EditorialProf. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Grundlagenforscher und Epidemiologen: Zurückhaltung gefordert

ÜbersichtThomas Frieling, Krefeld

Funktionsstörungen im Verdauungstrakt und funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen

Funktionelle Verdauungsbeschwerden finden sich häufig in der Allgemeinbevölkerung und können anhand der Rom-IV-Kriterien definierten Krankheitsbildern zugeordnet werden. Nach Ausschluss organischer Ursachen sollte die Therapie symptomorientiert, individuell und zeitlich begrenzt sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass viele Symptome gemeinsam auftreten können (Schmerzen, Discomfort, Dyspepsie, Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus, Obstipation, Stuhlentleerungsstörungen, Diarrhö), die potenziell mit einer viszeralen Hypersensitivität assoziiert sind. Häufig ist eine kombinierte medikamentöse Therapie erforderlich, wobei Funktionsstörungen und Symptomatik nicht miteinander korrelieren müssen. Viele Medikamente sind für spezielle funktionelle Verdauungserkrankungen nicht zugelassen.
Arzneimitteltherapie 2017;35:308–17.

FlaggeEnglish abstract

Functional gastrointestinal disorders

Functional gastrointestinal disorders are among the most frequent disorders seen in hospital and clinical practice and may be classified according to the Rome IV criteria. After exclusion of organic diseases, the therapy of functional gastrointestinal disorders should be symptom-based, individualized and temporary. There might be a great overlap of symptoms (pain, discomfort, dyspepsia, nausea, vomiting, meteorism, constipation, straining, diarrhea) very often associated with visceral hypersensitivity. In addition, symptoms and altered function may show only poor correlation. Despite the frequent demand of pharmacotherapy most drugs are not approved for the treatment of functional gastrointestinal disorders.

Key words: Functional gastrointestinal disorders, visceral hypersensitivity, dyspepsia, meteorism, constipation, straining, diarrhea, pharmacotherapy

ÜbersichtAndreas Rank, Augsburg, Hans-Christoph Diener, Essen, und Erhard Hiller, München

NOAK – Gerinnungsmanagement bei schweren Blutungen

Seit Zulassung der Nicht-Vitamin-K-abhängigen Antikoagulanzien (NOAKs) haben diese im klinischen Alltag ihren festen Platz in der Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern, bei Patienten mit tiefer Venenthrombose und Lungenembolie sowie bei orthopädischen Patienten mit Knie- und Hüftgelenksersatz zur Prophylaxe einer venösen Thromboembolie gefunden. Sowohl in den entsprechenden Zulassungsstudien wie auch in prospektiven Registern weisen Dabigatran, Rivaroxaban, Edoxaban und Apixaban grundsätzlich ein niedrigeres Risiko für schwerwiegende Blutungen im Vergleich mit den klassischen oralen Antikoagulanzien auf. Dieser Übersichtsartikel fasst die vorliegenden Daten zu Häufigkeit und Organverteilungsmuster von Blutungsereignissen sowie relevante Kontraindikation gegenüber dem Einsatz von NOAKs zusammen. Im Blutungsfall steht mit Idarucizumab mittlerweile das erste Antidot für Dabigatran zur Verfügung, die Zulassung von Andexanet alfa als umfassendes Antidot gegen Anti-Xa-Inhibitoren wird Ende 2017 erwartet. Im Vordergrund der Therapie von Blutungskomplikationen unter NOAKs stehen aber weiterhin die Gabe plasmatischer Gerinnungsfaktoren sowie die chirurgische, endoskopische oder radiologische Intervention.
Arzeimitteltherapie 2017;35:321–7.

FlaggeEnglish abstract

NOAK – coagulation management in severe bleeding

Several non-vitamin K anticoagulants (NOACs) have been licensed for clinical practice and are in general use in patients with atrial fibrillation, venous thromboembolism or for those undergoing orthopedic surgery of the lower extremities. Large-scale phase III clinical trials as well as prospective registries have shown that rivaroxaban, apixaban, dabigatran, and edoxaban are more effective in lowering the incidence of bleeding complications as compared to vitamin K antagonists. This article summarizes data regarding the incidence and location of bleeding events in patients being treated with NOACs, as well as the clinically relevant contraindications for the use of these anticoagulants. Strategies to manage bleeding complications associated with NOACs have been developed in the form of idarucizumab, the first-line antidote for reversal of dabigatran, and andexanet, a potential antidote for factor Xa inhibitors. However, plasma-derived clotting factors, and/or surgical, endoscopic and radiological interventional procedures continue to be considered first line treatment in patients with NOAC-associated bleeding complications.

Key words: NOAC, DOAC, venous thromboembolism, idarucizumab, andexanet, artrial fibrillation.

Klinische StudieDr. med. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn

Biosimilar

Umstellung vom Infliximab-Originalpräparat auf Biosimilar: kein Unterschied in der Wirksamkeit

Biologika gehören zu den teuren Medikamenten in der Medizin und auch hier wächst der Kostendruck. Eine kostengünstige Alternative zu Biologika können Biosimilars sein. Allerdings werfen Biosimilars unter anderem die Frage nach der Austauschbarkeit auf. Kann bei klinisch stabilen Patienten von einem Biologikum auf ein Biosimilar gewechselt werden? Welche Risiken sind mit einem solchen Wechsel verbunden? Daten der von der norwegischen Regierung initiierten und finanzierten NOR-SWITCH-Studie zeigen eine Nicht-Unterlegenheit des Infliximab-Biosimilars (Remsima®) gegenüber dem Originalpräparat Infliximab (Remicade®). Pharmazeutische Firmen waren an der Studie zu keinem Zeitpunkt beteiligt.

Referiert & kommentiert: Aus Forschung und EntwicklungDr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

Psoriasis vulgaris

Tildrakizumab als neue Option

Mit einem Interview mit Prof. Dr. Kristian Reich, Hamburg
Bei der Behandlung der moderat bis schwer ausgeprägten Psoriasis vulgaris, auch als Plaque-Psoriasis bezeichnet, hat die Einführung der Biologika im Vergleich zu früheren konventionellen topischen und systemischen Therapeutika die Ergebnisse deutlich verbessert. Der neue Wirkstoff Tildrakizumab hat nun in zwei vom Hersteller unterstützten Phase-III-Studien eine Überlegenheit gegenüber Placebo und Etanercept gezeigt.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Multiple Sklerose

Immunmodulatorische Therapien bei multipler Sklerose – eine Kohortenstudie

Mit einem Kommentar des Autors
In einer großen Kohortenstudie mit 4332 Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose (MS) waren Alemtuzumab und Natalizumab wirksamer als Fingolimod und Interferon beta. Allerdings müssen bei der Therapieentscheidung die seltenen, aber schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Alemtuzumab und Natalizumab berücksichtigt werden.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Schmerztherapie

Pregabalin bei akutem und chronischem Ischias nicht wirksam

Mit einem Kommentar des Autors
Bei radikulären lumbosakralen Schmerzen ist eine Schmerztherapie mit Pregabalin einer Therapie mit Placebo nicht überlegen. Das zeigt eine vor Kurzem im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseDr. Sabine Fischer, Stuttgart

Psoriasis-Arthritis

Ixekizumab bei TNF-Inhibitor-Non-Respondern

Patienten mit Psoriasis-Arthritis, die durch Behandlung mit TNF-Inhibitoren keinen ausreichenden Therapieerfolg erfahren, können von Ixekizumab profitieren. Dies zeigt die im Lancet publizierte Phase-III-Studie SPIRIT-P2.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseDr. Maja M. Christ, Stuttgart

Akutes Koronarsyndrom

Duale Gerinnungshemmung mit niedrig dosiertem Rivaroxaban

Wird zu einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) nach akutem Koronarsyndrom (ACS) zusätzlich der Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban gegeben, können die Mortalität und das Risiko für ein ischämisches Ereignis reduziert werden. Allerdings steigt das Risiko für schwere Blutungen. In der im Lancet publizierten GEMINI-ACS-1-Studie wurde ein dualer Ansatz mit niedrig dosiertem Rivaroxaban anstelle von Acetylsalicylsäure (ASS) untersucht.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Ischämischer Insult und intrakranielle Blutungen

Therapie mit Dabigatran: Welche Rolle spielt Idarucizumab?

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten, die unter einer Schlaganfallprävention mit Dabigatran einen ischämischen Schlaganfall erleiden, ist eine systemische Lyse mit rt-PA möglich, wenn die Wirkung von Dabigatran zuvor mit Idarucizumab antagonisiert wurde. Bei Patienten mit intrakraniellen Blutungen unter Dabigatran kann mit Idarucizumab möglicherweise die Sterblichkeit reduziert werden. Das zeigt eine Registerstudie aus Deutschland.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseProf. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Thrombozytenfunktionshemmer

Prävention vaskulärer Ereignisse und Blutungsrisiko

Mit einem Kommentar des Autors
Eine zehnjährige Beobachtungsstudie aus England zeigt, dass das Risiko, insbesondere gastrointestinaler Blutungen, unter der Einnahme von Thrombozytenfunktionshemmern höher ist als früher vermutet. Das Risiko steigt jenseits des 75. Lebensjahres steil an. Das Risiko oberer gastrointestinaler Blutungen bei älteren Menschen kann wahrscheinlich durch die Gabe von Protonenpumpenhemmern signifikant reduziert werden.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseProf. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Medikamenten-Nebenwirkungen

Nocebo-Effekte von Statinen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer großen vaskulären Präventionsstudie mit Atorvastatin, die in der ersten Hälfte doppelblind und in der zweiten Hälfte offen durchgeführt wurde, zeigte sich, dass muskelbezogene Nebenwirkungen unter der Einnahme des Statins signifikant häufiger sind, wenn Patienten und Arzt wissen, ob die Behandlung mit einem Statin erfolgt.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseProf. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Glioblastom bei älteren Patienten

Strahlentherapie plus Temozolomid ist alleiniger Strahlentherapie überlegen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten Studie mit 562 Patienten mit Glioblastom im Alter über 65 Jahre war die Kombination aus einer Strahlentherapie und einer Chemotherapie mit Temozolomid einer alleinigen Strahlentherapie überlegen.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Neuroonkologie

Langzeittherapie mit Temozolomid beim Glioblastom nicht wirksam

Mit einem Kommentar des Autors
Eine längere als bisher übliche Chemotherapie mit Temozolomid ist beim Glioblastom nicht besser wirksam, so eine Auswertung des deutsche Gliom-Netzwerks, die in der Zeitschrift Neurology veröffentlicht wurde.

PressekonferenzDr. Matthias Herrmann, Berlin

Cladribin zur Behandlung der schubförmigen MS

Neue orale Therapie wartet auf die Zulassung

Mit Cladribin-Tabletten könnte in naher Zukunft eine neue orale Therapie zur Behandlung von Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose (MS) zur Verfügung stehen. Nach Einreichung des Zulassungsantrags sprach das CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) der EMA (European Medicines Agency) im Juni 2017 eine „Positive Opinion“ aus. In der 96-wöchigen CLARITY-Studie bewirkte die zweimalige Kurzzeittherapie eine Reduktion der Schubrate um mehr als 50%. Auch ohne weitere Therapie hielt die Wirkung anschließend noch zwei Jahre an. Wie auf dem dritten MS-Presseclub der Firma Merck deutlich wurde, scheinen Patienten mit hohem Risiko für eine Krankheitsprogression besonders zu profitieren.

PressekonferenzDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Multiresistente gramnegative Erreger

Ceftazidim-Avibactam wirkt auch bei Carbapenem-resistenten Erregern

Die Resistenzentwicklung bei gramnegativen Erregern nimmt weltweit zu. Im Hinblick auf Carbapenemase-bildende Erreger sind die Therapieoptionen derzeit limitiert. Mit Ceftazidim-Avibactam (Zavicefta™) steht jetzt die erste Antibiotikum-Beta-Lactamase-Inhibitor-Kombination zur Verfügung, die in Studien und im klinischen Alltag auch bei Carbapenemase-bildenden Bakterien eine gute Aktivität zeigt, so das Fazit eines von der Firma Pfizer veranstalteten Pressegesprächs.

PressekonferenzDr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Rheumatoide Arthritis

Interleukin-6-Rezeptorantagonist Sarilumab

Mit Sarilumab (Kevzara®) steht seit Juni 2017 der zweite Interleukin(IL)-6-Rezeptorinhibitor für die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) zur Verfügung. Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen des globalen klinischen SARIL-RA-Entwicklungsprogramms, in das rund 2900 Erwachsene mit aktiver mittelschwerer bis schwerer RA eingeschlossen wurden. Eigenschaften des neues Antikörpers und klinische Ergebnisse wurden bei einer Pressekonferenz von Sanofi Genzyme im Juli 2017 in Berlin vorgestellt.