Neue Arzneimittel in der DiskussionBernd Salzberger, Regensburg, und Susanne Heinzl, Stuttgart

Daptomycin

Zyklisches Lipopeptid zur Behandlung von Haut- und Weichgewebeinfektionen

Daptomycin ist der erste Vertreter der neuen zyklischen Lipopeptide, einer neuen Antibiotika-Klasse. Es wirkt ausschließlich gegen grampositive Bakterien, einschließlich gegen andere Antibiotika mehrfach resistenter Stämme. Indiziert ist es zur Behandlung komplizierter Haut- und Weichgewebeinfektionen. Nicht wirksam ist es bei Atemwegsinfektionen. Da zu Beginn der klinischen Entwicklung vermehrt Muskelsymptome beobachtet wurden, sind entsprechend disponierte Patienten sorgfältig zu überwachen.
Arzneimitteltherapie 2007;25:120–4.

Neue Arzneimittel in der DiskussionMichael Manns, Katja Deterding, Hannover, und Annemarie Musch, Stuttgart

Entecavir

Neues Nucleosid-Analogon zur Therapie der chronischen Hepatitis-B-Virus-Infektion

Entecavir (Baraclude®) ist ein neues Virustatikum, das seit dem 26. Juni 2006 zur Behandlung chronischer Hepatitis-B-Virus(HBV-)-Infektionen zugelassen ist. Das Nucleosid-Analogon hemmt selektiv die HBV-Polymerase und damit die DNS-Synthese und die Replikation des Hepatitis-B-Virus in infizierten Zellen.
Entecavir ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit chronischer HBV-Infektion – sowohl Wildtyp-Virus-Infektion (= HBeAg-positiv) als auch Infektion mit der Prä-Core-Mutante des Virus (= HBeAg-negativ). Entecavir zeichnet sich durch eine hohe antivirale Wirksamkeit und ein im Vergleich zu Lamivudin und Adefovir deutlich besseres Resistenzprofil bei nicht vorbehandelten Patienten aus.
Arzneimitteltherapie 2007;25:126–31.

FlaggeEnglish abstract

Entecavir for HBeAg-positive and HBeAg-negative chronic hepatitis B virus (HBV) infection

Entecavir (Baraclude®) is an oral nucleoside analogue drug that selectively inhibits HBV polymerase and therefore suppresses synthesis of DNA and viral replication. Entecavir is approved for the treatment of patients with chronic HBV infection in Europe since June 26th 2006. In clinical trials with patients suffering from HBeAg-positive or HBeAg-negative chronic HBV infection there was shown a superior HBV suppression, ALT normalisation and improvement in liver histology for the treatment with entecavir compared to the treatment with lamivudine. Entecavir resistance is rare in nucleoside naive patients.

Keywords: Entecavir, nucleoside analogue drug, chronic hepatitis B infection

ÜbersichtSusanne Liptay und Stefan Burdach, München

Gastroösophageale Refluxkrankheit bei Kindern und Jugendlichen

Therapeutische Möglichkeiten

Spucken als Zeichen eines gastroösophagealen Refluxes ist ein häufiger, physiologischer Prozess bei Säuglingen im 1. Lebensjahr. Nur ein kleiner Prozentsatz der Kinder mit gastroösophagealem Reflux (GÖR) entwickelt eine gastroösophageale Refluxkrankheit (GÖRK) mit möglichen Komplikationen. Da es Hinweise gibt, dass eine GÖRK im Säuglingsalter einen Risikofaktor für eine GÖRK im Erwachsenenalter darstellt, ist es einerseits wünschenswert, diese Kinder zu identifizieren und zu behandeln, ohne andererseits der großen Mehrzahl der spuckenden Säuglinge eine unnötige Diagnostik und Therapie zuzumuten. Die Identifizierung dieser Kinder ist jedoch bislang nicht sicher möglich, da es keine gute Korrelation zwischen klinischen Symptomen, 24-Stunden-pH-Metrie und endoskopisch-bioptisch gesicherter Refluxösophagitis gibt.
Bei einem spuckenden, gut gedeihenden Säugling ohne weitere Symptome ist ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt. Eine ausführliche Beratung über den meist selbstlimitierenden Verlauf des GÖR im ersten Lebensjahr kann eine vielfach unnötige Diagnostik und Therapie vermeiden. Nur wenige therapeutische Interventionen haben einen gesicherten Stellenwert. Bei ausbleibender Besserung ist ein Versuch mit einer kuhmilcheiweißfreien Ernährung gerechtfertigt. Das Andicken der Nahrung mit Johannisbrotmehl, Reisstärke oder die Gabe von speziellen Anti-Reflux-Formulanahrungen sollte nur in Ausnahmefällen unter ärztlicher Überwachung erfolgen.Eine GÖRK erfordert eine medikamentöse Behandlung. Protonenpumpenhemmer sind Mittel der ersten Wahl. Die MUPS-Zubereitung von Omeprazol ist in Deutschland das einzige Medikament mit Zulassung zur Therapie der GÖRK bei Kindern über einem Jahr. Für Kinder unter einem Jahr gibt es kein zugelassenes Medikament. Bei Unverträglichkeit von Protonenpumpenhemmern stehen H2-Rezeptorantagonisten als Alternative zur Verfügung. Ihre Wirksamkeit wurde bei Kindern nachgewiesen, eine Zulassung für Kinder besteht jedoch für kein Präparat dieser Substanzklasse. Metoclopramid ist für Kinder über zwei Jahre zugelassen, eine Reduktion von GÖR bei Kindern konnte nachgewiesen werden. In Anbetracht der hohen Nebenwirkungsrate muss die Indikation zur Therapie jedoch sehr sorgfältig gestellt werden. Domperidon ist für Kinder ab 12 Jahren zugelassen, eine Wirksamkeit gegen Erbrechen konnte nur bei einer kurzfristigen Anwendung gezeigt werden.
Arzneimitteltherapie 2007;25:132–9.

FlaggeEnglish abstract

Gastroesophageal reflux disease in children and adolescents

Regurgitation as a sign of gastroesophageal reflux is a common, physiological finding in infants under the age of one year. Only a small percentage of children with gastroesophageal reflux (GER) develop gastroesophageal reflux disease (GERD). Since GERD in infancy is a possible risk factor for GERD in adulthood it is desirable to identify and treat children with GERD without initiating unnecessary diagnosis and therapy in the great majority of regurgitating infants. No single test is generally accepted to identify all children with GERD, since the correlation between clinical symptoms, esophageal pH monitoring, endoscopical and histological findings is rather weak. Regurgitating infants with good weight gain and no signs of complications related to GERD ("happy spitters") do not require specific testing. Counselling the parents on the generally self-limiting course during the first year of life and reassurance usually is sufficient. Only few therapeutic interventions are evidence based. If no improvement is observed, initiating a trail of cow's milk free formula is justified. Thickening agents as carob bean gum, rice starch or the use of infant formula containing thickening agents should be used only in selected infants under medical supervision. If GERD is proven, drug therapy is mandatory. Proton pump inhibitors (PPI) are the treatment of first choice, although this recommendation is based more on data from studies with adult than with paediatric patients. The MUPS application of omeprazole is the only approved drug for the therapy of GERD in children over one year of age in Germany. No single drug is approved for younger children. If PPIs are not tolerated, H2 receptor antagonists can be considered. Their efficacy in children is proven, but they are not approved for this age group. Metoclopramid is approved for children over two years, a reduction of GER in children is verified. Because of the high rate of unwanted side effects, the use of Metoclopramid is not generally recommended, but should be restricted to selected patients under close monitoring. Domperidon is approved for children over 12 years of age, an efficacy is at best shown for short term use.

Keywords: Gastroesophageal reflux, gastroesophageal reflux disease, therapy, children, infants

Fragen aus der PraxisGerd Luipppold, Tübingen

Gerinnungshemmung bei Ulkuspatienten?

Ein 64-jähriger Patient hat unter einer Therapie mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (100 mg, 1–0–0) eine gastrointestinale Ulkusblutung erlitten. Zur Sekundärprävention einer bestehenden koronaren Herzerkrankung soll der Patient weiterhin antithrombotisch behandelt werden.
Welche Behandlungsstrategien sind denkbar?
Was wird von den Fachgesellschaften empfohlen?
Welche Aussagen lassen sich aus der aktuellen Studienlage ableiten?

Klinische Studiesh

IRIS-Studie

5-Jahres-Ergebnisse belegen hohe Wirksamkeit von Imatinib

Die Behandlung von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie mit Imatinib über 5 Jahre führte bei einem hohen Anteil der Patienten zu einem dauerhaften Ansprechen.

Klinische StudieDr. Birgit Schindler, Freiburg

Rektumkarzinom

Chemotherapie kann Überlebenszeit nicht verlängern

Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, wie lassen sich die besten Behandlungsergebnisse erzielen? Erwiesen ist, dass durch eine Bestrahlung vor der chirurgischen Entfernung eines Rektumkarzinoms lokale Rezidive reduziert werden können. In einer großen Studie wurde nun gezeigt, dass eine zusätzliche Chemotherapie zwar lokale Rezidive noch effektiver verringern kann, das Gesamtüberleben der Patienten durch diese Behandlung aber nicht verlängert wird.

Klinische StudieRosemarie Ziegler, Albershausen

Pädiatrie

Orales Ondansetron bei akuter Gastroenteritis

Bei Kindern mit Exsikkose durch Magen-Darm-Entzündung lindert eine Einzeldosis Ondansetron das Erbrechen und erleichtert so die orale Rehydratisierung auf der Notfallstation.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Alendronsäure versus Teriparatid

Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Osteoporose-Therapie

Bei postmenopausalen Frauen mit hohem Osteoporose-Risiko zeigte die alleinige Gabe von Alendronsäure einen besseren Kosten-Nutzen-Effekt als die Monotherapie mit Teriparatid oder eine sequenzielle Therapie mit Teriparatid plus Alendronsäure.

Referiert & kommentiertam

Arzneimittel in klinischer Entwicklung

Thrombozytopenie

Nachfolgend werden zwei viel versprechende neue Ansätze zur Behandlung von Patienten mit Thrombozytopenie vorgestellt, die sich durch einen neuen Wirkungsmechanismus auszeichnen und sich bereits in Phase II bzw. III der klinischen Prüfung befinden.

Referiert & kommentiertDr. Birgit Schindler, Freiburg

Multiple Sklerose

T-Zell-gerichtete Therapie mit Fingolimod

Gibt es bald neben Natalizumab eine weitere neue Therapieoption zur Behandlung der schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose? In einer Plazebo-kontrollierten Phase-II-Studie wurde gezeigt, dass Fingolimod (FTY720) die Anzahl neuer Läsionen und die Schubrate deutlich senkt. Fingolimod ist oral verfügbar und hemmt die Migration von T-Lymphozyten.

Referiert & kommentiertBettina Martini, Memmingen

Leukämie

Nilotinib wirksam bei Imatinib-Resistenz

Nilotinib (vorgesehener Handelsname Tasigna®) hemmt wie Imatinib die BCR-ABL-Tyrosinkinase, die bei Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) hochreguliert ist. Die neue Substanz wirkt aber auch bei Imatinib-refraktären Patienten. Die Verträglichkeit des neuen Tyrosinkinase-Hemmers ist gut. So die Ergebnisse einer Phase-I-Studie.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Kreutzkamp, München

Multiples Myelom

Thalidomid verbessert Ergebnis gegenüber Standardtherapie

Bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom, die für eine Stammzelltransplantation nicht in Frage kommen, ergeben sich durch die zusätzliche Gabe von Thalidomid zum Standardregime Melphalan plus Prednison Vorteile bei den Ansprechraten und beim ereignisfreien Überleben. Schwere Nebenwirkungen sind aber bei der Dreifach-Kombination häufiger.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Betablocker

Kein erhöhtes Risiko für Depressionen nach einem Herzinfarkt

Bei Patienten, die nach einem Herzinfarkt Betablocker erhielten, wurde im ersten Jahr nach dem Ereignis kein erhöhtes Auftreten von depressiven Symptomen oder Störungen beobachtet.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Kreutzkamp, München

Kardioverter-Defibrillatoren in der Sekundärprävention

Amiodaron zusätzlich zu Betablockern reduziert Schockrate

Patienten, die aufgrund von Kammertachykardien oder Kammerflimmern einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) erhalten, werden durch Amiodaron plus einer Standardtherapie mit Betablockern besser vor Defibrillator-ausgelösten Schocks bewahrt als durch eine Betablocker-Monotherapie. Die dadurch gesteigerte Lebensqualität der Patienten muss gegen die Nebenwirkungen einer Amiodaron-Gabe vor allem auf Schilddrüse und Lunge abgewogen werden.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Kreutzkamp, München

Begutachtung von Kongress-Abstracts

Hoher Bias in offenen Verfahren

Werden wissenschaftliche Abstracts für die Präsentation auf einem US-amerikanischen Kongress in einem offenen Verfahren begutachtet, werden Arbeiten aus Ländern wie den USA und anderen englischsprachigen Nationen sowie Arbeiten aus angesehenen Forschungseinrichtungen bevorzugt. In verblindeten Begutachtungen reduziert sich dieser Bias deutlich.

Referiert & kommentiertsh

Pneumokokken-Impfung

Weniger Pneumokokken-Infektionen bei Kindern

Eine Impfung mit dem 7-valenten Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff (Prevenar®) kann mehr als 70 % der invasiven Pneumokokken-Infektionen bei Kindern unter fünf Jahren in Deutschland verhindern. Dies ergab eine prospektive aktive Surveillance-Studie, die 1997 begonnen wurde.

Referiert & kommentiertsh

Akutes Koronarsyndrom

Welche Patienten profitieren von Glykoprotein-Rezeptorantagonisten?

Von einer Therapie mit dem Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten Tirofiban profitieren insbesondere Patienten mit akutem Koronarsyndrom und hohem Risiko. Derzeit wird untersucht, ob eine so genannte Downstream-Dosierung mit Tirofiban die Therapieergebnisse im Vergleich zur bisherigen Upstream-Dosierung verbessert, wie bei einem MSD-Satellitensymposium auf dem World Congress of Cardiology 2006 Anfang September in Barcelona berichtet wurde.

Referiert & kommentiertDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Therapie der chronischen Hepatitis B

Frühe Abnahme der Virusmenge unter Telbivudin

Mit Telbivudin steht ab 2007 vermutlich ein neues Nucleosidanalogon zur Therapie der chronischen Hepatitis B zur Verfügung, mit dem eine stärkere frühzeitige Senkung der Virusmenge erreicht werden kann, so das Ergebnis eines von Novartis Pharma GmbH und Idenix Germany GmbH veranstalteten Pressegesprächs im Rahmen der DGVS-Tagung im September 2006 in Hannover.