bone remodelling allows an osteoclastic removal of aged and mechanical insufficient bone tissue and subsequent osteoblastic deposition of new bone. In postmenopausal osteoporosis there is always an imbalance in this bone remodelling – in general with a pathologically increased turnover. The increasing amounts of removed bone by the osteoclasts are not sufficiently substituted by osteoblastic new bone formation.

An optimal osteoporosis therapy should be able to adjust the imbalance by reducing bone turnover to a physiological level to allow repair and stabilisation of existing structures and thereby provide a long-term fracture protection.

Keywords: Strontiumranelate, mode of action, pathogenesis of osteoporosis, fracture protection

PharmakovigilanzMarcus Rall, Jörg Zieger, Eric Stricker, Silke Reddersen, Patricia Hirsch und Peter Dieckmann, Tübingen

Das anonyme Incident Reporting System „PaSIS“ und PaSOS

Melde- und Informationsplattform auch für sicherheitsrelevante Ereignisse im Zusammenhang mit der Verabreichung von Medikamenten

Klinische StudieDr. Birgit Schindler, Freiburg

Neuer Therapieansatz zur VEGF-Inhibition

Feuchte altersabhängige Makuladegeneration

Das Fortschreiten der Neovaskularisierung bei der altersabhängigen Makuladegeneration kann durch monatliche Injektionen des VEGF-Antikörperfragments Ranibizumab (Lucentis®) in den Glaskörper des betroffenen Auges effektiver verzögert werden als durch die photodynamische Therapie mit Verteporfin (Visudyne®). In zwei Phase-III-Studien wurde durch intravitreale Injektion von Ranibizumab nicht nur eine Stabilisierung der Sehschärfe erreicht, sondern sogar eine Sehverbesserung.

Referiert & kommentiertam

Arzneimittel in klinischer Entwicklung

Malignes Melanom

Nachfolgend werden Ansätze zur Behandlung von Patienten mit malignem Melanom vorgestellt, die sich durch einen neuen Wirkungsmechanismus auszeichnen und sich in Phase I/II bzw. III der klinischen Prüfung befinden.

Referiert & kommentiertDr. Birgit Schindler, Freiburg

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie

Patienten profitieren von der Gabe des Komplement-Inhibitors Eculizumab

Eculizumab, ein monoklonaler, gegen das Komplementprotein C5 gerichteter Antikörper, schützt die roten Blutkörperchen von Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) vor der Zerstörung durch das körpereigene Komplementsystem. Durch die Behandlung mit Eculizumab konnte der Bedarf an Bluttransfusionen drastisch reduziert und die Lebensqualität der Patienten deutlich gesteigert werden. Dies ergab die jetzt veröffentlichte Studie TRIUMPH (Transfusion reduction investigation using eculizumab in PNH).

Referiert & kommentiertDr. Birgit Schindler, Freiburg

COX-2-Hemmer

Risiko und Nutzen für Patienten mit kolorektalen Adenomen

Cyclooxygenase-2(COX-2)-Hemmer senken die Gefahr des Wiederauftretens kolorektaler Adenome, die eine Vorstufe von Dickdarmkarzinomen darstellen. Allerdings steigt gleichzeitig das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses um ein Vielfaches. COX-2-Hemmer sind daher auch für Patienten, die ein besonders hohes Risiko für das Auftreten präkanzerogener Adenome haben, keine geeignete Chemoprävention.

Referiert & kommentiertDr. Birgit Schindler, Freiburg

Pädiatrische Gastroenteritiden

Nitazoxanid verkürzt schwere Rotavirus-Infektionen

Bisher gibt es kein Medikament zur Behandlung Rotavirus-bedingter Diarrhöen. Eine in Kairo durchgeführte Studie mit einer oralen Nitazoxanid-Suspension (Alinia®) verkürzte bei Kindern mit schwerer Rotavirus-Infektion die Genesungszeit.

Referiert & kommentiertBettina Martini, Memmingen

Mittelohrentzündung

Erst abwarten, dann Antibiotika-Therapie

Bei Kindern mit akuter Mittelohrentzündung wurden in einer Studie zwei Vorgehensweisen verglichen: Alle Eltern erhielten ein Rezept über ein Antibiotikum. In der einen Gruppe sollte die Therapie unverzüglich begonnen werden, in der anderen Gruppe nur, wenn nach 48 Stunden keine Besserung oder sogar eine Verschlechterung eingetreten ist. Durch die abwartende Haltung wurde der Antibiotika-Verbrauch stark reduziert, ohne dass die Erkrankung länger dauerte.

Referiert & kommentiertHardy-Thorsten Panknin, Berlin

Vancomycin-resistente Enterokokken

Welche Hygienemaßnahmen sind sinnvoll?

Die Häufigkeit Vancomycin-resistenter Enterokokken (VRE) unter den nosokomialen Erregern nimmt zu. Allerdings liegen nur bei einem Teil der VRE-Träger entsprechende Krankheitssymptome vor. Eine englische Leitlinie gibt Empfehlungen, welche Hygienemaßnahmen notwendig, sinnvoll oder auch überflüssig sind, um eine Ausbreitung von VRE im Krankenhaus zu vermeiden.

Referiert & kommentiertDr. Annemarie Musch, Stuttgart

Magenkarzinom

Optimierung der neuen Therapieoption mit Docetaxel

Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Magenkarzinom profitieren von der Therapie mit Docetaxel (Taxotere®). Neue Daten zur optimierten Therapie mit dem Taxan und multimodalen Therapieansätzen wurden auf einem von Sanofi-Aventis veranstalteten Satelliten-Symposium im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie in Leipzig am 6. November 2006 präsentiert.

Referiert & kommentiertDr. Annemarie Musch, Stuttgart

Multiples Myelom

Bortezomib – neue Indikationen in Sicht?

Bortezomib scheint die Empfindlichkeit von Myelomzellen gegenüber anderen Therapieprinzipien zu steigern. Daher wird untersucht, ob Bortezomib – zusätzlich zur Standardtherapie gegeben – das Behandlungsergebnis verbessern kann. Aktuelle Daten zur First-Line-Therapie und zur Behandlung von Rezidiven bei jüngeren und älteren Patienten wurden auf einer von Ortho Biotech veranstalteten Pressekonferenz im Rahmen der Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie in Leipzig im November 2006 vorgestellt.