EditorialAnnemarie Musch, Stuttgart

Biosimilars

Neue Arzneimittel in der DiskussionWiebke Schrempf und Tjalf Ziemssen, Dresden*

Natalizumab

Eine neue Option bei multipler Sklerose

Die Entwicklung monoklonaler Antikörper zur zielgerichteten Blockade einzelner pathophysiologisch relevanter Moleküle hat die Behandlungsmöglichkeiten zahlreicher neoplastischer und auch chronisch-entzündlicher Erkrankungen deutlich erweitert. Als erstes erfolgreiches Beispiel in der Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose kann Natalizumab (Tysabri®; Biogen Idec/Elan) genannt werden, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen Alpha-4-Integrin. Die Behandlung mit Natalizumab führte in Phase-II-Studien zu einer signifikanten ReduktionKontrastmittel(Gadolinium)-aufnehmender T1-Läsionen im MRT, aber auch zur Reduktion des Volumens von Kontrastmittel-aufnehmenden Herden. In der Phase-III-Studie AFFIRM konnte im Vergleich zu Plazebo eine deutliche Reduktion der Schubzahl während der Monotherapie mit Natalizumab bei Patienten mit einer schubförmig remittierenden multiplen Sklerose (RRMS) nachgewiesen werden. Allerdings erkrankten insgesamt drei mit Natalizumab behandelte Patienten an einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML), einer ZNS-Infektion, die durch das JC-Virus, ein Virus der Polyoma-Gruppe, in der Regel nur unter Immunsuppression ausgelöst wird. Das Präparat wurde daraufhin vorübergehend vom Markt genommen, jedoch unter Auflagen wieder zur Behandlung der hochaktiven schubförmigen multiplen Sklerose (RRMS) als Monotherapie zugelassen. Langzeituntersuchungen sind notwendig, um die Risiken und Nebenwirkungen neuer Therapien bei der Behandlung chronischer Erkrankungen wie der multiplen Sklerose einzuschätzen und Risiken sowie Nutzen gegeneinander abzuwägen. Die Behandlung mit Natalizumab sollte Zentren mit besonderer Erfahrung in der Behandlung der multiplen Sklerose zunächst vorbehalten bleiben.
Arzneimitteltherapie 2008;26:2–8.

FlaggeEnglish abstract

Natalizumab – a new option for multiple sclerosis

Monoclonal antibodies were designed to extend therapeutic options in the treatment of chronic inflammatory and neoplastic diseases by the specific blockade of pathophysiologically relevant molecules. Natalizumab (Tysabri®, Biogen/Elan), a humanized, monoclonal antibody against alpha-4-integrin, is the first promising example for the treatment of relapsing-remitting multiple sclerosis. In initial phase II studies, treatment with natalizumab lead to a significant decline of Gadolinium-enhancing (Gd+) T1-lesions and reduction of the volume of Gd+ lesions on MRI-scans. In the AFFIRM phase-III-trial, the relapse and progression rate in natalizumab-treated patients suffering from relapsing-remitting MS (RRMS) was significantly reduced compared with placebo. Three patients treated with natalizumab developed progressive multifocal leukencephalopathy (PML), an infection of the CNS caused by the Polyomavirus JC. The drug was temporarily phased out of the market, but under strict obligations it was re-authorized for the single treatment regimen of active relapsing-remitting multiple sclerosis. For the assessment of benefits and risks and also adverse effects of new drugs developed for the treatment of chronic diseases like multiple sclerosis longterm-trials need to be conducted. Until these data are available the use of natalizumab should be restricted to centres with wide experience in the treatment of multiple sclerosis.

Keywords: Multiple sclerosis, very late antigen (VLA-4), a4-integrin, natalizumab (Tysabri®), progressive multifocal leukencephalopathy (PML)

Neue Arzneimittel in der DiskussionRieke Alten, Berlin, und Annemarie Musch, Stuttgart

Abatacept

Rheumatoide Arthritis

Abatacept (Orencia®) wurde in Europa am 21. Mai 2007 als erster Vertreter der neuen Arzneistoffklasse der T-Zell-Kostimulationsmodulatoren zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen. In einem umfangreichen Studienprogramm wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie mit Abatacept bei Patienten gezeigt, die zuvor nicht ausreichend auf die Therapie mit „Disease modifying antirheumatic drugs“ (DMARD) und hierbei mindestens auf einen TNF-α-Blocker angesprochen haben oder aber diese nicht vertrugen.
Arzneimitteltherapie 2008;26:9–16.

FlaggeEnglish abstract

Abatacept in patients with rheumatoid arthritis

Abatacept (CTLA-4Ig) provides an innovative approach for the treatment of rheumatoid arthritis (RA). A comprehensive clinical development programme including 5 randomised, placebo-controlled trials over at least 6 months demonstrated that abatacept (~10 mg/kg at weeks 0, 2 and 4, and 4 week intervals thereafter) in combination with conventional disease-modifying antirheumatic drugs (DMARD) is effective and safe in patients with RA who have been treated unsuccessfully with DMARD or TNF-a-blockers. Abatacept was approved by the FDA for the treatment of RA in December 2005, the EMEA granted this approval in May 2007.

Keywords: Abatacept, rheumatoid arthritis, biological DMARD, CTLA-4Ig, costimulatory modulation

ÜbersichtChristoph F. Schorn und Hans Christoph Diener, Essen

Topiramat

Ein Antikonvulsivum zur Kopfschmerzprophylaxe

Mit dem Antikonvulsivum Topiramat steht eine weitere Substanz der ersten Wahl zur Prophylaxe der Migräne entsprechend den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN, Stand Mai 2005) zur Verfügung. Der zugrunde liegende multifaktorielle Wirkungsmechanismus ist nicht vollständig geklärt. Die empfohlenen Tagesdosen liegen zwischen 50 und 100 mg. Ein Wirkungseintritt ist in etwa zwei Monaten zu erwarten. Die wichtigsten – meist transienten –Nebenwirkungen sind Parästhesien, Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, Müdigkeit und Stimmungsschwankungen. Dabei nimmt deren Wahrscheinlichkeit mit steigender Dosierung zu. Eine wichtige Kontraindikation ist eine aktuelle oder eine in der Vergangenheit erlittene Nephrolithiasis. Wirksamkeit, Sicherheit und gute Verträglichkeit des Präparates sind durch eine Vielzahl an Studien belegt worden. Die klinische Erfahrung zeigt, dass bei einem Teil der Patienten mit chronischer Migräne, einem Medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerz sowie Cluster- und Spannungskopfschmerz Topiramat ebenfalls wirksam ist und somit zu einer mindestens 50%igen Reduktion der Attacken und Kopfschmerztage führt.
Arzneimitteltherapie 2008;26:19–23.

FlaggeEnglish abstract

Topiramate – An antiepileptic drug for headache prevention

Topiramate is a drug of first choice for migraine prophylaxis according to the guidelines of the German Neurological Society (DGN). The underlying multifunctional mechanism of action is not yet fully understood. The recommended daily doses are between 50 and 100 mg. The effectiveness of topiramate can be expected after approximately two months of treatment. The most frequent and usually transient side-effects are paraesthesia, cognitive impairment, mild amnestic aphasia, fatigue and dysthymia. The probability of side-effects is dose-dependent. Current or a history of nephrolithiasis is the most important contraindication. Efficacy, safety and reasonable tolerability of topiramate have been shown by a large number of randomised trials. Clinical experience showed that topiramate is also effective in the treatment of chronic migraine, medication overuse headache, cluster headache and chronic tension type headache and thus reducing headache days by at least 50 %.

Keywords: Topiramate, headache, migraine, pharmacology, prophylaxis

PharmakovigilanzSilke Reddersen, Patty Hirsch, Eric Stricker, Jörg Zieger und Marcus Rall, Tübingen

Verwechslung von Naropin 1 % und Naropin 0,2 % beim Aufspritzen eines Periduralkatheters auf …

Fragen aus der PraxisGerd Luippold, Tübingen

Knöchelödeme durch Calciumkanalblocker?

Eine 69-jährige Patientin mit arterieller Hypertonie erhält einen Calciumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ. Nach einer Woche klagt die Patientin über zunehmende, beidseitige Knöchelödeme. Eine chronisch-venöse Insuffizienz oder eine pulmonale Hypertonie als Ursache der Ödeme kann ausgeschlossen werden.

Klinische StudieProf. Dr. Hans Christoph Diener,Essen

Schlaganfall bei Patienten mit Makroangiopathie

Niedermolekulares Heparin versus Acetylsalicylsäure

Eine Behandlung von Patienten mit Makroangiopathie und ischämischem Insult mit niedermolekularem Heparin war der Gabe von Acetylsalicylsäure nicht überlegen, so das Ergebnis einer randomisierten Studie aus China.

Klinische StudieProf. Dr. Hans Christoph Diener,Essen

Schlaganfall

Aggressive Therapie der Hyperglykämie beim akuten Schlaganfall nicht wirksam

Eine 24-stündige Infusion mit Insulin und Kalium bei Patienten mit Hyperglykämien nach Schlaganfall reduziert zwar Glucosespiegel und Blutdruck, führt aber nicht zu einer signifikanten Reduktion der Sterblichkeit und des Behinderungsgrads.

Klinische StudieProf. Dr. Hans Christoph Diener,Essen

Tiefe Beinvenenthrombose bei Schlaganfall

Enoxaparin-Natrium zur Prophylaxe wirksamer als unfraktioniertes Heparin

Bei Patienten mit akutem ischämischem Insult und Parese im Bein bzw. Immobilität ist Enoxaparin-Natrium besser wirksam als unfraktioniertes Heparin, um venöse Thromboembolien zu verhindern.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Ecker-Schlipf,Holzgerlingen

Koronarsklerose

Neue Therapiemöglichkeiten mit HDL?

Bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom ließen sich mit Kurzzeitinfusionen aus rekonstituiertem High-Density-Lipoprotein(HDL)-Cholesterol im Vergleich zu Plazebo zwar günstige vaskuläre Effekte, aber noch keine signifikante Wirkung auf das Atherom- und Plaquevolumen nachweisen.

Referiert & kommentiertProf. Dr. Hans Christoph Diener,Essen

Diabetische Polyneuropathie

Behandlung der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie: Systematische Übersicht

Die Behandlung der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathien sollte mit trizyklischen Antidepressiva gefolgt von traditionellen Antikonvulsiva wie Carbamazepin, dann neuen Antikonvulsiva wie Pregabalin oder Gabapentin erfolgen, wie in einem systematischen Review gezeigt wurde. Wenn diese Arzneistoffgruppen nicht wirksam sind, kommen selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wie Duloxetin zum Einsatz.

Referiert & kommentiertDr. Susanne Heinzl, Stuttgart

Laropiprant

Verhindert Flush bei Niacin-Therapie

Die Erhöhung einer zu niedrigen HDL-Cholesterol-Konzentration im Serum verlangsamt das Fortschreiten einer koronaren Herzkrankheit und vermindert kardiovaskuläre Ereignisse. Am häufigsten verwendet werden zur HDL-Cholesterol-Erhöhung Nicotinsäure-Derivate wie Niacin, die als Nebenwirkung jedoch zu Flush und Hitzegefühl führen. Diese Nebenwirkung soll mit dem neuen Prostaglandin-Rezeptorantagonisten Laropiprant verhindert werden. Aktuelle Daten wurden im Rahmen eines von der Firma MSD veranstalteten Satellitensymposiums beim Europäischen Kardiologen-Kongress in Wien im September 2007 präsentiert.

Referiert & kommentiertDr. Susanne Heinzl, Stuttgart

LIFE-Studie

Losartan verringert linksventrikuläre Hypertrophie

Eine weitere Auswertung der LIFE-Studie (Losartan intervention for endpoint reduction in hypertension trial) zeigte, dass eine linksventrikuläre Hypertrophie und ein vergrößerter linker Vorhof auf ein hohes kardiovaskuläres Risiko hinweisen. Die Behandlung mit Losartan verringerte die Hypertrophie und das Volumen des linken Vorhofs stärker als die Behandlung mit Atenolol. Diese Daten wurden auf einem von der Firma MSD veranstalteten Satellitensymposium im Rahmen des Europäischen Kardiologen-Kongresses in Wien im September 2007 vorgestellt.

Referiert & kommentiertDr. Susanne Heinzl, Stuttgart

Anidulafungin

Neues Echinocandin zur Behandlung systemischer Kandidosen

Mit Anidulafungin (Ecalta®) steht nun nach Caspofungin (Cancidas®) ein weiteres Echinocandin zur Behandlung systemischer Kandidämien zur Verfügung. Anidulafungin ist für erwachsene Patienten ohne Neutropenie zugelassen.

Referiert & kommentiertDr. Annemarie Musch, Stuttgart

Myelodysplastische Syndrome

Immunmodulatorische Therapie mit Lenalidomid

Patienten mit myelodysplastischem Syndrom, die einer Niedrigrisiko-Gruppe zugeordnet werden (Patienten mit del5q-Anomalie), sprechen auf die Therapie mit Lenalidomid an: Ein Großteil der behandelten Patienten erreichte mit der täglichen Einnahme von 10 mg Lenalidomid das angestrebte Therapieziel für diese Risikogruppe, die Transfusionsfreiheit, so das Ergebnis einer Phase-II-Studie. Eine Zusammenfassung der aktuellen Datenlage zur Therapie mit Lenalidomid wurde auf einem von Celgene veranstalteten Satellitensymposium im Rahmen der Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Fachgesellschaften für Hämatologie und Onkologie in Basel im Oktober 2007 gegeben.

Referiert & kommentiertDr. Annemarie Musch, Stuttgart

Wachstumsfaktor bei Chemotherapie

Primärer Einsatz verringert febrile Neutropenie

Die primäre Prophylaxe mit dem Wachstumsfaktor Pegfilgrastim (Neulasta®) verringert Krankenhausaufnahmen wegen febriler Neutropenie und bedingt, dass die Chemotherapie-Dosierung seltener reduziert werden muss. Dies ergab eine integrierte Analyse (NeuCuP) mit den Daten von 2 282 Patientinnen mit Brustkrebs. Die Ergebnisse der NeuCuP-Analyse wurden auf einer von der Firma Amgen veranstalteten Pressekonferenz im Rahmen der European Cancer Conference in Barcelona im September 2007 vorgestellt.