Digitale Ausgabe

43. Jahrgang Heft 05Sep/Okt 2025
Seite 175 - 186
ÜbersichtHans-Peter Lipp, Tübingen, und Stefan Schwartz, Berlin

Der Antimetabolit Methotrexat

Update zur klinischen Pharmakologie, Supportivtherapie und zum Antidot Glucarpidase

Seit über 50 Jahren ist das Antifolat Methotrexat ein unverzichtbarer Bestandteil in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen, throphoblastischen Tumoren, Lymphomen des zentralen Nervensystems, Osteosarkomen und der akuten lymphatischen Leukämie. Der Einsatz der Hochdosistherapien setzt allerdings eine akkurat durchgeführte Hydrierung, Alkalisierung und Folinsäure-Rescue als Supportivtherapie voraus. Dabei spielt der Zeitabstand zwischen Einleitung der Methotrexat-Infusion und dem Start der Rescue sowie die richtige Folinsäure-Dosis eine entscheidende Rolle. Im Vorfeld der Therapie gilt es aber auch, das Risiko möglicher Interaktionen (z. B. über transmembranäre Carrier-Systeme) genau zu prüfen und im Zweifel einen Wechsel der Komedikation vorzunehmen. Kommt es dennoch im Rahmen des Monitorings zu abnormen Methotrexat-Verläufen, so steht mittlerweile mit Glucarpidase ein wirksames Antidot zur Verfügung, mit dem das Risiko eines Methotrexat-assoziierten Nierenversagens verhindert werden kann. Allerdings ist das rekombinant gewonnene Enzym in einem zeitlich definierten Abstand zur Leucovorin-Rescue zu verabreichen. Weitergehende Studien werden klären, ob möglicherweise auch geringere Dosen an Glucarpidase ausreichen, um eine effektive Methotrexat-Elimination sicherzustellen.

FlaggeEnglish abstract

Antimetabolite methotrexate – An updated review to its clinical pharmacology, supportive strategies and on the antidote glucarpidase

For more than 50 years, the antifolate methotrexate (MTX) has been used as an essential agent for the treatment of autoimmune diseases, trophoblastic tumors, CNS lymphoma, osteosarcoma as well as acute lymphoblastic leukemia (ALL). During high-dose MTX, supportive management based on accurate hydration, alkalinization as well as leucovorin rescue (LV rescue) is mandatory. In respect to the latter, defined time intervals between the start of MTX Infusion and the start of LV rescue with appropriate doses of folinic acid are warranted. In addition, one has to search for potential drug-drug interactions e. g. based on transmembranar carrier systems with changes of comedication as a possible consequence. In case of abnormal high MTX serum levels, meanwhile glucarpidase (CPDG2) can be used as an effective antidote to avoid the risk for MTX-associated acute renal failure. However, intervals between CPDG2 administration and the infusion of folinic acid must be accurately considered. Further trials may reveal whether lower CPDG2 doses may be sufficient for effective MTX elimination.

Key words: glucarpidase, leucovorin rescue, methotrexate, pharmacology

Seite 188 - 194
Arzneimittel in der DiskussionLarissa Tetsch, Maisach

Mirvetuximab soravtansin

Antikörper-Wirkstoff-Konjugat für die Therapie des Platin-resistenten Ovarialkarzinoms

Das epitheliale Ovarialkarzinom ist ein Sammelbegriff für das hochgradig seröse epitheliale Ovarial-, das Tuben- und das primäre Peritonealkarzinom. Die Behandlungsoptionen für diese malignen Neoplasmen waren bislang begrenzt, insbesondere da viele Tumoren im Verlauf der Behandlung eine Platin-Resistenz entwickeln. Eine Alternative zu Chemotherapien mit ihren typischerweise starken Nebenwirkungen stellen Antikörper-basierte Therapien dar. Mirvetuximab soravtansin ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das im November 2024 von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für die Behandlung des FRalpha-positiven, Platin-resistenten, hochgradig serösen epithelialen Ovarialkarzinom zugelassen wurde. Der Antikörperbestandteil Mirvetuximab richtet sich an den Folatrezeptor alpha (FRalpha), den über 90 % der Ovarialkarzinomzellen auf ihrer Oberfläche überexprimieren. Über einen spaltbaren Linker ist Mirvetuximab an das Maytansinoid Ravtansin (DM4) gekoppelt, das als Tubulin-Inhibitor sich aktiv teilende Zellen schädigt. In der Zulassungsstudie MIRASOL verbesserte sich unter dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat das progressionsfreie Überleben signifikant gegenüber einer von drei Monochemotherapien. Auch in Bezug auf die objektive Ansprechrate und das Gesamtüberleben war Mirvetuximab soravtansin den Chemotherapien überlegen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten okuläre und gastrointestinale Nebenwirkungen sowie periphere Pathologien.

FlaggeEnglish abstract

Mirvetuximab soravtansin

The epithelial ovarian carcinoma is a collective term for high-grade serous epithelial ovarian carcinoma, fallopian tube carcinoma, and primary peritoneal carcinoma. Treatment options for these malignant neoplasms have been limited, especially as many tumors develop platinum resistance during the course of treatment. An alternative to chemotherapy, with its typically severe side effects, are antibody-based therapies. Mirvetuximab soravtansin is an antibody drug conjugate, which was approved by the European Medicines Agency in November 2024 for the treatment of FRalpha-positive, platinum-resistant, high-grade serous epithelial ovarian carcinoma. The antibody component, mirvetuximab, targets the folate receptor-alpha (FRalpha), which is overexpressed on the surface of more than 90 % of ovarian carcinoma cells. Through a cleavable linker, mirvetuximab is conjugated to the maytansinoid DM4, a tubulin inhibitor that kills actively dividing cells. In the approval study MIRASOL, the antibody-drug conjugate significantly improved progression-free survival compared to one of three monochemotherapies. In terms of objective response rate and overall survival, mirvetuximab soravtansin was also superior to chemotherapy. The most common side effects included ocular and gastrointestinal issues, as well as peripheral pathologies.

Keywords: antibody drug conjugate, mirvetuximab soravtansin, ovarian cancer

Seite 188 - 194
Arzneimittel in der DiskussionClemens Unger, Freiburg

Mirvetuximab soravtansin

Aus Expertensicht

Seite 195 - 199
BerichtSusanne Heinzl, Reutlingen

Studienergebnisse, die die klinische Praxis ändern

Bericht vom ASCO-Kongress 2025

Beim Jahreskongress 2025 der American Society of Clinical Oncology (ASCO), der vom 30. Mai bis 3. Juni 2025 in Chicago und virtuell stattfand, wurden zahlreiche praxisändernde Studien präsentiert. Viele Studien befassten sich mit Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten, zum Beispiel bei Brustkrebs. Die perioperative Therapie mit Immuntherapeutika erweist sich bei immer mehr Entitäten als hilfreich. Beim kleinzelligen Lungenkarzinom gibt es u. a. mit Tarlatamab einen neuen Therapieansatz.

Seite 200 - 201
Klinische StudieDr. Miriam Sonnet, Rheinstetten

Fortgeschrittenes Mammakarzinom (ER+/HER2–)

Neuer PROTAC verlängert das progressionsfreie Überleben bei Tumoren mit ESR1-Mutation

Der PROTAC Vepdegestrant hat sich in einer Phase-III-Studie als wirksam zur Therapie von vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs erwiesen. Allerdings verlängerte sich das progressionsfreie Überleben nur bei denjenigen mit ESR1-Mutation, aber nicht in der Gesamtpopulation.

Seite 200 - 201
RezensionDr. med. Claudia Müller-Ladner, Friedberg/Hessen

Rezension

State-of-the-Art Neuropädiatrie

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertProf. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Nichtrezidivierende sekundär progrediente multiple Sklerose (NRSPMS)

Tolebrutinib bei nichtrezidivierender sekundär progredienter MS

Mit einem Kommentar des Autors
In der randomisierten HERCULES-Studie mit 1131 Patienten mit nichtrezidivierender sekundär progredienter MS war der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Tolebrutinib bezüglich der Verhinderung der Krankheitsprogression nach sechs Monaten wirksamer als Placebo.

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertProf. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Myasthenia gravis

Inebilizumab bei generalisierter Myasthenia gravis

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit generalisierter Myasthenia gravis und nachgewiesenen Autoantikörpern gegen den Acetylcholinrezeptor oder die muskelspezifische Kinase verbesserte sich unter Inebilizumab im Vergleich zu Placebo die motorische Funktion. Der Schweregrad der Erkrankung verringerte sich.

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertSaskia Fechte, Stuttgart

Autoimmunerkrankungen und Krebs

Immuncheckpoint-Inhibitoren auch bei neurologischen Autoimmunerkrankungen eine Option

Immuncheckpoint-Inhibitoren sind in der Krebsbehandlung fest etabliert. Beim Einsatz bei Patienten mit multipler Sklerose und anderen Autoimmunerkrankungen galt bisher Zurückhaltung, es gab nur wenige Daten. Das sollte sich mit einer spezifischen Studie zu dieser Patientengruppe ändern.

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertDr. rer. nat. Christine Willen, Cloppenburg

Osteoporose

Real-World-Daten zu Romosozumab bestätigen: Etwa Hälfte der Frakturen kann verhindert werden

Anlässlich der diesjährigen Jahrestagung des Dachverbands Osteologie e. V. in Münster wurde unter anderem eine retrospektive Analyse von deutschen Krankenkassendaten zur Osteoporose-Behandlung mit Romosozumab vorgestellt. Im Zuge dessen plädierten Experten außerdem dafür, ein Screening auf Osteoporose bei Patientinnen über 50 Jahre nach einer Fraktur standardmäßig durchzuführen.

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertDr. Annette Junker, Wermelskirchen

Periphere allogene Blutstammzelltransplantation

Cyclophosphamid zur Prophylaxe der Graft-versus-Host-Erkrankung

Bei Patienten, die sich einer allogenen peripheren Blutstammzelltransplantation von einem passenden Geschwisterspender unterziehen, ist bislang die Kombination aus Ciclosporin und Methotrexat nach wie vor die Hauptstütze der Prophylaxe der Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD). Eine austral-asiatische Studie, in der zur GvHD-Prophylaxe eine Cyclophosphamid-Kombination getestet wurde, hat die Annahmen über die Prophylaxe der GvHD auf den Kopf gestellt. Sie wurde während des Jahreskongresses der europäischen Hämatologen (EHA) 2025 in Mailand vorgestellt.

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertDr. med. Thomas Meißner, Erfurt

Kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC)

Neues Immuntherapeutikum bei fortgeschrittenem SCLC

Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung der neuen S3-Leitlinie zum Lungenkarzinom wurde in der Europäischen Union mit Serplulimab ein weiteres Immuntherapeutikum für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligen Lungenkarzinom zugelassen.

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertDr. rer. nat. Annette Junker, Wermelskirchen

BRAF-V600E-mutiertes, metastasiertes Kolorektalkarzinom

Encorafenib schon in der Erstlinientherapie einsetzen

Encorafenib ist ein potenter und hochselektiver BRAF-Inhibitor, der seit 2020 ab der Zweitlinientherapie zur Behandlung des metastasierten Kolorektalkarzinoms (mCRC) mit einer BRAF-V600E-Mutation zugelassen ist. BRAF-V600E-Mutationen kommen bei 8 % bis 12 % der Patienten mit mCRC vor. Während der ASCO-Tagung 2025 wurden die primäre Analyse des progressionsfreien Überlebens und eine aktualisierte Zwischenanalyse des Gesamtüberlebens der BREAKWATER-Studie vorgestellt, in der mCRC-Patienten mit BRAF-V600E-Mutationen schon in der Erstlinientherapie mit einer Encorafenib-Kombination behandelt worden waren.

Seite 202 - 213
Referiert & kommentiertDr. Maja M. Christ, Stuttgart

Metastasiertes Mammakarzinom (mBC)

Sacituzumab govitecan & Co. erobern frühere Therapielinien

Ist alles schon gesagt zum Einsatz von Antibody-Drug-Konjugaten zur Behandlung von Brustkrebs? Das fragten Experten auf dem 44. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) im Rahmen eines von der Firma Gilead veranstalteten Symposiums. Natürlich nicht, leitete Prof. Dr. Maggie Banys-Paluchowski, Lübeck, ihren Vortrag ein.

Seite 214 - 219
PressekonferenzLara Hahn, Stuttgart

Fortgeschrittenes nichtkleinzelliges Lungenkarzinom

Amivantamab und Lazertinib als neue First-Line bei NSCLC

Im Januar 2025 wurde die Wirkstoffkombination aus Amivantamab und Lazertinib zur Erstlinienbehandlung erwachsener Patienten mit fortgeschrittenem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom mit common EGFR-Mutationen zugelassen. Im Zuge der virtuellen Fachpressekonferenz, veranstaltet von Johnson & Johnson, stellten die Referenten die Phase-III-Zulassungsstudie MARIPOSA und das Nebenwirkungsmanagement unter der Therapie vor.

Seite 214 - 219
PressekonferenzDr. rer. nat. Christine Willen, Cloppenburg

Von-Hippel-Lindau-Syndrom und Nierenzellkarzinom

Erweiterte therapeutische Möglichkeiten mit Belzutifan

Zum Launch von Belzutifan stellten Kliniker die erweiterten therapeutischen Möglichkeiten beim Nierenzellkarzinom und Von-Hippel-Lindau-Syndrom dar. Der bisher erste und einzige orale Inhibitor des Hypoxie-induzierbaren Faktor-2 alpha (HIF-2α) wurde zur Behandlung des Von-Hippel-Lindau-Syndroms und des fortgeschrittenen, klarzelligen Nierenzellkarzinoms bei Erwachsenen kürzlich zugelassen.

Seite 214 - 219
PressekonferenzAnnika Harsch, Stuttgart

Neuroendokrine Tumoren

Neue Optionen durch Cabozantinib

Die Zulassung des Tyrosinkinase-Inhibitors Cabozantinib wurde im Juli 2025 für die Behandlung von Erwachsenen mit metastasiertem, gut differenziertem extrapankreatischem oder pankreatischem neuroendokrinem Tumor erweitert, die nach mindestens einer vorherigen systemischen Therapie progredient sind. In einer virtuellen Pressekonferenz stellten Prof. Dr. med. Marianne Ellen Pavel, Erlangen, und Prof. Dr. med. Sebastian Krug, Heidelberg, Hintergrundinformationen der seltenen Tumorerkrankungen sowie zentrale Studienergebnisse zu Cabozantinib vor.

Seite 214 - 219
PressekonferenzAnnika Harsch, Stuttgart

B-Zell-Lymphome

Sieben Jahre CAR-T-Zelltherapie

Das diffus großzellige B-Zell-Lymphom gilt als die häufigste Form des Non-Hodgkin-Lymphoms. Mit der CAR-T-Zelltherapie steht Patienten nun seit ein paar Jahren eine neue kurative Zweitlinientherapie zur Verfügung. Bisherige Studien- und Langzeitdaten der innovativen Therapieform wurden in der digitalen Pressekonferenz „Heilung muss das Ziel sein: 7 Jahre Erfahrung mit CAR-T-Zelltherapie in Deutschland“ von Gilead Sciences und Kite resümiert.

Seite 214 - 219
PressekonferenzSimone Reisdorf, Erfurt

Hereditäre Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie

Weniger neurologische Einschränkungen und mehr Lebensqualität mit Eplontersen

Die Transthyretin-Amyloidose (ATTR) ist eine seltene Erkrankung, wobei die Form der hereditären Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie (hATTR-PN) besonders selten ist. Die wenigen Patienten frühzeitig zu entdecken ist jedoch wichtig, denn die Erkrankung mindert die Lebensqualität und Lebenserwartung der Patienten. Darüber hinaus ist die Krankheit behandelbar. Der im März 2025 für diese Indikation zugelassene Gen-Silencer Eplontersen konnte in der NeuroTTRansform-Studie die neurologischen Funktionsverluste der Patienten verringern und ihre Lebensqualität verbessern.